Seit 2018 müssen europäische Versorgungswerke ihren jeweiligen Nationalbanken finanzielle Daten offenlegen. Doch in Deutschland sträuben sich sechs Institute. Nun muss der Europäische Gerichtshof entscheiden.

Wir befinden uns im Jahr 2024. Alle berufsständischen Versorgungswerke erklären sich bereit, der 2018 von der EU durchgesetzten statistischen Berichtspflicht zu folgen. Alle Versorgungswerke? Nein! Denn fünf bayerische Versorgungswerke und ein sächsisches Institut pochen darauf, als Sozialversicherungen von der Regelung ausgenommen zu sein. Nachdem sie mit ihrer Klage vor deutschen Gerichten bereits scheiterten, steht die Entscheidungsschlacht mit der Einreichung des Schlussantrags der Staatsanwaltschaft beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) nun kurz bevor. Doch was war im Detail bis hierhin geschehen?

EZB will Versorgungswerke besser im Blick haben

Rückblick ins Jahr 2018: Der demografische Wandel macht sich längst in der Gesellschaft bemerkbar, und in der ganzen EU stehen die Rentensysteme unter großem Druck. Die Folge: Die private Altersvorsorge wird immer notwendiger, und die Rolle der beruflichen Versorgungswerke in der Finanzwirtschaft wird immer bedeutender. Die EZB möchte deswegen deren Geschäfte besser im Blick haben und verabschiedete im Januar 2018 die Verordnung 2018/231. Darin verlangt die EZB von den Versorgungswerken, dass diese ihre Finanzdaten den nationalen Zentralbanken offenlegen. Unter einer „Altersvorsorgeeinrichtung“ ist eine finanzielle Kapitalgesellschaft […] zu verstehen, die in ihrer Hauptfunktion als Folge der Zusammenfassung sozialer Risiken und Bedürfnisse der Versicherten finanzielle Mittlertätigkeiten ausübt, definiert die EZB die Berichtspflichtigen.

Die Zentralbank begründet diese statistische Berichtspflicht unter anderem mit der Notwendigkeit, dem „analytischen Bedarf zu entsprechen und die EZB im Rahmen der Durchführung der monetären und finanziellen Analyse zu unterstützen“. Außerdem diene die Offenlegung „der Stabilität des europäischen Systems der Zentralbanken“. Infolge des Beschlusses verlangte die Deutsche Bundesbank seit 2018 die vierteljährliche Offenlegung der Finanzdaten.

Versorgungswerke scheiterten am Verwaltungsgericht

Doch sechs deutsche Einrichtungen weigern sich, der Forderung nachzukommen. Zu den Widerständlern zählen die bayerischen Versorgungswerke der Ärzte, Architekten, Apotheker, Rechtsanwälte und Steuerberater, der Bauingenieure und Psychotherapeuten sowie die sächsische Ärzteversorgung. Sie sind der Auffassung, dass sie im Sinne der Verordnung 2018/231 als Sozialversicherungen gelten und damit von der Berichtspflicht befreit seien. Sie begründen dies im Kern damit, dass sie keine Marktproduzenten seien. Die Pflichtleistungen, die den größten Teil ihrer Produktion darstellen, würden nicht zu wirtschaftlich signifikanten Preisen veräußert.

Am Ende des resultierenden Rechtsstreits zwischen den klagenden Versorgungswerken und der Deutschen Bundesbank bestätigte das Verwaltungsgericht in Frankfurt zunächst die Sichtweise der Nationalbank. Die Klägerinnen seien Altersvorsorgeeinrichtungen im Sinne der EU-Verordnung und müssten sich gegenüber der Bundesbank offenbaren.

Doch damit wollten sich die sechs Versorgungswerke nicht zufriedengeben. Die Sprungrevision landete sogleich beim Bundesverwaltungsgericht, das das Verfahren im September 2022 jedoch aussetzte und stattdessen den Gerichtshof der Europäischen Union um einen Vorabentscheid bat.

Entscheidung könnte diesen Monat fallen

Hier entscheidet sich nun endgültig, inwiefern der Rechtsstreit zwischen den Versorgungswerken und der Deutschen Bundesbank ausgeht. Generalstaatsanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona reichte zuletzt Ende Februar seine Schlussanträge ein. In diesen schlägt Sánchez-Bordona dem Gerichtshof vor, der Linie des Verwaltungsgerichts in Frankfurt zu folgen. Bei den sich der statistischen Berichtspflicht entziehenden berufsständigen Versorgungseinrichtungen der bayerischen Ärzteversorgung und Co. handele es sich seiner Auffassung nach nicht um Sozialversicherungen, sondern um Altersvorsorgeeinrichtungen.

Ob der EuGH dieser Einschätzung nun folgt, bleibt abzuwarten. Mit der Einreichung des Schlussantrags beginnt der Abschluss des Verfahrens, bei dem sich die Richter zunächst beraten, ehe sie ihr Ergebnis verkünden. Das Ergebnis dürfte unterdessen nicht mehr lang auf sich warten lassen. Denn durchschnittlich dauert der Abschluss bei Vorabentscheidungen des EuGH etwa anderthalb Monate.

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