Damit würde der vom Bundesfinanzministerium festzulegende Zins zum ersten Mal seit 1994 wieder steigen. Die Versicherungswirtschaft begrüßt die Anhebung auf 1,0 Prozent ab 2025 für Neuverträge in der Lebensversicherung.

Vor dem Hintergrund eines deutlich höheren Zinsniveaus, aktueller volkswirtschaftlicher Prognosen sowie unter Berücksichtigung der Inflationsentwicklung hält die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) einen Höchstrechnungszins für Neuverträge in der Lebensversicherung in Höhe von 1,0 Prozent ab 2025 für angemessen. Seit 1994 ist der vom Bundesfinanzministerium festzulegende Höchstrechnungszins nicht mehr gestiegen. In den Jahren 2021 und 2022 ist es aufgrund von Angebotsschocks und der expansiven Fiskalpolitik einiger großer Volkswirtschaften zu einer gestiegenen Inflation gekommen. Um dieser Herr zu werden, haben die großen Zentralbanken im vergangenen Jahr mit deutlichen Zinserhöhungen reagiert. Entsprechend sind die Renditen auf dem Anleihemarkt schlagartig angestiegen. Diese Entwicklung zog sich auch durch das laufende Jahr, in dem sich das Zinsniveau auf diesem höheren Niveau verstetigte.

In den letzten Jahren waren mehrere nachhaltige Einflussfaktoren im makroökonomischen Umfeld zu beobachten, etwa Deglobalisierungstendenzen und anhaltende demografische Trends. Gepaart mit der beobachteten Zunahme exogener Schocks wie der Covid-19 Pandemie, der Energiepreiskrise, oder dem seit beinahe zwei Jahren anhaltenden russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist zumindest mittelfristig weiterhin ein Inflationsdruck zu erwarten. „Das spiegelt sich mittel- bis langfristig in einem gegenüber der Zeit bis 2021 höheren Zinsniveau wider. Aktuell kann man davon ausgehen, dass auch die Renditen langfristiger Staatsanleihen über dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von 2,0 Prozent verbleiben werden“, erläutert Dr. Max Happacher, Vorstandsvorsitzender der DAV.

Dr. Max Happacher

Vor dem Hintergrund aktueller Modellergebnisse sowie der volkswirtschaftlichen Aussichten ist davon auszugehen, dass der vorgeschlagene Höchstrechnungszins für Neuverträge mittelfristig stabil gehalten werden kann. Die DAV empfiehlt daher, den Höchstrechnungszins ab 2025 auf 1,0 Prozent zu erhöhen. Von 2016 bis 2021 lag der Höchstrechnungszins bei 0,9 Prozent, seit 2022 als Folge des damals lang andauernden Niedrigzinsniveaus bei 0,25 Prozent. Die Entscheidung über die Anpassung obliegt dem Bundesfinanzministerium. Sollte es den Vorschlag annehmen, stiege der Höchstrechnungszins erstmals seit dann 30 Jahren.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) begrüßt indes die Empfehlung der DAV-Experten. „Die empfohlene Zinsanhebung ist aus unserer Sicht eine angemessene Reaktion auf das allgemein gestiegene Zinsniveau. Dies wird sich positiv auf die Gestaltung von Lebensversicherungsprodukten auswirken, wovon Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren”, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Mit dem angepassten Höchstrechnungszins könnten Versicherer höhere Garantiezinsen bieten, auch die garantierten Rentenleistungen könnten steigen. Zusätzlich wirken sich steigende Rechnungszinsen auch positiv auf die Prämien von Risikolebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen aus.

Die DAV – die Berufsvereinigung der Versicherungsmathematiker – und die BaFin treffen alljährlich Empfehlungen zur Anpassung des Höchstrechnungszinses für das übernächste Jahr. Daran gebunden ist das Bundesfinanzministerium jedoch nicht. Wirksam wird die Zinsanpassung durch Änderung der sogenannten Deckungsrückstellungsverordnung.

Hintergrund
Unter Annahme verschiedener Zinsentwicklungen wurden die aus einem repräsentativen Kapitalanlageportfolio abgeleiteten Durchschnittsrenditen in die Zukunft projiziert. Zur Glättung wurde das gewichtete Mittel dieser Renditen über jeweils fünf Jahre gebildet. Zusätzlich wurde ein 40-pro-zentiger Abschlag als Sicherheitspuffer eingerechnet. Diesen hatte der Gesetzgeber seit Mitte der 1990er-Jahre bis zur Einführung des europäischen Versicherungsaufsichtsregimes Solvency II gefordert. Auch wenn diese Vorgabe an den Höchstrechnungszins inzwischen entfallen ist, setzt die DAV diesen Sicherheitsabschlag weiterhin in ihren Analysen an. Um ein ausreichendes Sicherheitsniveau zu gewährleisten, wurde zudem beschlossen, dass auch in Niedrigzinsphasen der Sicherheitsabschlag immer mindestens 0,4 Prozentpunkte betragen muss.

 

 

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