Bosch Pensionsfonds als Vorbild

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Eine Substanzerhaltungsanalyse hat den Verantwortlichen und der Belegschaft des Stuttgarter Robert Bosch Krankenhauses die Augen geöffnet. Die Umstellung von der rückstellungsgedeckten Direktzusage zur kapitalmarktorientierten bAV hat eine komplette Neugestaltung der Altersvorsorge erfordert. Ein Andocken an den traditionsreichen Pensionsfonds der Bosch-Gruppe war keine Option. Über die Hintergründe, den bAV-Umstellungsprozess, die Eingriffsmöglichkeiten im Future Service sowie die Kapitalanlage in zwei Dachfonds sprach Goran Culjak mit dem Kaufmännischen Geschäftsführer Frank Kohler.

Der deutsche Gesundheitsmarkt kränkelt. Die finanzielle Lage einiger Einrichtungen spitzt sich immer weiter zu. Anfang Mai schlugen etwa die Karlsruher Kliniken Alarm. Das Städtische Klinikum und die ViDia-Kliniken sprechen von einer wirtschaftlichen Notlage. Beide Häuser zählen zu den 85 Prozent der Krankenhäuser in Baden-Württemberg, die in diesem Jahr hohe Defizite erwarten. Hinzu kommt der Fachkräftemangel. Bürokratie und Budgets verringern die Attraktivität. Von 50.000 fehlenden Ärzten ist mittlerweile hierzulande die Rede. Es gibt aber auch positive Beispiele unter den deutschen Krankenhäusern, meist Kliniken aus dem privaten Sektor. So hat das US-Magazin „Newsweek“ das Robert Bosch Krankenhaus (RBK) in Stuttgart zu einem der besten Krankenhäuser der Welt gekürt. Im Ranking „World’s Best Hospitals 2024“ belegt das RBK bundesweit Rang 19 aller 1.719 Kliniken in Deutschland und ist das einzige nicht universitäre Krankenhaus unter den Top 25. Weltweit zählt das RBK zu den Top-250-Kliniken. Die Klinik ist eine Einrichtung der Bosch Health Campus GmbH, die wiederum eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Robert Bosch Stiftung ist. Es ist ein gemeinnütziges Krankenhaus der Zentralversorgung mit Funktionen der Maximalversorgung.

2006 aus der ZVK ausgeschieden

Die Verantwortung für die rund 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des RBK obliegt der Geschäftsführung. Dort fungieren Prof. Dr. med. Mark Dominik Alscher als Medizinischer und Frank Kohler als Kaufmännischer Geschäftsführer. Wirtschaftlich geht es dem RBK im Ver gleich zu anderen Kliniken in der Region deutlich besser.

Kohler hat die Entwick lung der Branche schon lange im Blick – 28 Jahre Berufserfahrung allein bei Bosch. Nach Stationen als Leiter Projekt Management Office und COO beim RBK über nahm der Manager im Sommer 2020 dort zunächst als Stellvertreter die kaufmännische Gesamtverantwortung und ist seit Sommer 2022 in der heutigen Funktion. Das RBK ist ein nicht kommunales Haus und 2006 aus der Zusatzversorgungskasse ausgeschieden. „Ab diesem Zeitpunkt haben wir die bAV in Eigenregie übernommen“, berichtet uns Geschäftsführer Kohler. Gestartet ist das RBK mit einer rückstellungsgedeckten Direktzusage (Defined Benefit). Die Option, sich gleich dem Pensionsfonds der Bosch-Gruppe anzuschließen, kam jedoch nicht in Frage. „Wir haben diesen Weg damals diskutiert und den Plan dann schnell verworfen“, sagt Kohler. Aus Gemeinnützigkeits- und Compliance Gründen dürfen die Finanzbereiche des RBK und der Bosch-Gruppe nicht vermischt werden. Auch sonst, betont der Geschäftsführer, sei man systemtechnisch und organschaftlich von der „großen Bosch“ strikt getrennt und damit zwei unterschiedliche Unternehmen. Dennoch ist in vielen Bereichen eine Zusammenarbeit möglich, wie etwa bei der Forschung und Altersversorgung der Belegschaft.

Bosch Pensionsfonds als Vorreiter in der deutschen Industrie

„Die bAV hat bei Bosch eine rund 100-jährige Tradition. Sie ist personalpolitisch, finanziell und bilanziell die bedeutendste betriebliche Sozialleistung der Bosch Gruppe in Deutschland.“ Das sagte jüngst Dirk Jargstorff, Senior Vice President Pen sions and Related Benefits bei der Robert Bosch GmbH in Gerlingen, anlässlich der Verlängerung des Outsourcing-Vertrags mit WTW.

Frank Kohler. Foto: RBK

Info

CV
FRANK KOHLER
Seit Juli 2020
Kaufmännischer Geschäftsführer


2019-2020
Chief Operating Officer


2018-2019
Leitung und Aufbau
Projekt Management Office


2014-2018
Robert Bosch GmbH Zentrale
Inhouse Consulting (Partner)


2007-2014
Bosch Rexroth AG, verschiedene
Funktionen in Vertrieb und Logistik

Das Beratungshaus ist für die bAV-Administration und die Geschäftsstellenfunktion der Bosch Pensionsfonds AG zuständig. Im Pensionsfonds werden Vorsorgeguthaben für die Mitarbeiter aufgebaut. Bosch zahlt Firmenbeiträge im Bosch Vorsorge Plan ein, die sich aus einem prozentualen Anteil an den Jahres bezügen ergeben, sowie altersvorsorgewirk same Leistungen. Der Bosch Pensionsfonds war der erste seiner Art in einem Industrieunterneh men in Deutschland. Seit 2006 nutzt Bosch den Fonds auch zur Anlage von Unternehmensbeiträgen – wiederum als Pionier unter deutschen Industrieunternehmen. Das Besondere: Alle Erträge kommen nach eigenen Angaben bei gerin gen Verwaltungskosten ausschließlich den Mitarbeitern zugute. Bis zum 55. Lebensjahr werden die Firmen- und Mitarbeiter beiträge chancenorientiert investiert und anschließend auf sicherere Rententitel umgeschichtet. Risiken werden durch eine Beitragsgarantie und ein umfassen des Risikomanagement nachhaltig gemin dert. Seit seiner Gründung erwirtschaftet der Bosch Pensionsfonds im Durchschnitt rund 6 Prozent Rendite. Sein Anlagever mögen umfasst aktuell rund 4 Milliarden Euro.

Hohe Rückstellungen haben Angst vor Überschuldung ausgelöst

Dieses bAV-Modell von Bosch hat das RBK schließlich zum 1. Januar 2022 in ähnlicher Form übernommen, als der Wechsel von der rückstellungsgedeckten Direkt zusage zur kapitalmarktorientierten bAV (Defined Contribution) erfolgte. „Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir nicht die nötige Reife, um das bAV-Modell viel früher zu übernehmen“, sagt Kohler. Hinzu kommt, dass die „alte bAV“ auf Dauer eine „unglaubliche Hypothek“ ist. Zukunftssimulationen der Bilanz haben einen Anstieg der Rückstellungen für die bAV auf über eine Milliarde Euro signalisiert. In Verbindung mit dem Verzinsungsfaktor wird die bilanzielle Lage noch anspruchsvoller: denn das Delta aus dem Rückgang des HGB-Zinses muss in die bilanzielle Rückstellung eingerechnet werden. Mit dem rasanten Anstieg der Rückstellungen kam sehr schnell auch das Problem einer möglichen Überschuldung. Eine Substanzerhaltungsanalyse hat ergeben, dass das künftige Krankenhausgeschäft den Eigenkapitalverzehr nicht aufhalten kann. Spätestens 2028 hätte eine Überschuldung gedroht. Unterdessen hat eine weitere WTW Analyse ergeben, dass Eingriffsmöglichkeiten im Future Service bestehen.

„Das war der Punkt, wo wir gesagt haben: Wir machen eine komplette Umstellung der bAV auf ein neues Zukunftsmodell.“ Das heißt aber auch: Alle zu diesem Zeitpunkt erdienten Versorgungsansprüche im Past Service sind weiterhin in der Rückstellungsdeckung verbucht. Eine Rückdeckung über Finanzanlagen analog zum Bosch Pensionsfonds mit einem Vermögenswert von circa 150 Millionen Euro besteht hierfür weiterhin.

Alle Mitarbeiter haben der Umstellung zugestimmt

Kohler macht kein Geheimnis daraus, dass die zweijährige Umstellungsdauer auf das neue bAV-Modell zunächst mit sehr viel Überzeugungsarbeit verbunden war. Der Betriebsrat hat sich extern beraten lassen. „Insbesondere die Diskussionen über die Ungewissheiten des Kapitalmarktes waren nicht einfach“, erinnert sich der Geschäftsführer. Die rechtlichen Hürden lagen indes bei den Verrentungsmöglichkeiten. Eine versicherungsförmige Verrentung war nicht gewollt. „Wir haben mit den Tarifpartnern eine sehr gute Vereinbarung getroffen, die uns erlaubte, über den Pensionsfonds zu verrenten“, so Kohler. Letztlich haben die Ergebnisse der Substanzerhaltungsanalyse für sehr viel Verständnis bei allen Beteiligten gesorgt. Sie haben schnell erkannt, dass das alte bAV-Modell das Krankenhaus schon bald in eine Schieflage bringen könnte. „Wir haben den Beschäftigten aber auch die Vorteile der neuen bAV erklärt.“ Am Ende des Prozesses haben alle Mitarbeiter der Umstellung zugestimmt. Für den geglückten Umstieg von Defined Benefit auf Defined Contribution und die umfassende Neuordnung der bAV hat das RBK im Frühjahr den 1. Platz beim Deutschen bAV-Preis geholt. „In einer Branche, in der Zusatzversorgungen weit verbreitet sind, nimmt das RBK mit der Einführung der innovativen Fondsrente eine absolute Vorreiterrolle ein“, lautet das Urteil der Jury. Kohler: „Das bei uns eingeführte System, insbesondere mit der Möglichkeit einer Verrentungsoption über den Pensionsfonds, ist aktuell im Gesundheitsbereich einmalig.“ Im neuen bAV-Modell zahlt das RBK jedem Mitarbeiter einen 5,7-prozentigen Zuschuss monatlich. Hinzu kommt die mit 15 Prozent Zuschuss geförderte Ent geltumwandlung, die nach Kohlers Mei nung sehr attraktiv ist, aber noch etwas spärlich genutzt wird. „Hier können wir noch etwas besser kommunizieren.“ Die Ausfinanzierung der Fondsrente erfolgt über eine Kombination aus Pensionsfonds und CTA. Beiträge bis zu einer Höhe von 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze werden planmäßig in den WTW Pensi onsfonds gezahlt.

Anlagestrategie wird aktuell überarbeitet

Das gesamte Pensionsvermögen des RBK von derzeit 21,5 Millionen Euro wird in die beiden Dachfonds TW-UI Robust und TW-UI Dynamik investiert. Das Aufteilungsverhältnis liegt bei ca. 15/85 Prozent. Die Fonds sind von WTW als Spezial-AIFs mit zwei unterschiedlichen Risiko-Rendite Profilen strukturiert. Sobald der Mitarbeiter das Alter von 55 Jahren erreicht hat, wird das Kapital in den risikoärmeren Robust Fonds umgeschichtet. WTW verantwortet das Portfoliomanagement der beiden Multi-Asset-Fonds auf Anlageklassenebene und lagert das eigentliche Asset Management aus. Dabei mandatiert WTW nur Asset Manager, die den unabhängigen Selektionsprozess des Manager-Researchs mit Bestnote bestanden haben. Zudem werden die Manager laufend überprüft. Durch die Bündelung von Geldern und Nutzung von Größenvorteilen erhofft sich Kohler eine kosteneffiziente Struktur für das RBK. Die beiden Multi-Asset-Fonds selbst können breit gestreut in eine Vielzahl an Anlageklassen einschließlich, aber nicht ausschließlich Aktien, festverzinslicher Wertpapiere, Immobilien und zukünf tig nicht börsennotierter Beteiligungen investieren. „Aktuell befindet sich die Anlagestrategie in einer umfassenden Überarbeitung“, heißt es. WTW strebt zukünftig bis zu 25 Prozent der Fondsver mögen in alternativen Anlagestrategien an. Unter alternativen Anlagestrategien werden dabei unter anderem Private Equity, Private Debt sowie Investitionen in Immobilien- und Infrastrukturprojek te verstanden. Die daraus resultierende langfristige strategische Anlageallokation zeigen die beiden Schaubilder. Das über den Pensionsfonds angespar te Kapital kann über Einmalzahlung, Verrentung oder Ratenzahlung geleistet werden. Für die restliche Anwartschaft bildet das RBK eine Pensionsrückstellung (Direktzusage). Dafür ist bei WTW eine Treuhand eingerichtet. Dieser Kapi talbaustein kann entweder über eine Einmalzahlung oder eine Ratenzahlung ausbezahlt werden.

Goran Culjak ist Redakteur bei dpn – Deutsche Pensions- & Investmentnachrichten. Davor arbeitete er bei PLATOW als Fachredakteur für Versicherung und Altersvorsorge und etablierte die Risikomanagementkonferenz. Der Diplom-Betriebswirt (FH) startete 2004 als Pressereferent bei Union Investment seine berufliche Laufbahn.

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