Herr Kuipers, wie hat sich die Rolle von ETFs in institutionellen Portfolios in den letzten Jahren verändert?
Kirst Kuipers: Die Folgen der globalen Pandemie waren ein massiver Beschleuniger für ETFs. Der Beginn von COVID im März 2020 war eine sehr herausfordernde Zeit für uns alle, auch für Investoren. Alle Asset-Klassen sind zusammengebrochen, seien es Aktien, Fixed-Income-Produkte oder Rohstoffe. Viele institutionelle Investoren erkannten, dass sie mehr Liquidität in ihren Portfolios benötigten, als sie ursprünglich erwartet hatten. Besonders, weil festverzinsliche Wertpapiere damals sehr schwer zu handeln waren. Die Investoren wollten ihre Portfolios neu positionieren, aber die Anleihemärkte waren praktisch eingefroren, wenn man größere Beträge handeln wollte
Wie hat sich das auf Ihr Geschäft mit ETFs ausgewirkt?
Kirst Kuipers: Sobald sich die Märkte erholten, kamen viele der Kunden zu uns, um sich über ETFs zu informieren. Befeuert wurde das Interesse durch die Entscheidung der Fed, Fixed-Income-ETFs für ihre Geldpolitik zu benutzen.
Können Sie das in Zahlen fassen?
Kirst Kuipers: In den letzten fünf Jahren haben wir in Europa eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von etwa 30 Prozent unter institutionellen Kunden verzeichnet. Außerdem stammten in dieser Zeiter im Durchschnitt 25 Prozent der Zuflüsse von erstmaligen ETF-Kunden. Dabei halten unsere institutionellen Kunden 70 Prozent ihrer ETF-Investitionen in Aktien-ETFs, 29 Prozent in festverzinslichen ETFs und der Rest in Rohstoff-Produkten.

Ist es immer noch die Liquidität, die die Nachfrage antreibt?
Kirst Kuipers: Das war sicherlich ein wichtiger Grund, aber auch die Bequemlichkeit und die große Auswahl haben eine Rolle gespielt. Ein weiterer Faktor ist der Top-down-Ansatz vieler institutionellen Investoren bei der Konstruktion ihrer Portfolios. Sie wissen, dass die überwältigende Mehrheit des Erfolgs der wichtigsten Kennzahlen eines Portfolios durch die richtige Konstruktion bestimmt wird. Unabhängig davon, ob es sich um Risiko-Rendite, Liquiditätsanforderungen oder Nachhaltigkeitsziele dreht. Hier sind ETFs ein attraktives Instrument, um sich taktisch neu zu positionieren. Vor allem aber sind mit dem Wachstum der gesamten Industrie ETFs zunehmend kosteneffizienter geworden im Vergleich zu anderen Indexprodukten.
Warum?
Kirst Kuipers: Vor 10 Jahren versammelte die globale ETF-Industrie etwa 2,5 Billionen US-Dollar an Vermögenswerten, heute sind es über 15 Billionen US-Dollar. Mit der Skalierung erhält man niedrigere Bid-Ask-Spreads, geringere Tracking-Fehler und effektiv niedrigere Managementgebühren. An einem durchschnittlichen Handelstag an der New Yorker Börse werden etwa 40 Prozent des gesamten Aktienhandels durch ETF-Trades abgedeckt. Es handelt sich also um ein sehr kompetitives Umfeld, wenn es darum geht, den Markt zu betreten oder zu verlassen. In der Folge stellten immer mehr institutionelle Investoren fest, dass ETFs tatsächlich eine sehr kosteneffiziente Möglichkeit sind, um auf Märkte zuzugreifen.
Bewegen sich Investoren im Allgemeinen von aktiven Strategien weg, oder re-allokieren sie innerhalb ihrer passiven Investitionen mehr in ETFs?
Kirst Kuipers: Ich denke, es ist eine Kombination. In der breiteren Industrie sind Indexstrategien beliebter geworden, weil sie eine gute Möglichkeit bieten, Portfolios zu strukturieren. Nur als Randbemerkung: Ich denke, jede Indexwahl ist irgendwie eine aktive Wahl. Wer sich entscheidet, in den S&P 500 ETF zu investieren, trifft eine aktive Allokationsentscheidung.
Welche aktuellen Trends sehen Sie unter institutionellen Investoren in Bezug auf ihre ETF-Investitionen?
Kirst Kuipers: Unsere Kunden suchen vermehrt nach nischigeren und präziseren Lösungen. Typischerweise hatten sie ETFs für breite Marktexpositionen innerhalb ihrer SAA verwendet. In letzter Zeit fragen sie gezielt nach spezifischen Lösungen in Bezug auf Investment-Themen, Sektoren oder Regionen. Für mich ist das auch ein Zeichen für die Reife des Marktes.
Gibt es dafür für Sie weitere Anzeichen?
Kirst Kuipers: Ursprünglich haben hauptsächlich mittelgroße institutionelle Investoren ETFs für breite Marktexpositionen verwendet, meistens in einer Buy-and-Hold-Mentalität. Zunehmend nutzen auch einige der größten Asset-Owner in Europa ETFs, um vom Sekundärmarkt zu profitieren. Dies trifft speziell für Asset-Klassen zu, die tendenziell weniger liquide sind, z. B. Global High Yield. Insbesondere wenn ein ETF stark im Volumen wächst, ermöglicht er den Zugang zu und den Austritt auf solche Marktsegmente zu einem Bruchteil der Kosten. Wir haben die größten institutionellen Investoren in Europa analysiert und herausgefunden, dass 60 Prozent von ihnen iShares-ETFs halten. Dies sind typischerweise Investoren, die mehr als 100 Milliarden an AUM verwalten. Diese großen Investoren haben eigentlich erhebliche interne Kapazitäten, die zugrunde liegenden Vermögenswerte selbst zu sehr attraktiven Preisniveaus zu kaufen. Trotzdem erkennen sie die Vorteile von ETFs. Ein weiterer Beweis für die Reife ist, dass 17 Zentralbanken in Europa Anteile an unseren Produkten halten.
Warum halten Zentralbanken ETFs?
Kirst Kuipers: Grundsätzlich aus ähnlichen Gründen wie private und institutionelle Investoren. Für Zentralbanken ist es sehr wichtig die eigenen Reserven zu diversifizieren. Gleichzeitig benötigen sie ausreichende Liquidität in ihren Portfolios. Auch ist es von Vorteil für sie, dass – wenn ein ETF ausreichend groß ist – die Ausführung von Trades nicht zwangsläufig einen Creation- oder Redemption-Prozess auslöst.
Welche anderen Makrotrends beeinflussen zukünftig die Rolle von ETFs in institutionellen Portfolios?
Kirst Kuipers: Mit Sicherheit der demografische Wandel. Verstehen sie mich nicht falsch – es ist großartig, dass wir älter werden, aber es hat enorme Auswirkungen auf die Verbindlichkeiten von Pensionsfonds und Lebensversicherern. In der sehr langen Niedrigzinsphase ist es zunehmend schwierig geworden, eine kollektive Garantie aufrechtzuerhalten. Daher sehen wir diesen Wandel in Richtung DC.
In Europa haben wir rund 4 Billionen Euro an Vermögenswerten in DC-Plänen – diese Zahl wird sich unserer Einsicht nach bis 2030 verdreifachen. Nehmen Sie zum Beispiel die Niederlande, wo seit diesem Jahr eine neue Regulatorik den Wechsel von DB zu DC vorschreibt. Allein dies wird einen Transfer in Höhe von knapp 2 Billionen Euro an Vermögenswerten auslösen.
All das wird meiner Meinung nach institutionelle Investoren dazu bewegen, vermehrt ETFs in ihren DC-Systemen zu nutzen. Nicht nur, wenn sie ein neues DC-basiertes Portfolio aufbauen, sondern auch allgemein durch die Verschiebung von einem kollektiven und garantierten Systemansatz hin zu individuelleren Systemen. Ich bin überzeugt, dass ETFs auch in der zweiten Säule eine wachsende Rolle spielen werden. Auf dem Retail-Markt tun sie das bereits: In Deutschland investieren laut den Ergebnissen unserer People and Money Survey bereits 10,5 Millionen Menschen in ETFs.
Arrian Correns ist seit 2024 Redakteur bei dpn – Deutsche Pensions- und Investmentnachrichten. Seine ersten Schritte im Journalismus machte der studierte Staatswissenschaftler im Lokaljournalismus. 2023 wechselte er mit dem Volontariat im Fachverlag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in den Finanzjournalismus. In dieser Zeit schrieb Arrian Correns auch für die dpn-Schwesterpublikationen „FINANCE Magazin“ und „Die Stiftung“. Arrian Correns befasst sich heute vor allem mit Themen der institutionellen Kapitalanlage und der Digitalisierung der Investmentbranche.

