Pension Buy-out – ein 60-Milliarden-Euro-Markt

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Die Wirtschaftsflaute in Deutschland dauert an. Anzeichen einer schnellen Konjunkturerholung sind nicht in Sicht. Auch die Zahl der Unternehmenspleiten steigt. In weniger krassen Fällen machen sich Unternehmen derweil Gedanken, wie sie sich neu aufstellen, Ballast abwerfen und ihre Bilanzen stärken können. Dazu gehört auch die bAV. Eine Maßnahme ist hier der Pension Buy-out. „Unternehmen und Geschäftstätigkeiten ändern sich heute in immer kürzeren Zyklen, während die Altersversorgung dagegen einen langen Planungs- und Betreuungszeitraum erfordert, den nicht mehr alle Unternehmen selbst leisten können“, weiß André Geilenkothen, Partner bei Mercer und Vorstandsvorsitzender des gleichnamigen Pensionsfonds. Die vollständige Übertragung von Verpflichtungsbeständen an entsprechend spezialisierte und professionelle Anbieter ist international eine verbreitete und wertgeschätzte Lösung. In Deutschland sind solche Transaktionen noch eher selten. Denn Liquidationsversicherungen sind nur im Rahmen einer Einstellung der Geschäftstätigkeiten möglich und „werden oft als teuer wahrgenommen“. Dagegen kann die Auslagerung von Pensionszusagen auf Rentnergesellschaften in vielen Konstellationen genutzt werden und wird in der Regel auch günstiger angeboten. Die Nachfrage und das Marktpotential sind enorm, wie wir in Gesprächen mit den vier größten Providern hierzulande hören. „Unsere Erfahrungen der vergangenen knapp zehn Jahre haben uns gezeigt, dass sowohl deutsche als auch international tätige Unternehmen ein großes Interesse daran haben, ihre Bilanzen sowie Gewinn-und-Verlust-Rechnungen von den nicht beeinflussbaren Effekten, die mit Pensionsverpflichtungen verbunden sind, zu entlasten“, sagt Tilo Kraus, Geschäftsführer der VEDRA Pensions GmbH.

Es gibt viele Gründe für die Auslagerung von Pensionsverpflichtungen

Magnus Schmagold schätzt den gegenwärtigen Gesamtbestand der in Deutschland ausgelagerten Rentnergesellschaften auf 15 bis 20. Diese befinden sich nicht mehr im Konsolidierungskreis der Unternehmen. Der Geschäftsführer von Funding Solutions sieht ein Marktpotential von bis zu 50 Milliarden Euro in den nächsten fünf bis zehn Jahren. Einen guten Orientierungspunkt für die Entwicklung des Marktes für Rentnergesellschaften liefern nach Ansicht des Beratungshauses WTW die Erfahrungen mit Pensionsfonds. Die Deckungsmittel dieses Durchführungsweges nehmen derzeit laut aba-Statistik einen Umfang von circa 60 Milliarden Euro ein. Eine ähnliche Marktentwicklung erwartet WTW in den nächsten gut zehn Jahren auch für Buy-out-Lösungen. In den Bilanzen deutscher Unternehmen finden sich heute rund 700 Milliarden Euro Pensionsverpflichtungen aus Direkt- und Unterstützungskassenzusagen. „Davon werden sicherlich nicht alle in Rentnergesellschaften übertragen“, so Thomas Bloch, Geschäftsführer der Deutsche Betriebsrenten Holding (DBR Holding). „Die Zahl zeigt aber ein erhebliches Potential.“

Es gibt viele Gründe für die Auslagerung von Pensionszusagen. Sehr häufig sind nach Ansicht von WTW M&A-Aktivitäten der Hintergrund, da die Transformation des Industriestandortes konsequent voranschreitet und zunehmend flexible und agile Unternehmensstrukturen fordert. Ein typisches Auslagerungsszenario ist die geplante Veräußerung einer Gesellschaft im Wege eines Share Deals, bei dem der Käufer die Pensionsverbindlichkeiten nicht übernehmen möchte. Aber auch außerhalb einer Transaktion kann ein Interesse an einer schlankeren Bilanz oder der Auslagerung von biometrischen Risiken bestehen. Für die aktiven Beschäftigten besteht die Möglichkeit zur Abfindung der Rentenanwartschaften. Dies kommt jedoch bei Rentnern und anderen ausgeschiedenen Arbeitnehmern mit unverfallbaren Anwartschaften regelmäßig nicht in Betracht. Dafür ist es bei ausgeschiedenen Arbeitnehmern möglich, die Pensionsverbindlichkeiten vom operativen Geschäft zu trennen und auf eine separate Gesellschaft, eine Rentnergesellschaft, auszulagern. Dies funktioniert bei aktiven Arbeitnehmern nicht, da die Pensionszusage nicht vom Arbeitsverhältnis getrennt werden kann.

WTW jüngster Provider

Generell gibt es viele Rentnergesellschaften in Deutschland und diese auch seit einigen Jahrzehnten. Hierbei handelt es sich aber häufig um konzerninterne, nicht ausgelagerte Rentnergesellschaften, die teilweise durch eine Einstellung des operativen Geschäftsbetriebes entstanden sind und teilweise bewusst über eine Teilbetriebsabspaltung erzeugt wurden. Mittlerweile schauen sich viele neue Unternehmen das Modell Rentnergesellschaft an. „Wir sind mit einer Reihe unserer Kunden zu solchen Gestaltungen im Gespräch“, heißt es bei WTW. Dies dürfte denn auch der Grund dafür sein, dass WTW künftig selbst als Provider einer Rentnergesellschaft auftritt. Die Vorbereitungen dazu laufen. Kurz vor Weihnachten gab WTW bekannt, dass der Berater ab Sommer seine bestehende De-Risking-Plattform um eine Pension-Buy-out-Solution erweitert. „Der Ausfinanzierungsgrad der bAV ist auf einem historischen Höchststand. Das erleichtert die Realisierung von Umstrukturierungen in Pension-Buy-out-Lösungen“, sagt Johannes Heiniz, Senior Director Retirement bei WTW. Viele Unternehmen hätten ausreichend Finanzmittel zur Seite gelegt. Diese können sie für die Ausfinanzierung von Pensionsverpflichtungen nutzen. Dementsprechend sei momentan ein guter Zeitpunkt, um Planungen in diese Richtung anzustoßen.

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