Die hohe Inflation bremst die Bereitschaft zur Entgeltumwandlung. Gleichzeitig stagniert im Krisenjahr 2023 die Marktdurch-dringung der bAV im Mittelstand. Die Nach-frage der Unternehmen nach digitalen bAV-Anwendungen steigt. Eine Studie von F.A.Z. BUSINESS MEDIA und Generali Deutschland hat die Vorsorge und Personalplanung aus der Sicht von bAV-Verantwortlichen untersucht.

Unser Leben verändert sich durch neue Krisen rasant. Den Klimawandel hatten wir vor Augen, die Coronapandemie traf die Welt vollkommen unerwartet, und auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sowie der Konflikt im Nahen Osten haben das gekannte Gefühl von Sicherheit erschüttert. Seitdem ringen wir mit einer hohen Inflation, und auch der Zins ist wieder da. Beide Finanzkennziffern üben einen entscheidenden Einfluss auf die bAV, auf Finanzierung und Leistung, auf die Trägerunternehmen, die Anwärter und die Leistungsempfänger aus. Für Betriebe, die Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen vornehmen müssen, hat die Zinswende eine Erleichterung in Form geringerer Rückstellungen gebracht. Hingegen sehen sich Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentner angesichts der hohen Inflation mit Kaufkraftverlusten konfrontiert. Dabei ist die Situation von Konzernen – etwa im DAX 40 – oft transparenter und statistisch besser erfasst als die von mittelständischen Betrieben.

Umso wichtiger ist das Anliegen der neuen Studie „Betriebliche Altersversorgung im Mittelstand 2023“, die Lage der bAV in mittelständischen Betrieben zu dokumentieren. Generali Deutschland und F.A.Z. BUSINESS MEDIA veröffentlichen die Untersuchung auch in diesem Jahr wieder gemeinsam. Die diesjährige Erhebung beleuchtet, welche Wirkung Inflation und andere Entwicklungen auf die Betriebsrente im Mittelstand haben.

Entgeltumwandlung erfordert Arbeitgeberzuschuss
Die Mehrheit der befragten bAV-Experten im Mittelstand erwartet angesichts der hohen Inflation eine größere Zurückhaltung der Beschäftigten bei der Entgeltumwandlung. Vor allem die Befragten in kleineren und mittleren Betrieben rechnen mit einem Rückgang der Teilnahme an der Entgeltumwandlung. In den größeren Betrieben stimmt auch eine Mehrheit dieser These zu. Tatsächlich berichten die Befragten bereits mit Blick auf das laufende Jahr, dass die Marktdurchdringung der Entgeltumwandlung ohne einen Arbeitgeberzuschuss im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist. Offensichtlich benötigen die Beschäftigten in Zeiten hoher Inflation ihr Geld in höherem Maße für andere Zwecke. Das führt dazu, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der kapitalgedeckten Altersvorsorge über Entgeltumwandlung stärker zurückhalten, wenn der Arbeitgeber keinen finanziellen Beitrag leistet.

Die Auswirkungen der Inflation zeigen sich vor allem in der Industrie in Form einer größeren Zurückhaltung beim Sparen für die Altersvorsorge. In Dienstleistungsbetrieben ist die Zurückhaltung der Beschäftigten weniger ausgeprägt. Zugleich berichten nur wenige bAV-Experten von Gesprächen mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus der Belegschaft über einen Inflationsausgleich in der bAV.

Marktdurchdringung der bAV im Top-management bei kleineren Betrieben am höchsten
Die Marktdurchdringung der bAV im Mittelstand insgesamt kommt im laufenden Jahr nicht voran. Sie hat sich zwar im Lauf des Jahres 2023 im Vergleich zum Vorjahr insgesamt stabilisiert, doch die Werte für die einzelnen Personengruppen fallen zum Teil leicht rückläufig aus. Die befragten bAV-Experten beziffern den Anteil des Topmanagements, der mindestens ein bAV-Angebot nutzt, im Schnitt mit 56 Prozent. Das ist ein leichtes Minus gegenüber dem Vorjahr. Im Detail ist der Vergleichswert für das Topmanagement in den kleineren Betrieben mit 50 bis unter 100 Beschäftigten mit 59 Prozent am höchsten. Dahinter folgen die mittleren Betriebe mit 57,2 Prozent und die größeren Betriebe mit 46,8 Prozent.

Der aktuelle Durchschnittswert für die Marktdurchdringung im mittleren Management beträgt 44,7 Prozent nach 48,1 Prozent im Vorjahr. Die Ebene der Mitarbeiter weist mit 39,8 Prozent einen Wert auf, der um 1,7 Prozentpunkte unter dem Vergleichswert des Vorjahres liegt.

Wie schon bei der Entgeltumwandlung schlägt sich die wirtschaftliche Krise, gemessen an der Marktdurchdringung der bAV, in der Industrie deutlich stärker nieder als in Dienstleistungsbetrieben. Auf allen Hierarchieebenen weisen Dienstleister eine höhere Marktdurchdringung auf als Betriebe in der Industrie. Acht von zehn Betrieben im Mittelstand setzen weiterhin auf die Betriebsrente mit einer finanziellen Arbeitgeberkomponente, wenn es darum geht, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten. Fast ebenso viele Arbeitgeber zeigen sich mit der Wirkung der bAV auf die Bindung der Beschäftigten zufrieden. Damit gehört die bAV weiterhin zu den wirksamsten HR-Instrumenten, die der Mittelstand einsetzt. Nur regelmäßige Weiterbildung ist in noch mehr Betrieben Praxis. Zugleich haben die meisten Arbeitgeber eine klare Vorstellung davon, dass die finanziellen Lasten der betrieblichen Altersversorgung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu teilen sind. So lehnen die meisten Betriebe eine reine Arbeitgeberfinanzierung der Betriebsrenten ab. Ebenso steht eine Mehrheit der Betriebe Lebenszyklusplänen, die das bAV-Angebot eigentlich attraktiver machen sollen, skeptisch gegenüber. Rund acht von zehn Betrieben favorisieren generell eine bAV mit einem gemischten Finanzierungsmodell.

Hinterbliebenenversorgung erhöht die Attraktivität
Fast jeder zweite Mittelständler ist davon überzeugt, dass eine betriebliche Altersversorgung mit einer Zusatzkomponente für die Hinterbliebenenversorgung junge Talente gewinnen und im Betrieb halten kann.

Insgesamt zählen jeweils drei Viertel der Befragten eine Hinterbliebenenabsicherung und eine Berufsunfähigkeits- bzw. Invaliditätsabsicherung zu den Zusatzleistungen, die ein bAV-Modell als Bindungsinstrument enthalten sollte. Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen nennen diese beiden zusätzlichen Versicherungsleistungen häufig. Damit eine Hinterbliebenenversorgung als Komponente eines bAV-Produktes hohe Akzeptanz erfährt, braucht das Produkt nach Ansicht der bAV-Experten Leistungsmerkmale wie eine Auswahl zwischen mehreren Auszahlungsoptionen, eine Beitragsrückerstattung im Todesfall vor Rentenbeginn, vereinfachte Aufnahmemöglichkeiten und günstigere Beiträge für Versicherte über eine Kollektivversicherung.
Mehr als 80 Prozent der Betriebe im Mittelstand arbeiten mit der Versicherungswirtschaft zusammen, wenn es um bAV-Produkte geht. Auch Versicherungsmakler haben bei den Betrieben eine hohe Akzeptanz, während die Relevanz von Pensionskassen langsam zurückgeht. Es zeigt sich immer deutlicher, dass auch die kleineren Betriebe im Mittelstand ihre bAV-Produkte verstärkt über Versicherungsmakler abschließen. Dabei wählen die Betriebe ihre bAV-Dienstleister vor allem nach der Qualität von Kooperation, Services und Produkten aus. Ein hohes Maß an Sicherheit in der Kapitalanlage sowie transparente Leistungen eines Anbieters als Produkteigenschaften haben Priorität für die Arbeitgeber. Zudem wünscht sich der Mittelstand mehrheitlich eine einfache Verwaltung der Betriebsrentenmodelle. Die Direktversicherung bleibt der dominierende Durchführungsweg der bAV im Mittelstand. Im Durchschnitt bieten Dienstleistungsbetriebe mehr Durchführungswege als Industriebetriebe an.

Digitale Transformation hat noch einen langen Weg vor sich
In die Arbeitsprozesse rund um die bAV haben digitale Lösungen längst Einzug gehalten. Diese Umstellung vieler Einzelprozesse vollzieht sich parallel zur digitalen Transformation im Mittelstand. Manche digitalen Prozesse, Leistungen und Services zur bAV, die das eigene Unternehmen sowie die Versicherten nutzen bzw. benötigen, stoßen auf eine wachsende Nachfrage. Insgesamt wenden 83 Prozent der befragten Betriebe mindestens eine digitale Anwendung für das eigene bAV-Modell an, nur 17 Prozent verzichten noch komplett auf eine digitale bAV-Administration.

Bislang weist keine der abgefragten digitalen Lösungen eine Mehrheitsnennung für sich auf. Das zeigt, dass die digitale Transformation rund um die bAV noch längst nicht zum Abschluss gekommen ist. Das belegt auch unsere Nachfrage bei vier Experten, die mit ihren Unternehmen die KMUs bei ihren digitalen bAV-Prozessen beraten. Ihre Handlungsempfehlungen finden Sie in der Rubrik Nachgehakt ab Seite 72. Am höchsten ist die Nachfrage der Betriebe nach digitalen Vertragsauskünften für das einzelne Unternehmen und die Mitarbeiter. Auch der Bedarf an Portallösungen bewegt sich mit 32 Prozent der Betriebe ungefähr auf dem Niveau des Vorjahres.

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