Das bAV-Universum ist riesengroß. Von Vorteil ist das allemal, denn der Fachkräftemangel weitet sich zu einer ausgewachsenen Krise aus. Um auf dem Arbeitsmarkt attraktiv zu bleiben, müssen Arbeitgeber sich schon mehr einfallen lassen als die üblichen Anreize. Nicht alle Unternehmen legen ihren Fokus auf den Benefit bAV und die Möglichkeiten der zweiten Säule des deutschen Rentensystems. Ein Schattendasein führt derzeit die Unterstützungskasse (UK). Sie ist der älteste der fünf durch das Gesetz zur Verbesserung der Betriebsrente anerkannten Durchführungswege der bAV in Deutschland. Manfred Baier ist der festen Überzeugung, dass der fünfte bAV-Durchführungsweg dem Mittelstand zu mehr finanzieller Unabhängigkeit verhilft. Gemeint sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Baier ist einer von 28 Gründungsmitgliedern und seit Gründung auch einer von fünf Vorständen des Bundesverbands pauschaldotierte Unterstützungskasse e.V. (pdUK). Die wichtigste Eigenschaft der Mitglieder ist ihre Unabhängigkeit von Banken, Versicherungen oder Fondsanbietern.
Der 2005 gegründete Bundesverband mit Sitz in Nürnberg ist Interessenvertreter und Dienstleister zugleich. „Wir fördern das Ansehen der pdUK und betreiben Aufklärungsarbeit“, stellt Baier zu Beginn des Gesprächs klar. Bei Zweifelsfragen von Unternehmen helfe der Verband in beschränktem Umfang weiter bzw. versuche vor fachlichen Fehlentscheidungen zu schützen. Und noch etwas ist Baier wichtig: Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und keine eigenwirtschaftlichen Zwecke und ist für alle UK-Konzeptionäre offen.
500 Berater sind zu wenig
Unter den Angeboten und Möglichkeiten der betrieblichen Versorgungssysteme arbeiten die Mitglieder eine optimierte und individuelle Strategie heraus. Die Beratung erfolgt in der Regel auf Honorarbasis. Derzeit arbeiten rund 500 angebundene Berater nach den Qualitätsrichtlinien des Bundesverbands. Mit Blick auf den Bekanntheitsgrad der pdUK ist noch viel Luft nach oben. „Im Vergleich zur rund 100-fachen Vertriebsstärke der Versicherungswirtschaft ist die Zahl der pdUK-Berater deutlich niedriger“, sagt Baier. Welches Anlagevolumen dieser bAV-Durchführungsweg verwaltet, ist schwer zu sagen, da hier zwischen Versicherung und Nichtversicherung in den Statistiken nicht unterschieden wird. Die Zuwachsraten in der pdUK-Branche verortet Baier nach Auskunft der Mitglieder im unteren zweistelligen Prozentbereich.
Betriebswirtschaft ist in der Beratung zu integrieren
Der Durchführungsweg ist aus Beratersicht trotz seiner relativ einfachen Wirkungsweise deutlich komplexer als gedacht. „Betriebswirtschaft ist in der Beratung naturgemäß zu integrieren. Auch Honorare zu verhandeln, bereitet pdUK-Beratern größere Probleme, anders als bei Vermittlern von versicherungsbasierten bAV-Angeboten mit ihren teilweise versteckten Kosten“, beschreibt der pdUK-Vorstand die Hemmnisse, mit denen UK zu kämpfen haben. Die pdUK-Berater kommen selten aus der Versicherungswirtschaft, sondern eher aus Unternehmens- oder Steuerberatungsgesellschaften.
Im Kampf um Talente sieht Baier, der ebenfalls Wirtschaftsprüfer und Steuerberater ist, keinen Wettbewerbsvorteil der versicherungsförmigen bAV am Arbeitsmarkt. Doch gerade der Mittelstand setzt auf Versicherungslösungen bei der Betriebsrente. „So viel Erfolg hat die Versicherungswirtschaft auch im kleineren Mittelstand nicht“, entgegnet Baier. Eine Versicherung zu bekommen sei für die Beschäftigten oft nicht attraktiv: „Angefangen bei der Beitragsgarantie von nur 80 Prozent bei vielen Versicherungen. Das heißt: Selbst die eingezahlten Beiträge der Arbeitnehmer sind bei einer Versicherung nicht zu 100 Prozent sicher. Was für eine Widersprüchlichkeit.“
Unternehmen sind die Alternativen nicht bekannt
Und erneut bringt er die Kosten ins Spiel, die den Menschen in Deutschland bekannt seien. Die Folge: Die Durchdringung in den Belegschaften liegt bei versicherungsförmigen bAV-Produkten durchschnittlich bei 50 Prozent, die bei versicherungsfreien bAV-Durchführungswegen hingegen bei über 80 Prozent. „In der Aussage, dass kleinere Mittelständler auf Versicherungslösungen setzen, liegt eine gehörige Schieflage. Sie kennen aufgrund der Vertriebspower der Versicherungsindustrie mit ihren millionenschweren Werbe- und PR-Kampagnen nicht die versicherungsfreien Alternativen“, begründet der Verbandschef das aus seiner Sicht verzerrte Bild der Branche.
Einer unlängst veröffentlichten Studie des Beraters WTW zufolge können 90 Prozent der deutschen Unternehmen eine versicherungsbasierte bAV anbieten. „Damit ist jedes Unternehmen eines von ganz vielen. Wo liegt da der Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen?“, stellt sich Baier die Frage.Auf der anderen Seite moniert die Studie die schwache Durchdringung der bAV in den Unternehmen sowie das lahmende Neugeschäft. Deshalb diskutiert die Politik eine Stärkung der Betriebsrente. Allerdings sind noch immer die Ergebnisse und die daraus folgenden Maßnahmen des „Fachdialogs zur Stärkung der bAV“ der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt. Doch es bewegt sich etwas. Erste konkrete Teilvorschläge für eine Gesetzesinitiative zur Stärkung der bAV liegen auf dem Tisch, wie Peter Görgen, Referatsleiter „Zusätzliche Altersvorsorge“ beim Bundesarbeitsministerium, auf der dpn ASSETS & LIABILITIES Convention in Essen verriet.
Freie und flexible Kapitalanlage
Ungeachtet dessen liegen für Unternehmen und die Belegschaften aus Sicht des Bundesverbands die Wettbewerbsvorteile klar bei den pdUK, die seit rund 150 Jahren als Instrument der bAV dienen. Ihr Wesen ist die Anlage der Altersvorsorgebeträge vornehmlich im Unternehmen des Arbeitgebers. Die Funktionsweise der pdUK veranschaulicht das Schaubild oben.
Die pdUK genießen weitreichende steuerliche, wirtschaftliche und bilanzielle Vorteile. Zu den steuerlichen gehören zunächst der Betriebsausgabenabzug (ohne Liquiditätsabfluss), die Konservierung von Steuervorteilen bei Fluktuation statt der Rückzahlung von Steuervorteilen bei der Direktzusage sowie die steuerlich unbeschränkte Höhe von Entgeltumwandlungen. Zu den wirtschaftlichen Vorteilen zählen die freie und flexible Kapitalanlagemöglichkeit, vor allem auch im eigenen Unternehmen, der Liquiditätsvorteil im Vergleich zum Liquiditätsabfluss in Versicherungsprodukten und die flexiblere Ausgestaltung. Die pdUK ist von keinen Restriktionen von Produkten abhängig.
pdUK als Unternehmensbank
Eine pdUK wird individuell auf die jeweiligen Bedürfnisse des Unternehmens angepasst. Versicherungsprodukte sind hingegen standardisiert. Die betriebswirtschaftlichen Vorteile bei Verwendung im Unternehmen liegen auf der Hand: Die Gelder erhöhen bei Investitionen im Anlagevermögen dort die Rentabilität oder erwirtschaften gegenüber (teuren) Bankkrediten erhebliche Zinsvorteile. „Gemeinhin bezeichnet man die pdUK auch als Unternehmensbank, als Bank im eigenen Unternehmen“, erläutert Baier und fügt hinzu: „Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass Unternehmen aufgrund dieser Vorteile statt der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestzulage von 15 Prozent in aller Regel – freiwillig – 30 bis 50 Prozent auf die Arbeitnehmerbeiträge hinzugeben, relativ häufig sogar 100 Prozent.“ Sowohl die rückgedeckte UK als auch die pdUK sind im Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) abgesichert, wie auch die Direktzusage und der Pensionsfonds. Der PSV unterscheidet nicht, ob die Gelder bei einer Versicherung angelegt werden oder im eigenen Unternehmen verbleiben.
Zuschüsse flexibel an Ziele angepasst
Was die Finanzierungsmodelle in der Praxis anbelangt, so nennt der Branchenverband folgende Varianten: Zuschüsse in Abhängigkeit vom Umwandlungsbetrag, fixe oder prozentuale Modelle, Zuschüsse in Abhängigkeit von der Position oder Betriebszugehörigkeit sowie Staffelsätze. „Die fast uneingeschränkte Flexibilität passt sich den jeweiligen Zielen an und wird dann arbeitsrechtlich sauber umgesetzt“, beschreibt Baier das Vorgehen der Unternehmen. Dabei seien arbeitgeberfinanzierte Modelle ebenso im Kommen wie Modelle zum Nulltarif, wie etwa die Gehaltsumwandlung mit Hilfe von steuer- und abgabenbefreiten Gehaltsbausteinen.
Wie die bAV-Beiträge angelegt werden, entscheiden die Unternehmen selbst. Ob die Liquidität in Investitionen gesteckt wird und im Unternehmen Wachstum erzeugt, teure Kontokorrentkredite zurückgeführt oder abgelöst werden oder am Kapitalmarkt angelegt wird, hängt von den Bedürfnissen des Unternehmens ab. Die UK kann Anlagen am Kapitalmarkt ohne Einschränkung vornehmen, darf dabei aber nicht gewerblich tätig werden. In diesem Fall empfiehlt Experte Baier, Finanzberater hinzuzuziehen. Selbst bei Anlage am Kapitalmarkt bestünde eine Liquiditätsreserve, da je nach Fungibilität der Anlage darauf jederzeit zugegriffen und ein unternehmerisches Problem überbrückt werden könne. Corona hat diese Liquiditätsproblematik in den Fokus gerückt. Wie die Unternehmen das Kapital direkt anlegen, darüber hat der Verband keine Informationen, „dafür ist die Vorgehensweise viel zu individuell“. Auch deshalb kann Baier grundsätzlich keine Aussagen zu Rendite-Benchmarks machen. Der Verband bekommt allerdings von den Mitgliedern Feedback, dass statt Verzinsungen von 1 bis 1,5 Prozent derzeit eher Verzinsungen von 1,5 bis 2 Prozent vereinbart werden. „Manche gewähren auch 3 oder 5 Prozent“, hört Baier aus dem Markt.
Trennung von Beratung und Kapitalanlage
Ein Qualitätskriterium, das der Verband empfiehlt, ist die komplette Trennung von Beratung und Kapitalanlage. Betriebswirte sind meist genauso wenig Kapitalanlage-spezialisten wie Steuerberater oder Rechtsanwälte. „Betriebswirte und Steuerberater sind aber in jedem Fall hinzuzuziehen, wenn die Gelder sinnvoll im Anlagevermögen investiert werden sollen“, so Baier. Dafür gibt es keinen standardisierten Prozess, weil kein Unternehmen dem anderen gleicht. Die Zahlungsverpflichtung gegenüber den Mitarbeitenden wird im Anhang zur Bilanz als Verbindlichkeit ausgewiesen. Im Ergebnis wird der Barwert der Verpflichtung dem bereits gebildeten Vermögen gegenübergestellt und eine mögliche Differenz angegeben. Wie viel Kapital ein Beschäftigter vom Entgelt anlegen darf, ist differenziert zu betrachten. In der Entgeltumwandlung gibt es steuerlich keine Obergrenze.
Bei Insolvenz springt der PSV ein
Eine Überlegung beim Abschluss eines bAV-Vertrags dürfte derzeit vor allem die Frage nach der Solvenz des eigenen Unternehmens sein. In Krisenzeiten steigt bekanntlich die Anzahl der Unternehmenspleiten. Bei der bAV hat der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin aber kein Risiko zu fürchten. Sämtliche Zusagen werden über den PSV erfüllt. Der PSV unterscheidet nicht, wodurch die Pleite verursacht und aus welchen Töpfen die pdUK gespeist wurde. Bekannte Pleitefälle wie AEG oder Grundig belegen das. Das hat zwar den PSV-Beitrag der rund 100.000 Mitglieder erhöht, weil das zweckgebundene Vermögen nicht ausreichte, doch die bAV-Ansprüche wurden gewahrt.
Goran Culjak ist Redakteur bei dpn – Deutsche Pensions- & Investmentnachrichten. Davor arbeitete er bei PLATOW als Fachredakteur für Versicherung und Altersvorsorge und etablierte die Risikomanagementkonferenz. Der Diplom-Betriebswirt (FH) startete 2004 als Pressereferent bei Union Investment seine berufliche Laufbahn.