Man sagt, dass hohe Zinsen das Ende von Small-Cap-Investitionen bedeuten. Aber muss das so sein?

Autor: Bill Chater, Direktor für Marketing und Vertrieb bei Baillie Gifford

Wie bei jeder Investition ist das Kapital einem Risiko ausgesetzt.

  • Small-Cap-Aktien sind derzeit im Vergleich zu Large-Cap-Aktien historisch günstig.
  • Small-Cap-Investitionen können auch in einem Umfeld höherer Zinsen funktionieren.
  • Operatives Wachstum ist langfristig der wichtigste Renditetreiber.

 

Im Gegensatz zu den in den vergangenen zehn Jahren vorherrschenden Verhältnissen sind derzeit kleine Unternehmen (sogenannte „Small Caps“ mit einer Marktkapitalisierung von weniger als 5 Milliarden US-Dollar) im Vergleich zu „Large Caps“ historisch günstig bewertet. Das liegt vor allem an der Angst vor einem Regimewechsel – von einer lockeren Geldpolitik, reichlich vorhandenen Mitteln und geopolitischer Stabilität hin zu höheren Kapitalkosten, begrenzten Mitteln und einer Priorisierung von Produktivität gegenüber Wachstum um jeden Preis.

Die vorherrschende Meinung führt die Bewertungslücke fast ausschließlich auf die aggressiven Zinserhöhungen der Zentralbanken zurück. Darüber hinaus wird behauptet, dass die höheren Zinssätze und der damit einhergehende Anstieg der Kapitalkosten die Investitionen in kleine, am Anfang ihrer Karriere stehende Unternehmen unattraktiv machen. Auf kürzere Sicht gelten Investitionen in große Unternehmen als sicherer.

Wir bezweifeln jedoch, dass dieser Zusammenhang so einfach oder stabil ist, wie viele glauben machen wollen.

Unsere Überlegungen beruhen zum Teil auf früheren Zinserhöhungen und der anschließenden Performance von US Small Caps in der Folgezeit. Unter ähnlichen Bedingungen sind in der Vergangenheit Aktien kleinerer Unternehmen gut gelaufen, siehe etwa die Renditen des Russell 2000 Index in den drei Jahren nach der Erhöhung der Leitzinsen 1986, 1994 und 2004.

Höhere Zinssätze sind also nicht per se ein Hindernis. Eher würden wir argumentieren, dass ein Zusammentreffen vieler Stressfaktoren die derzeitige Volatilität im Small-Cap-Sektor ausgelöst hat: Pandemie, Inflation, Kriege … – um nur die offensichtlichsten zu nennen.

Bei so viel Ungewissheit hat sich der Horizont der Anleger verengt; sie wollen oder können nicht Verbesserungen in der Aufstellung oder den Produkten von Unternehmen bewerten, die sich nicht schon in den nächsten 12 bis 18 Monaten positiv auf die Rendite auswirken.

Aber das wird sich wieder ändern. Zum Teil, weil die genannten Schocks irgendwann im System verarbeitet sein werden, zum Teil aufgrund der angeborenen menschlichen Anpassungsfähigkeit. Wir werden zu einem Umfeld zurückkehren, in dem der eigentliche Wert des Unternehmens wieder stärker zur Geltung kommt.

Bis dahin bietet aber die eklatante Diskrepanz zwischen dem langfristigen Geschäftspotential und dem aktuellen Marktpreis kleiner oder junger Unternehmen Chancen für unsere Portfolios.

Es geht um das Wachstumspotential, nicht um Zahlenakrobatik

Der Marktpreis für jede Aktie lässt sich aufschlüsseln in die prognostizierten Gewinne oder Cashflows und den Preis, den der Markt zu einem bestimmten Zeitpunkt dafür zu zahlen bereit ist. Ausgedrückt in unterschiedlichen Kennziffern wie dem Kurs-Umsatz-Verhältnis (P/S) oder dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV).

Wir schauen dabei weniger auf den erwarteten Anstieg des Multiplikators, den der Markt zur Bewertung anwendet, als auf den Wert, den wir aufgrund der Chancen und der Fähigkeit des Unternehmens zu ihrer Umsetzung am Ende unseres fünfjährigen Anlagehorizonts prognostizieren.

Wir haben bei unseren erfolgreichsten Investitionen die Erfahrung gemacht, dass die meisten Investitionsrenditen auf das operative Wachstum zurückzuführen sind. Das bedeutet, dass der Multiplikator am Markt um 70, 80 oder 90 Prozent gegenüber der ursprünglichen Investition hätte sinken können und wir dennoch eine attraktive Rendite von 100 Prozent erzielt hätten. Selbst im heutigen Umfeld wäre eine derartige Erosion des Bewertungsmultiplikators ein extremes und offen gesagt unwahrscheinliches Ereignis.

Wenn wir das tun, wofür uns die Anleger mandatieren – nämlich vielversprechende innovative Unternehmen in einem frühen Stadium ihres Lebenszyklus zu identifizieren und sie langfristig zu halten, während sie skalieren und wachsen –, sollte das daraus resultierende Umsatz- und Gewinnwachstum den Multiplikator, mit dem der Markt solche Unternehmen bewertet, dramatisch übersteigen und attraktive Renditen liefern.

Im Rahmen unseres Ansatzes ist also die relevantere Frage die nach den operativen Auswirkungen von Veränderungen im Investitionsumfeld, und ob diese die Fähigkeit eines Unternehmens beeinflussen, zukünftige Cashflows zu generieren. Grob gesagt:

  • Verfügt das Unternehmen über die finanzielle Resilienz, um die nächste Zeit zu überstehen?
  • Gibt es eine wesentliche Auswirkung auf das langfristige Wachstumspotential und das Ertragsprofil des Unternehmens?

Kapital ist jetzt nicht mehr so reichlich vorhanden, und die Mittel für Unternehmen in der Frühphase sind knapper. Dennoch beobachten wir, dass Kapital für Unternehmen, die eine starke operative Leistung zeigen, weiterhin verfügbar ist (wie die jüngsten Kapitalerhöhungen von Axon, Alnylam Pharmaceuticals, QuantumScape und Ocado zeigen). Allerdings müssen die Märkte nun Fortschritte sehen, bevor die Unternehmen Zugang zu zusätzlichen Mitteln erhalten.

Wir sind der Meinung, dass Anleger nicht davor zurückschrecken sollten, zunächst unrentable Unternehmen zu besitzen. Der Markt straft diese derzeit ab, aber viele unserer erfolgreichsten Beteiligungen waren ursprünglich liquiditätsintensiv und schrieben Verluste (zum Beispiel Tesla). Wachstum erfordert nun einmal Investitionen, und wir sind bereit, ein Unternehmen dabei zu unterstützen, wenn die Investitionen die Wahrscheinlichkeit künftiger Rentabilität erhöhen.

Bei Unternehmen, die stark genug sind, um so weit zu kommen, dass sie sich selbst tragen oder zusätzliches Kapital anziehen können, sollten wir gerade jetzt, wo der Markt ängstlich ist, optimistisch und gierig sein.

Natürlich müssen auch wir fragen, ob das derzeit ungünstige Umfeld die Fähigkeit eines Unternehmens, Wachstum zu generieren, beeinträchtigt. Sie agieren nun einmal nicht im luftleeren Raum; alle haben eine mehr oder weniger starke Korrelation mit dem Konjunkturzyklus und allgemeinen Konsummustern. Doch noch stärker kommt es darauf an, ob sie von den großen langfristigen Trends profitieren. Und daran ändert auch die schlechte Marktstimmung in den letzten drei Jahren nichts: Wir brauchen weiterhin ein effizienteres Gesundheitssystem, bessere Behandlungsergebnisse, saubere Energie und nachhaltige Landwirtschaft. Der in vielen Sektoren zu beobachtende Druck zu größerer Effizienz deutet sogar darauf hin, dass Anlagethemen wie die Automatisierung oder die Digitalisierung von Unternehmen umso notwendiger und wichtiger denn je sein dürften.

 

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