Philipp Weber, CFA, Head Investment Consulting bei Mercer Schweiz, analysiert die Folgen des Verschwindens der Credit Suisse für den Kapitalmarkt und die zweite Säule der Schweiz.

Wie blicken Sie als Investmentberater auf die blitzschnelle Fusion von UBS und Credit Suisse?

Philipp Weber: Die Nachricht hat viele überrascht, besonders ordnungspolitisch. Manche Stimmen sprechen sogar von Enteignung. Ein schneller Eingriff war sicherlich notwendig, um Klarheit hinsichtlich der Zukunft der Credit Suisse zu schaffen, das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen und möglichen weitreichenden Verwerfungen an den Finanzmärkten vorzubeugen. Es ist davon auszugehen, dass sich mit diesem konsequenten Schritt die Situation stabilisieren wird und die finanzielle Sicherheit gewährleistet ist. Allerdings wird es auf der operativen Seite nun sehr viel Ungewissheit seitens der Credit Suisse geben. Ein Aspekt, den institutionelle Investoren im Auge behalten sollten, da sich beispielsweise im Asset Management operative Risiken durchaus auch in der Performance bemerkbar machen können.

Wie haben die Kapitalmärkte unmittelbar am gestrigen Montag auf die Nachricht reagiert?

Philipp Weber: Die Kapitalmärkte haben zunächst die Nachrichten von der Übernahme der Credit Suisse zu einem annähernd symbolischen Preis nicht gut aufgefasst und notierten mit deutlichen Abschlägen. Am Wochenende dürften viele überrascht worden sein, wie ernst die Situation der Credit Suisse sein musste, dass der Verwaltungsrat der Bank einem Zwangsverkauf zu wenig vorteilhaften Konditionen aus Sicht der Credit-Suisse-Aktionäre und Fremdkapitalgeber zustimmen musste. Gerade die Abschreibung der Additional-Tier-1(AT1)-Nachranganleihen im Wert von 16 Milliarden Franken dürfte viele erstaunt haben, was durchaus nachhaltig die Kapitalisierung der Banken über solche Instrumente erschweren dürfte.

Welche Nachricht wirkte schwerer für die Märkte, die Absage der Saudi National Bank zu einem Nachschuss oder die Übernahme durch die UBS über Nacht?

Philipp Weber: Die Entscheidung der Saudis hat maßgeblich das Vertrauen der Kunden der Credit Suisse verletzt, was den Abzug der Kundengelder beschleunigt und letztlich zum unmittelbaren Einschreiten der SNB und der Regierung geführt hat. Wahrscheinlich hätte schon eine bessere Kommunikation der Saudi National Bank gereicht, um dieser Entwicklung vorzubeugen, und es hätte mehr Zeit gegeben, um alternative Optionen für die Zukunft der Credit Suisse auszuloten.

Welche Folgen ergeben sich für die zweite Säule in der Schweiz, also für die Betriebsrenten?

Philipp Weber: Ein substantieller Teil des Kapitals aus zweiten Säule ist passiv investiert. In diesem Bereich haben die Investoren oft weniger Befürchtungen bezüglich dem Abgang von Schlüsselpersonen oder Kontinuität. Im Bereich der aktiven Anlagen stellen sich manche Schweizer Pensionskassen jedoch die Frage, ob dem Key Person Risk, der Business-Kontinuität und der damit verbundenen operationellen Risiken ausreichend Rechnung getragen wird. Manche Investoren haben ausschließlich mit der CS eine Depotbankverbindung, nutzen sie auch als Vermögensverwalter und lassen durch sie ein Mandat mit CS-Kollektivanlagen umsetzen – das ist eine zu starke Konzentration mit einem Finanzdienstleister, ganz abgesehen davon, dass dadurch in manchen Fällen keine objektive Best-in-class Umsetzung gewährleistet werden kann. Zukünftig werden dies einige wohl anders machen und sich diesbezüglich auch regelmäßig hinterfragen müssen.

Durch den Zusammenschluss von UBS und CS findet auch eine Marktkonsolidierung statt. Läuft die Schweiz auf ein reines UBS-Monopol zu oder eröffnet die Fusion auch Chancen für andere Schweizer Banken im institutionellen Geschäft?

Philipp Weber: Es kommt drauf an. Wenn wir das indexierte Geschäft anschauen, gab es bislang drei große Player. Jetzt gibt es nur noch zwei. In anderen Bereichen ist das schwer abzuschätzen, in vielen Fällen beginnen diese Diskussionen gerade erst. Veränderungen und Unruhe bieten immer auch Chancen für andere Anbieter, weil man gezwungen wird Alternativen zu evaluieren. Diese bietet zum Beispiel Chancen für mittelgroße Banken oder andere Dienstleister, hier in die Bresche zu springen.

Welches Fazit ziehen Sie aus der Übernahme?

Philipp Weber: Die Geschichte zeigt, dass viele institutionelle Investoren in der Schweiz passiv investiert sind und gleichzeitig einen hohen Home Bias haben. Die aktuelle Situation wirft ein kritisches Schlaglicht auf dieses Vorgehen und den Fakt, dass der Schweizer Aktienmarkt sehr konzentriert ist. Schwierigkeiten bei einem Unternehmen können sich hier deutlich bemerkbar machen. Die Investoren werden zusätzlich auch das Thema der Provider-Diversifikation zukünftig höher stellen und sich fragen: Konzentriert man alles bei einem Anbieter oder wählt man bewusst unterschiedliche Dienstleister, um Risiken zu reduzieren und eine Best-in-class-Implementierung sicherzustellen – auch im Interesse der Nettorendite.

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