Mitarbeiteraktien – ein Incentive der Unternehmenskultur

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Die Mitarbeiteraktie hat es in Deutschland nicht leicht. Zwar hält ein Teil der börsennotierten Aktiengesellschaften hierzulande solche Programme für die Mitarbeiterbeteiligung vor, doch Angebot und Nachfrage bleiben überschaubar. Gordon Rösch, Partner bei der Steuerberatungsgesellschaft EY, merkt an, dass „in Deutschland Unternehmen oft vor der Komplexität von Mitarbeiteraktienprogrammen zurückschrecken. Auch die Unsicherheit bei der Bilanzierung und steuerlichen Abzugsfähigkeit erschwert  eine Einführung für Unternehmen.“

Dabei hat sich die Zahl der Aktienanleger in Deutschland positiv entwickelt. Seit 2023/2024 investieren über 12 Millionen Menschen in Aktien. Dies zeigt ein gestiegenes Bewusstsein für Aktienanlagen zur Altersvorsorge und Vermögensbildung. Dennoch bieten weniger als 2 Prozent der deutschen Unternehmen Mitarbeiterbeteiligungen an. Bei börsennotierten Unternehmen sind Programme für Mitarbeiteraktien verbreiteter. Die Mehrzahl der Mitarbeiter in Großunternehmen nutzen Belegschaftsaktien, wenn der Arbeitgeber solche Programme anbietet.

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Der steuerliche Freibetrag für Mitarbeiteraktien stieg in Deutschland schrittweise an. Bis 2021 lag er bei lediglich 360 Euro, kletterte 2021 auf 1.440 Euro und 2024 auf 2.000 Euro pro Jahr. Voraussetzungen dafür sind eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers und ein offenes Angebot für alle Beschäftigten. Überschreitet ein Beschäftigter den Freibetrag, fällt Lohnsteuer an. Der höhere Steuerfreibetrag signalisiert den politischen Förderwillen, vor allem den des früheren Bundesfinanzministers Christian Lindner. Außerdem kann unter bestimmten Voraussetzungen der Besteuerungszeitpunkt auf den Verkauf der Aktien verschoben werden. Jedoch zeigt die Statistik des Deutschen Aktieninstituts, dass sich die Zahl der Belegschaftsaktionäre seit 2020 fast halbiert hat (siehe Grafik oben).

Finanzierung und Kapitalhinterlegung

Unternehmen finanzieren Mitarbeiteraktienprogramme typischerweise durch die Ausgabe neuer Aktien oder den Rückkauf bestehender Aktien. Der geldwerte Vorteil aus der verbilligten oder unentgeltlichen Überlassung von Aktien an Beschäftigte ist als Arbeitslohn steuer- und sozialabgabenpflichtig, sobald er den Freibetrag übersteigt. Unternehmen können diesen Vorteil durch Subventionen oder Rabatte auf den Aktienpreis attraktiv gestalten.

Es existieren verschiedene Modelle: Optionspläne – sogenannte Stock Options – gewähren das Recht, Aktien zu einem späteren Zeitpunkt zu erwerben, die Besteuerung erfolgt in solchen Fällen in der Regel bei der Ausübung der Option. Bei Belegschaftsaktienprogrammen werden Aktien – sogenannte Discount-Aktien – zu einem reduzierten Preis an Mitarbeiter verkauft, der Rabatt ist der geldwerte Vorteil.

Matching-Aktien sind laut Gordon Rösch vor allem bei DAX-Konzernen beliebt. Diese bieten Mitarbeitern nach einer gewissen Haltedauer Aktien zu vergünstigten Konditionen an, wobei der Arbeitgeber zusätzlich kostenlose Aktien nach einer bestimmten Sperrfrist als Bonus gewährt, oft im Verhältnis 1:2 oder 1:3.

Mitarbeiteraktienprogramme bei SAP und Siemens Energy

SAP setzt seit vielen Jahren auf Mitarbeiteraktien als HR-strategisches Instrument ein. Der Walldorfer Softwarekonzern will mit diesen Programmen Mitarbeiter binden und motivieren. Ein Kernelement der Strategie sind subventionierte Mitarbeiteraktien. Diese sind nicht nur etabliert, sondern das Unternehmen hat sein Angebot kontinuierlich weiterentwickelt.

SAP bietet zwei Hauptprogramme an: Own SAP und Move SAP. Beim Programm Own SAP investiert der Mitarbeiter bis zu 10 Prozent seines Gehalts in SAP-Aktien und erhält daraufhin einen Matching-Beitrag von 40 Prozent der Investition sowie einen monatlichen Zuschuss von 20 Euro. Das Programm ist bei maximal 6.000 Euro pro Person und Jahr gecapt. Dahingehend ist Move SAP Teil des Prämienplans und umfasst Stock Options für ausgewählte Mitarbeiter, die einen relevanten Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten. Im Jahr 2020 finanzierte SAP das Move SAP-Programm durch den Rückkauf von Aktien im Wert von 1,5 Milliarden Euro. Diese Programme ermöglichen es den Mitarbeitern, Aktien zu einem vergünstigten Preis zu erwerben. Zusätzlich wurden Sonderzuteilungen unter dem Namen SAP GROW eingeführt, etwa zum 50. Jubiläum des Konzerns oder während der Pandemie, um die Mitarbeiter weiter zu motivieren und den Wert der Mitarbeiterbeteiligung zu steigern.

Siemens beteiligt eigene Mitarbeiter seit 1969 an Unternehmensaktien. Im Rahmen des Programms bietet der Konzern Aktien zu Vorzugskonditionen an. Dadurch zählten 2023 weltweit mehr als 170.000 Mitarbeiter zu den Aktionären, was 53 Prozent der Belegschaft ausmacht. Siemens Energy setzte 2024 auf ein Matching-Modell für das Mitarbeiteraktienprogramm und kaufte dafür Aktien im Wert von 130 Millionen Euro zurück. Der Konzern deckte den Aktienrückkauf mit eigenen liquiden Mitteln.

Bilanzierung nach IFRS und HGB

Die Bilanzierung von Aktienoptionsprogrammen ist komplex und hängt von der Ausgestaltung der einzelnen Pläne ab. IFRS 2 „Share-based Payment“ regelt aktienbasierte Vergütungen detailliert. Transaktionen, bei denen Güter oder Dienstleistungen als Gegenleistung für Eigenkapitalinstru-mente oder auf Basis des Aktienkurses erworben werden, sind zum beizulegenden Zeitwert – dem sogenannten Fair Value – zu erfassen. Bei eigenkapitalbasierten Transaktionen werden Eigenkapital und Aufwand erfasst, der Fair Value wird am Gewährungszeitpunkt geschätzt. Bei bargeldorientierten Transaktionen wie zum Beispiel Phantomaktien ist eine Verbindlichkeit zu erfassen, die zu jedem Bilanzstichtag zum Fair Value bewertet wird, mit ergebniswirksamen Wertänderungen. Leistungsbedingungen – außer Marktbedingungen – werden bei der Fair-Value-Schätzung am Gewährungszeitpunkt nicht berücksichtigt.

Im Gegensatz zu IFRS enthält das Handelsgesetzbuch (HGB) keine expliziten Regelungen für Aktienpläne. Dies führte in vielen Fällen zu unterschiedlichen Auslegungen.Seit BilMoG wird die Ausgabe von echten Aktienbeteiligungen erfolgsneutral vom gezeichneten Kapital abgesetzt. Der geldwerte Vorteil aus verbilligtem Bezug wird als Lohnaufwand bei Zufluss erfasst. Virtuelle Beteiligungen (VSOPs) sind als Personalaufwand zu bilanzieren, was Rückstellungen oder Verbindlichkeiten erhöht und steuerlich abzugsfähig ist. Die fehlenden HGB-Regelungen führen zu bilanzpolitischen Spielräumen, was die Vergleichbarkeit erschwert. Der Mangel an klarer Orientierung im HGB steht im Kontrast zu IFRS 2. Die IFRS-Bewertung erfordert oft finanzmathematische Kenntnisse – eine Hürde vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen. Dies deutet auf eine regulatorische Lücke hin, die die Akzeptanz von Mitarbeiterbeteiligungen behindert.

Gordon Rösch unterstreicht, dass „es auch ein praktisches Problem bei der Bilanzierung und steuerlichen Abzugsfähigkeit gibt. Wenn es keine konkreten Regelungen nach HGB und Steuergesetz gibt, sollten Unternehmen mit dem Finanzamt zusammenarbeiten, um festzulegen, ob eine Abzugsfähigkeit möglich ist. Diese Unsicherheit stellt eine zusätzliche Hemmschwelle für viele Unternehmen dar.“

Virtuelle Beteiligungen

Um Hürden der direkten Kapitalbeteiligung zu umgehen, existieren alternative Modelle ohne unmittelbare Kapitalbindung durch Mitarbeiter. Alternative Modelle wie virtuelle Beteiligungen (VSOPs) umgehen die Hürden der direkten Kapitalbeteiligung, indem sie eine finanzielle Teilnahme am Unternehmenserfolg ohne echte Anteile ermöglichen. Sie sind schuldrechtlich ausgestaltet. Vorteile sind die Vermeidung aufwendiger gesellschaftsrechtlicher Vorgänge und der Beschaffungsaufwand bei Zuteilung. Zudem erfolgt die Besteuerung erst bei Auszahlung, was das „Dry Income Problem“ umgeht. Denn beim Dry Income Problem wird der geldwerte Vorteil von Mitarbeiteraktien schon beim Erhalt der Aktien fällig. Rösch betont aber, dass „VSOPs die Motivation der Mitarbeiter mindern können, da es sich um keine echten Anteile handelt, was die Identifikation und Motivation der Mitarbeiter beeinträchtigt“.

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