Die Gesellschaft wird immer älter, und damit verlängert sich auch die Zeit, die Menschen nach ihrem beruflichen Leben von ihren Ersparnissen, Renten und Altersvorsorgemodellen leben müssen. Professionelle Anleger, die private und berufliche Altersvorsorgeprodukte verkaufen, fühlen sich auf den demographischen Wandel nicht ausreichend vorbereitet. Das geht aus einer Umfrage unter 125 solcher Investoren in Europa und Asien hervor, die der Finanzdienstleister Fidelity in Auftrag gegeben hat.
Demographischer Wandel auch in der Asset-Allokation
Demnach sehen sich nur 60 Prozent der Befragten ausreichend auf die längere Lebenserwartung der Ruheständler vorbereitet, während der Rest sich schlecht positioniert sieht. Die Umfrage kommt zu einem kritischen Zeitpunkt des globalen demographischen Wandels. Zwar wächst die Weltbevölkerung weiter und wird nach Berechnungen der UN 2050 knapp 10 Milliarden Erdlinge beheimaten, doch werden diese auch immer älter, und die Geburtenrate sinkt global. Laut der WHO wird sich die Anzahl der 80-Jährigen und älteren Menschen bis ins Jahr 2050 verdreifachen. Laut den aktuellen deutschen Sterbetafeln wird ein Mann, der aktuell 67 Lebensjahre vollendet hat, noch 83 Jahre alt. Frauen werden sogar zwei Jahre älter.
Für die zukünftige Portfolio-Allokation bedeutet dies, dass zukünftig mehr Risiko gefahren wird, um mehr Rendite zu erwirtschaften. Wie die Studienmacher von Crisil Coalition Greenwich herausfanden, die für Fidelity die Befragung durchführten, wollen mehr als die Hälfte sowohl ihr Engagement in Aktien als auch in Private Assets erhöhen. Auf dem absteigenden Ast sind unterdessen Mischfonds, Bargeld, festverzinsliche Wertpapiere und Rohstoffe. „Die Studienergebnisse zeigen, dass Anleger beim langfristigen Vermögensaufbau auf eine stärkere Gewichtung risikoreicher Anlagen wie Aktien oder Private Assets setzen“, kommentiert Christof Quiring, Leiter Workplace Investing bei Fidelity International in Deutschland.
Koalitionsideen bei der Rente benachteiligen „Junge“
Quiring weist aber darauf hin, dass professionelle Investoren die geeignete Gestaltung des Übergangs zwischen Anspar- und Auszahlungsphase noch nicht ausreichend beachten. Er plädiert dafür, im Ruhestand auf Produkte mit einer „flexibleren Liquidität“ zurückzugreifen, die einen stetigen Einkommensstrom generieren. Immerhin 57 Prozent der Investoren sind der Meinung, dass ausreichend Lösungen auf dem Markt angeboten werden, um mit der steigenden Lebenserwartung klarzukommen.
Gerade in Deutschland ist die Reform aller Säulen der Altersvorsorge eines der dicksten Bretter, die es zu durchbohren gilt. In den laufenden Koalitionsverhandlungen werden die Zeichen der Zeit nach Analyse der F.A.Z. derzeit jedoch aktiv ignoriert. Sollten sowohl SPD als auch CDU/CSU auf die Verwirklichung ihrer Wahlversprechen pochen, wird dies den Steuerzahler teuer zu stehen kommen. Die „Haltelinie“ der SPD, die das Rentenniveau auf 48 Prozent des bisherigen Lohns stabilisiert, könnte in den kommenden 20 Jahren insgesamt 520 Milliarden Euro kosten, die Mütterrente, die die CSU forciert, weitere 60 Milliarden Euro.
Unter der hypothetischen Annahme, dass die steigenden Rentenbeiträge statt in die gesetzliche Altersvorsorge in die private Altersvorsorge fließen würden, stellt die Reform laut F.A.Z. Menschen aller derzeit jüngeren Sparer schlechter. Bei einer risikoaversen privaten Altersvorsorge mit einer durchschnittlichen Verzinsung von 3,5 Prozent stellt die Reform alle unter Jahrgang 1984 Geborenen schlechter. Wer mehr Risiko fährt und 6,5 Prozent jährliche Rendite verwirklichen kann, darf höchstens Jahrgang 1976 sein, um von den Plänen für die erste Säule noch zu profitieren.
Angst vor Altersarmut wächst
Für Stefan Quiring darf es ein „Weiter so“, wie es sich in den aktuellen Koalitionsverhandlungen derzeit abzuzeichnen scheint, im Rentensystem nicht geben. „[…] Die künftige Regierung muss unser Rentensystem endlich zu einem echten Drei-Säulen-System umbauen. Das heißt: stärkere Kapitaldeckung in allen drei Säulen, Verzicht auf teure Garantien wie beim Sozialpartnermodell und mehr Flexibilität für die private und betriebliche Vorsorge.“ Als Beispiel nennt er eine flexible Übertragung der bAV bei einem Arbeitgeberwechsel.
In der Bevölkerung steigt unterdessen die Angst vor der Altersarmut, und die Zweifel am Rentensystem wachsen kontinuierlich. In einer Befragung durch die „Initiative Neue soziale Marktwirtschaft“ aus dem vergangenen Sommer unter rund 5.000 Deutschen sehen knapp 70 Prozent die gesetzliche Rente nicht als Schutz vor Altersarmut. In puncto privater Altersvorsorge gaben 34 Prozent an, mehr privat vorsorgen zu wollen, wenn es staatliche Zuschüsse gäbe. 30 Prozent würden bei Selbstbestimmung selbst vorsorgen, und 25 Prozent würden dies tun, wenn der Erwerb von Immobilien erleichtert würde.