Union Investment legt Nachhaltigkeitsstudie vor

72 Prozent der institutionellen Anleger in Deutschland berücksichtigen Nachhaltigkeitskriterien bei der Kapitalanlage – rund ein Zehntel mehr als im Vorjahr. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Investorenbefragung, die Union Investment nun schon seit 10 Jahren durchführt. Allerdings sind die Kenntnisse der Investoren über Klimawirkungen oder EU-Aktionspläne immer noch begrenzt. Und die wirtschaftspolitische Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen hapert noch.

Für die diesjährige Nachhaltigkeitsstudie hat die Fondsgesellschaft von Februar bis Mai 2019 über 200 institutionelle Investoren in Deutschland mit verwalteten Vermögen von insgesamt mehr als 6 Bill. Euro befragt. Allein schon diese breite Anlegerrepräsentanz, von denen fast ¾ Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen, zeigt schon die Bedeutung, die das Thema Nachhaltigkeit heute hat. Und das Volumen nachhaltiger Kapitalanlagen wird nach Meinung der Befragten weiter deutlich wachsen. „Nachhaltigkeit gewinnt massiv an Bedeutung und wird zum Erfolgsfaktor für Asset Manager“, folgert Alexander Schindler, im Vorstand von Union Investment zuständig für das Geschäft mit institutionellen Kunden. Insbesondere Kapitalverwaltungsgesellschaften, kirchliche Anleger und Stiftungen sowie Altersversorger/Pensionskassen investieren bereits überwiegend nachhaltig.

Hauptantrieb für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien sind dabei die Werte des eigenen Unternehmens. Zudem wird die Regulierung als entscheidender Impuls angesehen, sich künftig intensiver mit der nachhaltigen Kapitalanlage zu beschäftigen. Für mehr als die Hälfte der Befragten gilt daneben die Optimierung des Risikomanagements als Einstiegsmotiv.

Interessant sind in diesem Zusammenhang die Einstellungen der Investoren zu Rendite und Risiko. Galt früher der Vorbehalt, dass nachhaltiges Investieren Renditepunkte kostet, gibt es mittlerweile kaum noch Anhaltspunkte dafür: Mehr als 2/3 der Investoren, die sowohl nachhaltig als auch konventionell anlegen, geben an, dass sich die Rendite nachhaltiger Portfolios ähnlich oder sogar besser als die konventioneller Portfolios entwickelt hat. Gleichzeitig sehen sie Risikovorteile. Bei ähnlicher Renditeentwicklung könnten nachhaltige Anlagen somit helfen, Risiken zu reduzieren. Frühere Vorbehalte sind also kaum mehr zu halten.

Und noch ein Vorbehalt – im Zusammenhang mit der aktuellen Klimadebatte – scheint obsolet: nämlich der Verlust von Arbeitsplätzen. Eine Mehrheit der Befragten erwartet jedenfalls nicht, dass mit dem Ziel Deutschlands, bis zum Jahr 2050 weitgehend treibhausgasfrei zu werden, eine Gefährdung von Arbeitsplätzen verbunden ist.

Auf der anderen Seite attestiert die Studie den Investoren allerdings, dass der Kenntnisstand zu nachhaltigen Anlagen „noch durchwachsen“ sei und der Beratungsbedarf folglich hoch sei. So habe zum Beispiel nur eine Minderheit der Befragten Informationen über die Klimawirkung des eigenen Portfolios. Und lediglich ein Drittel der befragten Investoren kenne den von der EU-Kommission im letzten Jahr verabschiedeten Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums in Europa („EU-Aktionsplan“).

 „Die Klimadebatte und der EU-Aktionsplan“, so Schindler, „verleihen dem Thema Nachhaltigkeit zusätzlich Gewicht, doch ist hier offenbar noch Aufklärungsarbeit zu leisten. Nachhaltigkeit ist aber weit mehr als ein Umweltthema und muss in ihrer ganzen Dimension inklusive sozialer und Governance-Aspekte betrachtet werden.“

Und wie nachhaltig ist die Politik?

Auf ihrer Nachhaltigkeitskonferenz 2019 hat die Fondsgesellschaft nicht nur die wirtschaftlichen und finanziellen Aspekte der Nachhaltigkeit angesprochen, sondern auch ihre politische Dimension. Denn die rückt im Zeichen der Klimadebatte immer stärker in den Mittelpunkt. Fehlt der politische Mut, den Strukturwandel, der dazu erforderlich ist, zu gestalten? so die Frage.

Zwei Diskutanten stellten sich auf einer Podiumsdiskussion diesem Thema, Matthias Kopp von der Naturschutzorganisation WWF, der erst kürzlich in den Beirat Sustainable Finance beim Bundesfinanzministerium berufen wurde, und Christian Lindner von der FDP. Wie schon bei anderer Gelegenheit setzte der FDP-Vorsitzende in der Umwelt- und Klimapolitik vor allem auf marktwirtschaftliche Wege. Er erinnerte an den Plan der FDP, die Deutsche Börse mit der Entwicklung eines Index für nachhaltiges Wirtschaften zu beauftragen. Davon könne ein erheblicher Wirtschaftsantrieb ausgehen. Hinsichtlich der Klimaziele setzt die FDP auf den Emissionshandel als zentralem Leitinstrument. Es gehe jetzt darum, den europäischen Emissionshandel zu stärken und auszubauen und „CO2 einen Preis zu geben“, so Lindner. „Je schneller das geschieht, desto kräftiger kann die Wirtschaft darauf reagieren“.

Kopp machte deutlich, dass für ihn das Ziel der Beiratsarbeit nicht darin bestehe, Bürokratie zu schaffen. Vielmehr sehe er die Aufgabe zunächst darin, das künftige Umwelt- und Klima-Risiko sowie das Risiko der wirtschaftlichen Stabilität zu bewerten und mögliche Strategien zu analysieren. Gleichzeitig betonte er aber, dass der Zeitrahmen eng sei und daher die Zeit fehle, nur auf Anreizsysteme zu setzen. Die anstehenden Fragen seien viel zu umfangreich, um auf alle anderen Mittel verzichten zu können. Allein in der CO2-Frage habe man in Deutschland 20 Jahre vertan.

Lindner dagegen: „Wir sollten uns auf ein Instrument konzentrieren, und uns nicht verzetteln.“ In dieser Hinsicht bewertete Lindner den Zertifikatehandel als sachlich und ordnungspolitisch vorteilhaft. Die Bepreisung von CO2-Rechten reiche als Mittel aus. Richtig sei zwar, dass bloße Anreizsysteme nicht ausreichten. Mit dem Preis für CO2 spreche man aber nicht nur über ein Anreizsystem, sondern über ein Knappheitssystem. „Ich glaube nicht“, so Lindner, „dass wir politisch heute richtig abschätzen können, was auf Dauer etwa an Kraftstoffen für den Automobilsektor richtig ist.“ Die dazu erforderliche technische Entwicklung müssten die Unternehmen, sprich der Markt, leisten. Wichtig ist Lindner bei allen Maßnahmen auch die Effizienz der Maßnahmen. Andernfalls sehe er „eine gigantische Interventionsspirale und Umverteilungsmaschinerie“.

Grundsätzlich bestand aber Einigkeit zwischen Kopp und Lindner darin, dass es viel Interesse in der Industrie gebe, technische Lösungen zu entwickeln. Diese Suche nach Lösungen müsse beschleunigt werden.

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