Treibt die Corona-Krise die Inflation oder nicht?

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Im Februar 2021 ging die Rate der Inflation um 1,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat nach oben. Damit klettern die Verbraucherpreise den zweiten Monat in Folge höher, nach einer langen Periode der Stabilität oder sogar Rückgängen in Folge der Corona-Krise. Einmaleffekte wie die zu Jahresbeginn eingeführte CO2-Abgabe und die temporäre Mehrwertsteuersenkung in der 2. Jahreshälfte 2020 spielten eine Rolle, ebenso wie der in den vergangenen Monaten deutlich gestiegene Rohölpreis.

Die kurzfristigen Prognosen für die Inflation haben die öffentlichen Banken inzwischen deutlich nach oben geschraubt. Auf Sicht von 6 Monaten wird mit einem Plus zwischen 2,4 und 2,8 Prozent gerechnet und damit deutlich mehr als dem erklärten Ziel der Europäischen Zentralbank von nahe, aber unter 2 Prozent.

Doch längerfristig machen die Volkswirte keine Preisexplosion aus. Während die DZ Bank erwartet, dass deutsche Verbraucher in einem Jahr 0,9 Prozent höheren Ausgaben entgegensehen, liegen die Inflations-Prognosen von LBBW und Nord/LB auf Sicht von 12 Monaten bei 1,8 Prozent.

Inflationserwartung historisch noch moderat

„Die spürbarste Veränderung der vergangenen Wochen waren die höheren Renditen für US-Staatsanleihen und Bundesanleihen im längeren Laufzeitenbereich. Dies ist freilich eher dem Auspreisen eines Deflationsszenarios geschuldet als der Überzeugung einer anstehenden Inflationsdämmerung“, so die DekaBank. Die Erwartungen zur Inflation seien im Jahr eins nach Ausbruch der Corona-Krise historisch gesehen noch moderat. Und die Notenbanken auf beiden Seiten des Atlantiks dürften ihre Anleihekaufprogramme noch einige Zeit fortsetzen.

„Die in diesem Jahr wegen Sondereffekten deutlich höheren Inflationsraten sind eher eine kommunikative Herausforderung für die Geldpolitiker“, konstatiert Dr. Ulrich Kater von der DekaBank. Da hinter den Renditeanstiegen ein starker Wachstumsausblick für die Weltwirtschaft stehe, sei dies für die Aktienmärkte aber gut verkraftbar.

„An den Märkten wird wieder über Inflation statt Deflation gesprochen, und die möglichen Reaktionen der Geldpolitik hierauf. Beiderseits des Atlantiks dürfte dabei die Sorge vorherrschen, dass ein kräftiger Anstieg der Realrenditen die expansive Geldpolitik der Corona-Pandemie konterkariert und den sich abzeichnenden Aufschwung vorzeitig abwürgt“, so die Einschätzung der LBBW. Auch das Stuttgarter Haus verweist auf Einmal- und Sondereffekte. Ebenfalls sei ein Anziehen der Preise etwa für Urlaubsreisen und Freizeitaktivitäten nach dem Lockdown wahrscheinlich, eigne sich aber nicht als „dauerhaft zündender Treibsatz für Inflation“. Zudem sei ja auch kein Druck der Gewerkschaften auf Lohnerhöhungen erkennbar.

„Von den klassischen Inflationszutaten verfügbar ist die Geldmenge, die im Euroraum in der Abgrenzung M3 im Januar um 12,5 Prozent zum Vorjahr zugelegt hat“, so der Blick von Dr. Jens-Oliver Niklasch von der LBBW. Dies sei ein Resultat der Anleihekäufe, die so geschaffene Liquidität befeuere vor allem den Höhenflug von Asset-Preisen wie Aktien und Immobilien. Für die Entwicklung der Güterpreise habe sich die Geldmengenentwicklung indes schon seit einigen Jahren als wenig informativ erwiesen.

Nachholeffekte treiben Inflation

Die gleiche Einschätzung vertritt DZ Bank. Der „Post-Corona-Boom“ werde zahlreiche Nachholeffekte aufweisen. „Die monatliche Inflationsrate dürfte im Jahresverlauf 2021 temporär die Marke von 2 Prozent überschreiten. Der Auftrieb bei den Verbraucherpreisen sollte 2022 jedoch wieder leicht nachgeben“, sagt Birgit Henseler von der DZ Bank. Dynamischer entwickeln sich die USA. Ein Wachstumsschub dürfte ab Frühsommer von dem geplanten Konjunkturprogramm ausgehen, der auch zu einem Konjunkturboom führen dürfte. Für das Gesamtjahr 2021 erwartet das Haus eine durchschnittliche Inflationsrate von 2,6 Prozent.

„Die Währungshüter dürften in diesem Jahr zu wahren Kommunikationskünstlern werden“, so Henseler. Sie müssen trotz der konjunkturellen Erholung und der teils deutlich steigenden Inflationsraten davon überzeugen, dass eine Entschleunigung der geldpolitischen Expansion so schnell nicht ansteht.

„Mittelfristig sehen wir aber keine nachhaltig zu hohe Inflationsrate, so dass die akkomodierende Fed-Geldpolitik fortgesetzt werden dürfte“, sagt auch Christian Lips von der NORD/LB.
Auch für Deutschland geht die Bank nur von einer temporär höheren Inflation aus. „Es erscheint nicht sehr wahrscheinlich, dass es zu ausgeprägten Zweitrundeneffekten kommt (krisenbedingt hohe Unterauslastung, geringe Lohnverhandlungsspielräume)“, so die Nord/LB.

Natürlich seien die Renditen besonders in den USA, aber auch bei den Bundesanleihen, wieder angezogen. So wurden trotz moderater Inflationserwartungen steigende EZB-Leitzinsen eingepreist. Dies scheine aber übertrieben. Die Frankfurter Geldpolitiker dürften an dem Renditeanstieg vorbei an der expansiven Geldpolitik festhalten.

Trotz Inflation keine Zinsänderung

Auf Sicht der kommenden zwei Jahre signalisieren die Terminmärkte nicht, dass Anleger trotz steigender Inflation mit einer Leitzinsänderung beiderseits des Atlantiks rechnen, so auch die Helaba. „Für die Zeit danach gehen die Meinungen aber auseinander: Der US-Notenbank wird eher ein geldpolitischer Kurswechsel zugetraut als der EZB“, sagt Ulf Krauss von der Helaba. Die Notenbanken stehen also vor dem Dilemma: Ein Rückzug aus der ultralockeren Geldpolitik ist schwierig, vor allem wenn die Renditen ins Laufen kommen. Oder gehen die Notenbanken zu einer aktiven Steuerung der Zinskurve über?

„Den geldpolitischen Handlungsspielraum hat die US-Notenbank durch die Änderung ihrer geldpolitischen Strategie, die ein längeres Überschießen der Inflation ohne Gegenmaßnahmen zulässt, bereits geschaffen“, so die Helaba. Die EZB dürfte folgen. Somit wachse neben der Inflationsgefahr auch die Gefahr, dass das globale Finanzsystem destabilisiert wäre. Kursschwankungen an den Finanzmärkten wären die Folge. Ein Vorbote könnten die jüngsten Kurskapriolen bei den Kryptowährungen sein, so die Helaba.

US-Konjunkturprogramm nach Corona

Eine gewaltige Reaktion auf das jüngste US-Konjunkturprogramm sieht auch Franklin Templeton. Die Renditen für 10-jährige US-Staatsanleihen sind besonders im vergangenen Monat rasch gewachsen. Die Märkte waren gezwungen, ihre Kurse für das Jahresende zu korrigieren und erwarten nun 10-jährige Renditen von 1,75 Prozent. „Wir sollten darauf gefasst sein, dass die Renditen am Jahresende sogar diese korrigierten Prognosen übersteigen, falls die Impfstoffe ihr Versprechen halten und die Regierung ihre fiskalischen Anreize umsetzt“, sagt Sonal Desai, CIO von Franklin Templeton Fixed Income.

Auch das Fixed Income Team von PGIM betrachtet die Inflation als temporäres Phänomen. Laut den Asset Managern ist in Europa 2021 mit einer „Inflations-Fata-Morgana“ zu rechnen, da die höheren Ölpreise die Gesamtinflation bis an die Grenze des EZB-Ziels bringen könnten. Doch Ende des Jahres dürfte die Inflationsrate wieder bei rund 1 Prozent liegen, so die Erwartung. Daher werde die Inflation im Euroraum wahrscheinlich bis 2023 deutlich unter dem EZB-Ziel bleiben.

In ähnlicher Weise entwickele sich auch das Bild in den USA weiter. „Es ist möglich, dass die monatliche Kerninflation der Konsumausgaben im Jahresverlauf 0,20 Prozent übersteigt, was die Zwölfmonatsrate am Ende des Jahres in einen Bereich von 2,25-2,40 Prozent bringen könnte. Wir gehen jedoch davon aus, dass die monatliche Rate dann auf 0,15 Prozent sinkt, was die 12-Monats-Rate Anfang 2022 wieder in Richtung 1,80 Prozent bringen würde“, so die Analysten.

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