Staatsfonds richten ihre Portfolios neu aus

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Die Portfolios staatlicher Investoren wurden 2022 von den heftigen Kurskorrekturen an den Kapitalmärkten spürbar durcheinandergewirbelt. In Verbindung mit dem schnellen Zinsanstieg hat dies den meisten Staatsfonds negative Renditen beschert. Das geht aus der elften jährlichen „Sovereign Asset Management“-Studie des Investmentmanagers Invesco hervor, der dafür von Januar bis März dieses Jahres 142 Chief Investment Officers, Verantwortliche für Asset-Klassen sowie Senior-Portfoliostrategen von 85 Staatsfonds und 57 Zentralbanken befragt hat, die zusammen ein Vermögen von 21 Billionen US-Dollar verwalten.

Seit Beginn dieser jährlichen Befragungen 2013 war 2022 das erste Jahr, in dem die Investoren negative Renditen verzeichneten. Da sich das Marktumfeld so schnell nicht ändern werde – eine überwältigende Mehrheit von 86 Prozent der Befragten rechnet damit, dass die Inflation in den kommenden zehn Jahren höher sein wird als in der vergangenen Dekade –, richten viele ihre Portfolios neu aus. Neben der Inflation sehen sie sich zudem zunehmenden geopolitischen und klimabezogenen Risiken ausgesetzt. Auswirkungen hat das vor allem auf die Engagements in Anleihen, den Private sowie den Emerging Markets.

Strategiewechsel bei Anleihen

Kaum eine Asset-Klasse wird derzeit so differenziert betrachtet wie Fixed Income. Auf der einen Seite wollen die Staatsinvestoren ihre Strategische Asset Allocation in den kommenden zwölf Monaten in diesem Bereich am stärksten erhöhen. Mit einer geplanten Nettoallokation von 28 Prozent liegen Anleihen damit vor Infrastruktur (25 Prozent), Private Equity (21 Prozent), Aktien (15 Prozent) und Immobilien (9 Prozent). Andererseits hat die Tatsache, dass die Anleiheallokation keinen Schutz vor den Kurskorrekturen des Jahres 2022 bot, die Sichtweise der Befragten auf diese Anlageklasse verändert. So setzen sie anstatt auf eine statische Position zu Diversifikationszwecken nun auf einen taktischeren Ansatz mit dem Ziel, Mehrwert durch aktive Umschichtungen zwischen verschiedenen Segmenten der Anleihemärkte und die Anwendung verschiedener Strategien zu generieren. Für Rod Ringrow, Head of Official Institutions bei Invesco, ist dies eine der wichtigsten Erkenntnisse aus dem vergangenen Jahr. Staatsinvestoren müssten bereit sein, flexibler zu agieren und schneller auf Veränderungen im Marktumfeld zu reagieren. Denn obwohl die Renditen im Schnitt negativ waren, variierten die einzelnen Ergebnisse erheblich. „Am besten haben die abgeschnitten, die die Risiken der überreizten Kursniveaus erkannten und bereit waren, ihre Portfolios nennenswert anzupassen“, so Ringrow.

Dadurch vergrößert sich das Anlage-universum: Denn künftig können auch alternative Segmente der Anleihemärkte eine größere Rolle spielen. Als attraktivste Optionen betrachten die Investoren Private Credit, High Yield und Infrastructure Debt. Insbesondere Private Credit hat sich inzwischen zu einer eigenen Asset-Klasse entwickelt und wird nicht mehr in eine Kategorie mit Private Equity gepackt. Aus Investorensicht besticht Private Credit zudem mit einem günstigen Rendite-Risiko-Profil, einer hohen Liquidität und Transparenz sowie der guten Diversifikation innerhalb meist großer Fonds, die in ein breites Spektrum von Emittenten investieren.

Interesse an Schwellenländern erwacht

In den vergangenen Jahren hatten die Emerging Markets bei Investoren einen schweren Stand. Angesichts der durch die negativen Realzinsen hervorgerufenen Rallye an den Kapitalmärkten der Industriestaaten war es für Staatsfonds schlichtweg nicht notwendig, das für größere Schwellenländerallokationen erforderliche zusätzliche Research zu betreiben oder auch das mit diesen Anlagen verbundene Risiko einzugehen. Die nun wieder gestiegenen Zinsen haben jedoch zu einem wiedererstarkten Interesse an Emerging-Markets-Anlagen geführt. Als Gründe dafür werden die größere Resilienz, institutionelle Stärke und Stabilität wichtiger Schwellenmärkte genannt. 71 Prozent der staatlichen Investoren erwarten, dass Anlagen in den Schwellenländern in den kommenden drei Jahren mindestens eine genauso gute Performance erzielen werden wie Investitionen in den Industriestaaten.

Ganz vorne auf der regionalen Beliebtheitsskala stehen die aufstrebenden Märkte des asiatisch-pazifischen Raums (APAC). Mit 29 Prozent will fast ein Drittel der befragten Investoren die Allokation dort erhöhen. Damit teilt sich die Region den Spitzenplatz mit Nordamerika. Bereits auf Platz zwei folgt Lateinamerika mit 22 Prozent. In den entwickelten APAC-Märkten wollen 15 Prozent ihre Allokation ausbauen, in den europäischen Industriestaaten 14 Prozent und im Mittleren Osten 8 Prozent. Unter den Einzelmärkten sticht Indien hervor: Gut drei Viertel (76 Prozent) der Investoren rechnen sich auf dem Subkontinent attraktive Chancen im Anleihebereich aus. Dahinter folgt Südkorea mit 56 Prozent. Attraktiver als im Vorjahr wurden Mexiko (51 Prozent), Brasilien (49 Prozent), Indonesien (44 Prozent) und Südafrika (41 Prozent) eingeschätzt.

Infrastruktur ist beliebteste Asset-Klasse

Das Interesse an außerbörslichen Anlagen bleibt bei Staatsinvestoren ungebrochen groß, daran hat auch der Zinsanstieg nichts verändert. Besonders die Nachfrage nach Investitionen in Infrastruktur ist hoch. Nicht nur innerhalb der Alternative Assets, sondern insgesamt wird Infrastruktur auf Sicht der nächsten fünf Jahre als attraktivste Anlageklasse betrachtet – vor Anleihen, Private Equity und Aktien. Auf besonderes Interesse im Infrastrukturbereich stößt bei den Befragten die Erneuerbare-Energien-Erzeugung: 81 Prozent halten Investments in diesem Segment für chancenreich. Knapp zwei Drittel sprechen sich für Energieübertragung und -versorgung aus. Dies ist in erster Linie auf die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöste Energiekrise zurückzuführen, die eine weltweit steigende Nachfrage nach Infrastruktur für erneuerbare Energien nach sich gezogen hat.

Insgesamt sind die Investoren aber selektiver geworden, da die Bewertungskorrektur im vergangenen Jahr Performance-Unterschiede deutlich gemacht hat. Besonders auf stark gehebelte Instrumente wird vermehrt verzichtet. Fast die Hälfte der befragten Investoren gab an, in letzter Zeit aufgrund unattraktiver Fremdkapitalstrukturen von Transaktionen in den Bereichen Private Equity (49 Prozent), Immobilien (48 Prozent) und Infrastruktur (43 Prozent) Abstand genommen zu haben.

Stichwort Immobilien: Betongold hat seinen Glanz verloren. Wegen des schwierigen Umfelds im Büro- und Einzelhandelssektor sind Immobilien für die staatlichen Investoren das aktuell unattraktivste Segment der privaten Märkte. Im Gegensatz dazu ist das Interesse an Private Equity nicht erkaltet. Nur 13 Prozent der Investoren sind der Meinung, die Asset-Klasse habe durch die Preiskorrektur an Attraktivität verloren. Während die Mehrheit von 53 Prozent hingegen keinerlei Auswirkungen erkennt, hält mehr als ein Drittel (34 Prozent) sie sogar für attraktiver.

Ohne ESG geht nichts mehr

Das Thema Nachhaltigkeit ist aus den Köpfen und dem Anlageverhalten staatlicher Investoren nicht mehr wegzudenken. Höchste Priorität genießt für sie die Finanzierung der Energiewende. Zwei Drittel der Befragten bezeichnen die Auswirkungen des Klimawandels, 53 Prozent die finanziellen Kosten der Energiewende als zwei der drei größten Risiken für das globale Wachstum im kommenden Jahrzehnt.

Immer mehr Häuser implementieren zudem inzwischen ESG-Richtlinien. Bei den befragten staatlichen Investoren wuchs der Anteil in den vergangenen fünf Jahren von 46 auf 79 Prozent, bei den Zentralbanken von 11 auf 59 Prozent. Angetrieben wurde diese Entwicklung von der Sorge um die Anlagerenditen durch die negativen Auswirkungen der Klimarisiken. 2020 waren die Verbesserung der Rendite sowie die Verringerung des Risikos die Hauptmotivationen für die Einführung von ESG-Maßnahmen. Durch die russische Invasion in der Ukraine rückte die Bedeutung der Energiesicherheit jedoch in den Fokus. Sie hat für einen zusätzlichen Anschub der ESG-Initiativen bei den Investoren gesorgt.

Die Fokussierung auf die Energiewende spiegelt sich auch im Anlageverhalten wider: So setzen Staatsinvestoren stärker auf grüne Infrastruktur und Green Bonds. „Staatliche Investoren mit einem längeren Anlagehorizont ziehen zunehmend Direkt-Investments in Betracht, um die Wirkung ihrer Anlagen zu maximieren“, erläutert Ringrow. „Insbesondere Investment- und Liability-Staatsfonds sowie Staatsfonds mit Entwicklungszielen halten Direktinvestitionen in grüne Infrastruktur für den wichtigsten Ansatz zur Finanzierung der Energiewende.“ Doch immer wieder sehen sich die Befragten bei ihren Investitionen mit Hürden konfrontiert. Eine überwältigende Mehrheit von 89 Prozent hält die Sorgen vor Greenwashing für eine signifikante oder zumindest moderate Herausforderung. Die Datenqualität wird von 85 Prozent genannt, und 78 Prozent beklagen sich über einen Mangel an regulatorischen Standards.

Patrick Daum ist Chef vom Dienst bei dpn-online. Er berichtet über alle Themen rund um das institutionelle Asset Management.

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