Mit sechs neuen Konsultationen hat die europäische European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) vergangene Woche die nächste Etappe der geplanten Solvency-II-Überarbeitung eingeläutet. Ziel der von der Kommission beauftragten Behörde ist es, für weniger Bürokratie und mehr Klarheit in der Regulatorik zu sorgen. Vor allem soll jedoch ein stärkerer Fokus auf Proportionalität gesetzt werden. Die bisherigen Vorstöße stoßen auf gemischte Gefühle. Insbesondere der Gesamtverband der Versicherer (GDV) bezweifelt substanzielle Entlastungseffekte.
Die aktuelle Konsultationsreihe umfasst zwei überarbeitete technische Standards, zwei Leitlinien, neue Vorgaben zur vereinfachten Risikomarge und ein Regelwerk zum Umgang mit Liquiditätsrisiken. Anstatt einer vollumfänglichen Neufassung handelt es sich bei den Vorschlägen um technische Justierungen. Die Behörde spricht von „gezielten Verbesserungen“, die Aufsichtspraxis und Berichtswesen vereinfachen sollen.
Alte Versprechen neu verpackt
Zentral will die EU die Proportionalität in den Berichterstattungspflichten voranbringen. Demnach sollen sich die Aufsichtsanforderungen an Versicherer dem Risiko, der Größe und der Komplexität des Unternehmens orientieren. Kleine und regionale Versicherer sollen also nicht denselben Aufwand im Reporting betreiben müssen wie große Konzerne. Tatsächlich ist der Grundsatz der Proportionalität seit der Einführung von Solvency II im Jahr 2016 festgeschrieben. Bereits 2020 sah die EIOPA hier schon Nachbesserungsbedarf, weil das Prinzip in der Praxis zu selten Anwendung fand.
Der aktuelle Vorschlag geht nun einen entscheidenden Schritt weiter. Einzelne Reportingbögen sollen nur noch einmal im Jahr ausgefüllt werden müssen, anstatt wie zuvor quartalsweise. Die BaFin, die als nationale Aufsichtsbehörde an den Vorschlägen mitgearbeitet hat, begrüßte die Vorschläge: „Ziel ist, den Bürokratieaufwand auf europäischer Ebene zu verringern, ohne die für die Aufsicht notwendigen Daten zu beeinträchtigen“, vermeldete die Behörde.
Kritischer gibt sich der GDV, der an der praktischen Entlastung zweifelt. Zwar seien weniger und differenzierte Anforderungen grundsätzlich richtige, doch würden die Entlastungseffekte durch neue Berichtspflichten konterkariert. Der Verband meint damit die neu vorgesehenen Reportingpflichten zu Klimarisiken und Pensionsdaten von Versicherern, die die EIOPA anstrebt. Die BaFin ordnet diese neuen Felder als „gezielte und begrenzte Ergänzungen“ ein, die das Ziel verfolgten, die Datenbasis der Aufsicht zur Finanzstabilität zu verbessern.
GDV: Entlastungen nur „symbolisch“
„Neue Berichtspflichten – etwa zu Naturkatastrophenrisiken und Pensionsdaten – werden teils ohne überzeugende inhaltliche Begründung eingeführt und gehen mit erheblichem Umstellungsaufwand einher“, entgegnet unterdessen der GDV.
Stattdessen fordert der Verband eine Bündelung der bestehenden Nachhaltigkeitsanforderungen, anstatt diese im Solvency-II-Reporting auszuweiten. In seiner Stellungnahme zur EIOPA-Konsultation geht der Verband sogar einen Schritt weiter und stellt die Sinnhaftigkeit der Abfrage von klimabezogenen Risiken innerhalb des Solvency-II-Reportings als solche in Frage. „Übergangsrisiken können grundsätzlich für fast alle Anlageklassen gelten, was den Mehrwert der vorgeschriebenen Aufschlüsselung in Frage stellt“, so der Verband.
Die EU-Kommission will mit den neuen Berichtspflichten, dass die Auswirkungen des Klimawandels verstärkt in die Risikomanagementstrategien der Versicherer abgebildet werden. Gleichzeitig erhofft man sich davon ein besseres Bild von den klimabedingten Risiken der Branche zu erhalten.
Arrian Correns ist seit 2024 Redakteur bei dpn – Deutsche Pensions- und Investmentnachrichten. Seine ersten Schritte im Journalismus machte der studierte Staatswissenschaftler im Lokaljournalismus. 2023 wechselte er mit dem Volontariat im Fachverlag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in den Finanzjournalismus. In dieser Zeit schrieb Arrian Correns auch für die dpn-Schwesterpublikationen „FINANCE Magazin“ und „Die Stiftung“. Arrian Correns befasst sich heute vor allem mit Themen der institutionellen Kapitalanlage und der Digitalisierung der Investmentbranche.

