Wir leben in einer scheinbar gleichberechtigten Welt. Doch die Zahlen lehren uns, dass dieser Schein trügt. Frauen verdienen weniger, arbeiten häufiger in Teilzeit und übernehmen den Großteil der unbezahlten familiären Sorgearbeit. Daraus wächst über das Erwerbsleben hinweg eine Rentenlücke, die erst im Alter sichtbar wird: der Gender Pension Gap (GPG). Er ist Ausdruck struktureller Ungleichheit und nicht das Ergebnis einzelner Entscheidungen. Die weitaus meisten Frauen stehen im Ruhestand mit deutlich weniger Einkommen da als Männer. Wer also über Gleichstellung spricht, muss auch über Altersversorgung sprechen. „Die Armut im Alter ist meist weiblich“, sagt die Statistik.
Der GPG gibt an, um wie viel Prozent die Alterseinkünfte der Geschlechter voneinander abweichen. Auffällig: In Westdeutschland beträgt er 47 Prozent, in Ostdeutschland 21 Prozent.(1) Das Statistische Bundesamt stellt fest, dass die Armutsgefährdungsquote ab 65 Jahren insgesamt bei 19,6 Prozent liegt – bei Männern beträgt sie 17,1 Prozent und bei Frauen 21,6 Prozent.(2)
Frauen verdienten im Jahr 2024 im Schnitt 16 Prozent weniger als Männer (3) – eine Gehaltslücke, die auf direktem Weg in eine Rentenlücke führt. Denn je mehr Rentenpunkte im Laufe eines Arbeitslebens angespart werden, desto höher fällt die Rente später aus. Obwohl in Deutschland das Recht „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ gilt, ist dieser Gleichbehandlungsgrundsatz noch nicht vollumfänglich in der Realität angekommen. Der GPG hat sich aber unter anderem dank des Mindestlohns, der besonders Frauen im Niedriglohnsektor zugutekommt, seit 2006 von 22,7 Prozent auf 16 Prozent verringert.
Im Jahr 2024 arbeiteten in Deutschland 29 Prozent (4) aller Erwerbstätigen in Teilzeit – ein neuer Höchststand. Fast jede zweite Frau, aber nur jeder neunte Mann zählte zu dieser Erwerbstätigengruppe. Signifikant hoch war die Quote bei Müttern.
Care-Arbeit – auch Sorgearbeit genannt – umfasst alle Arbeiten rund um Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen, Haushalt, Gartenarbeit und Co. Frauen übernehmen den größten Teil dieser unbezahlten Arbeiten: rund 72 von 117 Milliarden Stunden pro Jahr.(5) Das schränkt ihre Berufstätigkeit und somit ihre Rentenansprüche erheblich ein.
Die Zahlen machen eindrucksvoll deutlich, dass Frauen häufig eine Doppelrolle ausfüllen. Sie befinden sich mit ihren Care-Zeiten weiterhin in einem traditio-nellen Familienmodell, und zusätzlich befinden sie sich in einem Erwerbsmodell, allerdings weiterhin mit vergleichsweise geringer Bezahlung und häufig in Teilzeit. Am langen Ende führen diese Faktoren zu einer deutlich geringeren Rente oder sogar zur Altersarmut.
Die verschiedenen Dimensionen des GPG
Die größten Treiber des GPG lassen sich auf drei Dimensionen herunterbrechen: eine zeitliche, eine monetäre und eine gesellschaftspolitische. Der Weg zur Lösung bringt Stolpersteine mit sich, die beiseitegeschafft werden müssen. Rechts und links am Wegesrand liegen gescheiterte Lösungsansätze, denen man ehrlich begegnen sollte, um aus ihnen zu lernen. Wenn man aber genauer hinschaut und bereit ist, auch über holprige Wege zu gehen, finden sich neue Ideen, die das Ziel erreichbar machen.
Zeitliche Dimension
Die zeitliche Dimension umfasst Lücken in der Erwerbsbiografie aufgrund von begrenzten zeitlichen Ressourcen. Wer neben dem Beruf pflegt oder erzieht, reduziert Arbeitszeit und somit Rentenansprüche.
(Fremd-)Versorgung der Kinder:
Nach der Geburt übernehmen meist die Frauen die erwerbsfreie Elternzeit, während Männer in Vollzeit weiterarbeiten. Nach dieser Phase wollen viele Mütter zurück in den Job, scheitern aber oft an der fehlenden Kinderbetreuung. Ein Mangel an Arbeitskraft, die auch die deutsche Wirtschaft in Zeiten des Fachkräftemangels spürt.
Obwohl seit dem Jahr 1996 der Rechtsanspruch auf eine Betreuung für über Dreijährige und seit 2013 für über Einjährige existiert, fehlen vielerorts Plätze. Kitakosten sind dabei ein weiteres Hindernis: Je höher nämlich das Einkommen des voll erwerbstätigen Mannes ist, desto höher sind oft auch die Gebühren der Kinderbetreuung, die bei Einjährigen schnell 500 bis 1.000 Euro netto im Monat betragen können. Ob und in welcher Höhe Kosten für die Kinderbetreuung erhoben werden, entscheidet primär das Bundesland, welches die Entscheidung regelmäßig der Kommune überlässt. Die Betreuungsdichte in Ostdeutschland liegt je jünger die Kinder sind weiterhin weit über der in Westdeutschland.
Eine Harmonisierung und Stärkung der Betreuungssituation unter Berücksichtigung der Kosten könnte viel bewirken. Hier hat die Politik in den letzten Jahrzehnten wichtige Schritte unternommen, aber ist vornehmlich aus Budgetknappheit in den Kommunen vielerorts stehengeblieben.(6)
Die Teilzeitfalle:
Nach Beendigung der erwerbsfreien Elternzeit kehren Frauen in der Regel mit meist eingeschränkten Karriereoptionen in Teilzeit zurück. Nicht selten bleiben Mütter dauerhaft in Teilzeit. Neben der Betreuungslücke beim Übergang in die Schule finden sich im traditionellen Rollenbild stetig neue Gründe, die eine Rückkehr in Vollzeit verhindern – wie zum Beispiel die Pflege weiterer Familienangehöriger wie Eltern, die steten Aufgaben im Haushalt, die Organisation des Familienalltags oder schlicht die Gewohnheit, zentral alle anfallenden Arbeiten im häuslichen Umfeld zu übernehmen.
Modelle wie die Kurzzeitpflege, die zu einer zeitweisen Entlastung durch eine stationäre Versorgung der zu pflegenden Angehörigen führt, setzen gute Impulse. Die erforderliche Flankierung der Pflegerente in der gesetzlichen Rentenversicherung vermag den erforderlichen finanziellen Ausgleich gegenüber einer vollen Erwerbstätigkeit indes nicht leisten. Die Hürden sind hoch: Die Pflegeperson muss neben weiteren Voraussetzungen gewisse Mindestpflegezeiten nachweisen und darf neben der Pflege nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich arbeiten – eher ein Weg in die Teilzeit als aus ihr heraus.
Für die vieldiskutierte Mütterrente gilt Ähnliches. Seit 2014 gibt es sie in der gesetzlichen Rentenversicherung als Honorierung von Kindererziehungszeiten und als Ausgleich für eingeschränkte Erwerbstätigkeit nach der Geburt eines Kindes. Im Jahr 2019 wurde die Mütterrente erstmals reformiert: Für jedes vor 1992 geborene Kind werden bis zu 2,5 Kindererziehungsjahre auf dem Rentenkonto gutgeschrieben. Für seit 1992 geborene Kinder gibt es bis zu drei Erziehungsjahre und drei Entgeltpunkte. Mit dem Rentenpaket 2025 wird eine zweite Reform angestrebt, allen Eltern unabhängig vom Geburtsjahr drei Jahre anzuerkennen. Also ein halbes Jahr mehr und damit rund 20 Euro mehr Rente pro Kind und Monat – ein politisches Signal, jedoch keine strukturelle Reform.
Neben diesen finanziellen Impulsen des Staates können gerade Arbeitgeber wichtige Impulse für mehr Vollzeitbeschäftigung bei Frauen setzen mit flexiblen Arbeitszeiten, Jobsharing-Modellen und einer familienfreundlichen Kultur. Aber auch Familien selbst müssen Rollen neu definieren und verteilen.
Viele Frauen arbeiten aus Mangel an Zeit zudem nicht nur in sozialversicherungspflichtiger Erwerbsteilzeit, sondern auch in sozialversicherungsfreien Minijobs.(7) Kurzfristig bringt das Geld in die Haushaltskasse der Familie, langfristig aber meist kein Geld in die Rentenkasse der Frau. Über 80 Prozent aller Minijobber lassen sich von der Rentenversicherungspflicht befreien. Diese Escape-Möglichkeit sollte anhand der plakativen Zahlen jedenfalls überdacht werden. (8)
Monetäre Dimension
Die monetäre Dimension beinhaltet die Entstehung oder Ausweitung der Versorgungslücke aufgrund von „finanziellen“ Auslösern wie dem Gender Pay Gap. Die zeitliche Dimension verstärkt ihren Effekt.
Ehegatten- und Rentensplitting(9):
Das 1958 in Deutschland eingeführte Ehegattensplitting optimiert die Steuerlast, wenn ein Partner deutlich mehr verdient als der andere. So profitieren vor allem Familien mit einem Hauptverdiener. Klassische Rollenmodelle und der GPG werden so weiter verstärkt. Familien in finanziell belastenden Phasen zu entlasten, ist zwar sinnvoll, doch sollte die Regelung im Hinblick auf das Ziel echter Gleichberechtigung kritisch geprüft werden.(10)
Das im Jahre 2002 eingeführte Rentensplitting zielt demgegenüber gerade auf eine gleichmäßige Verteilung der in der Ehezeit erworbenen Rentenansprüche ab, um auszugleichen, dass ein Partner meist mehr angesammelt hat als der andere. In der Praxis wird es jedoch selten genutzt. Gründe sind der Verlust der Hinterbliebenenversorgung, die Beschränkung auf Ehen ab 2002 und auf Geburtsjahrgänge nach 1962. Eine Reform oder Ausweitung dieses Instruments stand bisher nicht im Fokus der Rentenpolitik; im Koalitionsvertrag und auch im geplanten Rentenpaket der Regierung sucht man vergeblich. In der Schweiz hingegen ist das Rentensplitting obligatorisch und trägt wirksam zur Rentengleichheit bei.
Die betriebliche Altersversorgung (bAV)
Eigenbeiträge zur bAV in entgeltlosen Zeiten:
Die bAV ist die zweite Säule der Alterssicherung in Deutschland. Der Gesetzgeber hat zielgerichtet zu ihrer Stärkung mit § 1a Absatz 4 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) die Möglichkeit geschaffen, eine bestehende bAV in entgeltlosen Zeiten mit eigenen Beiträgen fortzuführen und damit eine Leistungsminderung durch ausbleibende Beitragszahlungen abzufedern.
Die elementare Frage ist dabei jedoch, ob Eigenbeiträge in Zeiten einer ruhenden Beschäftigung ohne Arbeitseinkommen finanzierbar sind. Insbesondere bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis aufgrund von Care-Zeiten fehlt ein sozialer Ausgleich. Mit der Möglichkeit, Eigenbeiträge einzuzahlen, wurde ein erster Schritt geschaffen. Der zweite Schritt, eine staatliche Förderung, fehlt noch. Der Staat könnte Eigenbeiträge entsprechend subventionieren. Zum Beispiel könnten analog zur Geringverdienerförderung nach § 100 Einkommensteuergesetz (EStG) Beiträge bis zu einem zu definierenden Maximalbetrag subventioniert werden.
Die Nutzung von „Opting-out-Modellen“ nach dem BRSG II:
Seit 2018 kann gemäß § 20 Absatz 2 BetrAVG tarifvertraglich die automatische Teilnahme an einer Entgeltumwandlung geregelt werden („Opting-out“). Es gilt das Prinzip: Wer nicht widerspricht, nimmt automatisch teil.
Dem bzw. der Mitarbeitenden wird ein Angebot auf die Umwandlung von Entgeltteilen unterbreitet, was als angenommen gilt, wenn er/sie nicht innerhalb bestimmter Fristen widerspricht. Diese Möglichkeit des Opting-outs soll auf Basis des Gesetzesentwurfs zum BRSG II nun grundsätzlich auch ohne tarifvertragliche Grundlage in einer Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung geregelt werden. Voraussetzung dafür ist: Der Arbeitgeber gewährt mindestens 20 Prozent des umgewandelten Entgelts als Arbeitgeberzuschuss, und die zugrundeliegenden Entgeltansprüche dürfen nicht – auch nicht üblicherweise – in einem einschlägigen Tarifvertrag geregelt werden.
Das Opting-out wurde im Vergleich zum ursprünglichen Referentenentwurf durch die Beschränkung auf Entgeltansprüche außerhalb der einschlägigen Tariflandschaft stark eingeschränkt. Dies führt in der Praxis von vorneherein zu einer starken Limitierung. Ein Modell, das gerade in kleinen Unternehmen und in niedrig bezahlten Branchen den gewünschten Anstieg der bAV fördern könnte, wird bei vielen Arbeitnehmergruppen nicht ankommen.
Geringverdienerförderung nach § 100 EStG – stark und unterschätzt:
Mit § 100 EStG soll die bAV für Menschen mit geringem Einkommen gefördert werden. Gewährt der Arbeitgeber einen Beitrag von mindestens 240 Euro bis zu 960 Euro jährlich an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung, so wird dieser mit 30 Prozent – maximal 288 Euro – staatlich gefördert. Voraussetzung ist derzeit ein Einkommen bis maximal 2.575 Euro monatlich. Der Förderbetrag wird über die Lohnsteuermeldung abgesetzt.
Mit dem BRSG II soll die Geringverdienerförderung zum 1. Januar 2027 verbessert werden. Der Förderbetrag soll von 288 auf 360 Euro erhöht werden. Der Fördersatz von 30 Prozent bleibt bestehen, so dass der maximal förderfähige Arbeitgeberbeitrag von 960 auf 1.200 Euro angepasst würde. Die Einkommensgrenze wird zukünftig dynamisiert und darf nicht mehr als 3 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung betragen (2025 = 2.898 Euro monatlich). Offen ist allerdings, ob und wann das Gesetz in Kraft tritt.
Dieses starke Instrument zur Förderung der bAV für kleine Unternehmen und Branchen mit geringen Einkommen bedarf einer stärkeren Verbreitung. Gerade die dort häufig tätigen Frauen können von ihm profitieren. Der Vorstoß zur Ausweitung und die eingeführte Dynamik sind zu begrüßen und können einen wertvollen Beitrag zur Schließung des GPG beitragen.(11)
Riester-Rente als „Frauenrente“?
Die Riester-Rente wird als meist private Altersversorgung gefördert durch Grund- und Kinderzulagen sowie steuerliche Vorteile. Sie wurde 2002 eingeführt, um das sinkende Niveau der gesetzlichen Rente insbesondere bei unterbrochenen Erwerbsbiografien, wie sie bei Frauen häufig vorkommen, abzumildern.
Neben einer Grundzulage von 175 Euro per annum gibt es eine Kinderzulage von 300 Euro pro Kind und Jahr, solange ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Die Kinderzulage wird in aller Regel dem Elternteil zugeordnet, der das Kindergeld erhält. Dies kann grundsätzlich Vater oder Mutter sein, bei geschiedenen Ehepaaren ist es derjenige, der das Kind in seinem Haushalt versorgt und betreut. Bei Elternpaaren, die miteinander verheiratet sind und nicht dauerhaft voneinander getrennt leben, wird die Kinderzulage automatisch der Mutter zugeordnet. Je mehr Kinder, desto höher die Förderung.
Nach einer Auswertung des Bundesfinanzministeriums aus dem Mai 2024 (12) gibt es 8,4 Millionen Riester-geförderte Personen, davon 42 Prozent Männer und 58 Prozent Frauen. 3,4 Millionen erhalten eine Kinderzulage, 82 Prozent davon gehen an Frauen. Obwohl die Förderung gerade für Frauen mit mehreren Kindern lohnend ist, hat die Riester-Rente keinen guten Ruf – vielleicht aufgrund von unflexiblen und bürokratischen Regelungen, vielleicht aufgrund von hohen Kosten und wenig Transparenz.
Schaffung einer Entgelttransparenz bei den Geschlechtern
Die divergierenden Erwerbseinkommen von Frauen und Männern wurden vorstehend geschildert (Gender Pay Gap). Bereits mit Wirkung zum 6. Juni 2023 ist die europäische Entgelttransparenzrichtlinie in Kraft getreten. Sie soll sicherstellen, dass in den Mitgliedsstaaten Lohngleichheit für gleichwertige Arbeit gewährleistet wird. Konkret sollen Arbeitgeber künftig verpflichtet sein, Beschäftigten Informationen über das Durchschnittsgehalt von Mitarbeitenden des anderen Geschlechts für gleiche oder gleichwertige Arbeit zugänglich zu machen. Darüber hinaus müssen Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden regelmäßig über ihr geschlechtsspezifisches Lohngefälle berichten.
Eine Umsetzung in nationales Recht der Mitgliedsstaaten ist bis zum 7. Juni 2026 vorgesehen mit dem Ziel, „Equal Pay“ durch Transparenz zu schaffen.
Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) in der Rentenphase
Die Idee eines BGE, also eines monatlichen Einkommens ohne Gegenleistung, wird in Deutschland seit den Reformjahren unter Schröder diskutiert. Konzepte gibt es viele. Doch laut einem Gutachten des Finanzministeriums (2021) (13) wäre ein BGE für alle Bürger derzeit unbezahlbar. Als Modell explizit für die Rente könnte es dennoch interessant sein: Es würde eine Grundsicherung außerhalb der hohen Hürden der „Grundrente“ bieten und Unterschiede bei Lebenshaltungskosten abmildern. Kritisch bleibt, ob damit mehr als eine bloße Existenzsicherung erreicht wird. Befürworter sehen darin auch einen Schritt zu mehr Geschlechtergerechtigkeit.
Gesellschaftspolitische Dimension
Die gesellschaftspolitische Dimension zeigt auf, wo Wege geschaffen werden müssen und wo ein Umdenken in der Gesellschaft erfolgen muss, um eine Lösung aufzuzeigen.
Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz (Artikel 3 Absatz 2 Satz 1 GG):
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Der Staat muss Nachteile beseitigen. Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine Lücke, wie die Zahlen belegen. Der GPG zeigt, wie hartnäckig alte Strukturen fortwirken. Gesetze allein schließen diese Lücke nicht. Es braucht auch ein gesellschaftliches Umdenken und somit ein anderes Verständnis von Erwerbs- sowie Sorgearbeit und Alterssicherung in Deutschland.
Sozialpartnermodell (SPM) in der bAV:
Das SPM ist eine Form der bAV, bei der Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsame Modelle aushandeln. Kennzeichnend ist die reine Beitragszusage. Arbeitgeber stehen für die Zahlung des Beitrags ein, haften aber nicht für eine bestimmte Rentenhöhe („pay and forget“).
Mit dem Gesetzesentwurf zum BRSG II soll der Zugang zum Sozialpartnermodell erleichtert werden. Vorgesehen sind Andockmöglichkeiten, die es Unternehmen und Beschäftigten erlauben, an bestehenden Modellen teilzunehmen. Vor-aussetzung bleibt allerdings ein Tarifvertrag, was den Kreis der Nutzenden stark einschränkt.
Eine Öffnung der reinen Beitragszusage auch für nichttarifgebundene Arbeitgeber erfolgt nicht. Selbst wenn Beschäftigte mithin bereit wären, auf Garantien zu verzichten, bleibt ihnen und ihren Arbeitgebern diese Form der bAV verschlossen. Sie werden vom Staat „geschützt“. Damit können gerade kleinere Unternehmen mit nichttarifgebundenen Beschäftigten kein SPM nutzen. Für Gruppen mit geringeren Einkommen, die ohnehin seltener Zugang zu einer bAV haben, bleibt die Versorgungslücke bestehen.
Vorsorge durch Finanzbildung:
Finanzbildung ist bislang kein fester Bestandteil des Lernplans an öffentlichen Schulen. Doch ohne Grundwissen über Verträge, Geldanlage oder Altersvorsorge fehlt die Basis für ökonomische Selbstbestimmung. Solche Kenntnisse sollten früh in Schule oder Ausbildung vermittelt werden.
Finanzielle Bildung ist die Basis für ökonomische Teilhabe und Chancengerechtigkeit, so auch das Bundesministerium für Bildung, Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMBF). Aus dieser Überzeugung heraus haben das Finanzministerium und das BMBF im Jahr 2023 die Initiative „Finanzielle Bildung“ ins Leben gerufen mit dem Ziel, eine nationale Finanzbildungsstrategie zu entwickeln. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat darüber hinaus im Mai 2024 eine Bestandsaufnahme der Finanzbildung in Deutschland veröffentlicht und eindeutige Lücken in der Finanzbildung im Allgemeinen und bei Frauen im Speziellen aufgezeigt. (14)
Gefordert wird eine gezieltere Ansprache von Bevölkerungsgruppen, um Wissen systematisch zu verbreiten und das Niveau insgesamt zu heben. Im Zentrum stehen Themen wie langfristiges Sparen, Kapitalmarktkompetenz, Haushaltsplanung, Überschuldung, Kredite, digitale Finanzkompetenz und Nachhaltigkeit. Wie die Umsetzung konkret aussehen wird, ist offen. Klar ist nur: Ohne bessere Finanzbildung bleibt auch der GPG bestehen.
Partnerschaftliche Rentenmodelle (schwedisches Modell):
Das schwedische Rentensystem kombiniert einkommensabhängige Altersvorsorge mit individuellen Rentenkonten. Besonders die Premium Pension, deren Beiträge auf persönliche Fondskonten eingezahlt und freiwillig an Partner übertragen werden können, unterstützt partnerschaftliche Altersabsicherung. Das System ist breit aufgestellt. Es gibt eine garantierte Mindestrente und in vielen Branchen eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung. Entscheidend ist jedoch die Flexibilität. Unterschiedliche Erwerbsbiografien werden berücksichtigt, freiwillige Übertragungen gleichen Lücken aus.
Ein solcher Ansatz würde in Deutschland die Eigenständigkeit von Rentenansprüchen stärken und zugleich strukturelle Ungleichheiten von geschlechtsspezifischen Einkommensunterschieden bis hin zur Grundsicherung abfedern.
Fazit
Der GPG ist ein gesamtsoziales Problem. Er trifft die Wirtschaft, den Staat und jeden Einzelnen. Er ist keine abstrakte Zahl, sondern eine Realität, die das Leben vieler Frauen im Alter prägt. Der erste Schritt auf dem Weg zur Veränderung ist ein klares Bewusstsein für die aktuelle Situation: Teilzeit, Care-Verpflichtungen und Einkommensunterschiede wirken sich direkt auf die eigene Rente aus. Finanzschulungen in Schule, Ausbildung und am Arbeitsplatz können hier sofort ansetzen. Sie schaffen Orientierung und legen die Grundlage für eigenständige Entscheidungen.
Der GPG ist kein Naturgesetz, sondern er ist veränderbar, wenn wir den Weg zum Ziel echter Gleichstellung konsequent und gemeinsam gehen. Die Roadmap umfasst vier Stufen:
- Bewusstsein schaffen: Die Klarheit über die Auswirkungen des Erwerbslebens auf die eigene Altersversorgung ist die Basis. Schon einfache Informationsangebote und praxisnahe Finanzschulungen können hier große Wirkung entfalten.
- Bestehende Chancen nutzen: Instrumente wie die Geringverdienerförderung in der bAV oder Kinderzulagen in der Riester-Rente sind bereits vorhanden. Werden sie konsequent eingesetzt, lassen sich Lücken verringern. Arbeitgeber können ergänzend dazu mit familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen oder Jobsharing schnell wirksame Impulse setzen. Mit diesen vergleichsweise einfachen Mitteln sind die ersten Schritte schnell gegangen.
- Strukturelle Reformen umsetzen: Mittelfristig und zum Erreichen des Ziels bedarf es jedoch auch Änderungen im Steuer- und Rentenrecht: Die Anpassung des Ehegattensplittings, eine verbindlichere Ausgestaltung des Rentensplittings sowie stärkere Anreize für Vollzeitbeschäftigung wären wünschenswert. Umfassende Reformen erfordern politische Abstimmung und Einigkeit, bieten aber das Potential für nachhaltige Gleichstellung.
- Gesellschaftliches Umdenken fördern: Langfristig muss zudem die Care-Arbeit sichtbarer und gerechter verteilt werden. Eine verlässliche Pflegeinfrastruktur oder partnerschaftliche Rentenmodelle nach schwedischem Vorbild sind Beispiele für neue Wege, die familiäre Lasten breiter verteilen und Altersarmut vorbeugen können.
Quellen:
1 WSI Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung, GPG bei eigenen Alterssicherungsleistungen 1992-2023. Abgerufen am 30. Juli 2025 von Gender Pension Gap bei eigenen Alterssicherungsleistungen 1992–2023 – Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut
2 Statista (o. D.). Armutsgefährdungsquote von Senioren in Deutschland nach Geschlecht im Jahr 2024. Abgerufen am 7. August 2025, von https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1447393/umfrage/armutsgefaehrdungsquote-von-senioren-nach-geschlecht/
3 Statistisches Bundesamt (13. Februar 2025). Pressemitteilung Nr. 056. Abgerufen am 30. Juli 2025, von Gender Pay Gap sinkt 2024 im Vergleich zum Vorjahr von 18 % auf 16 % – Statistisches Bundesamt
4 Statistisches Bundesamt (19. Mai 2025). Pressemitteilung Nr. 175. Abgerufen am 30. Juli 2025, von https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2025/05/PD25_175_13.html
5 Prognos (2024). Der unsichtbare Wert von Sorgearbeit. Abgerufen am 30. Juli 2025, von https://www.prognos.com/sites/default/files/2024-02/240227_Prognos_Der%20unsichtbare%20Wert%20von%20Sorgearbeit.pdf
6 Statistisches Bundesamt (14. Oktober 2021). Pressemitteilung Nr. 483. Abgerufen am 6. August 2025, von https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/10/PD21_483_73.html#:~:text=Bei%20einem%20Einkommen%20von%20weniger,Kinder%20(49%20%25)%20beitragspflichtig%20betreut
7 Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (1. April 2025). Anteil der Frauen und Männer im Alter von 30 bis unter 55 in ausschließlich geringfügiger Beschäftigung (Minijobs) nach Ländern. Abgerufen am 6. August 2025, von https://daten.bmbfsfj.bund.de/daten/daten/anteil-der-frauen-und-maenner-im-alter-von-30-bis-unter-55-in-ausschliesslich-geringfuegiger-beschaeftigung-minijobs-nach-laendern-131884
8 Deutsche Rentenversicherung (9. März 2021). Rentenbeiträge bei Minijobs: Kleiner Beitrag, große Wirkung. Abgerufen am 30. Juli 2025, von https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Ueber-uns-und Presse/Presse/Meldungen/2021/210309_rententipp_minijob.html
9 Deutsche Rentenversicherung (2022). 20 Jahre Rentensplitting in der gesetzlichen Rentenversicherung – Ein unterschätztes Instrument für mehr Rentengleichheit zwischen Frauen und Männern. RVaktuell 1/2022. Abgerufen am 30. Juli 2025, von https://rvaktuell.de/01-2022/20-jahre-rentensplitting-in-der-gesetzlichen-rentenversicherung-ein-unterschaetztes-instrument-fuer-mehr-rentengleichheit-zwischen-frauen-und-maennern/
10 Deutsche Rentenversicherung (o. D.). Rentensplitting – Rentenansprüche partnerschaftlich teilen. Abgerufen am 30. Juli 2025, von https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Rente/Familie-und-Kinder/Rentensplitting/rentensplitting_node.html
11 Statistisches Bundesamt (o. D.). Arbeitgeber, Arbeitnehmer (bAV-Förderbetrag): Deutschland, Jahre, Betriebsgrößenklassen. Abgerufen am 6. August 2025, von https://www-genesis.destatis.de/datenbank/online/statistic/73151/table/73151-0002
12 Bundesministerium der Finanzen (15. November 2024). Statistische Auswertungen zur Riester-Förderung. Abgerufen am 23. Juli 2025, von https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Steuerliche_Themengebiete/Altersvorsorge/2024-11-15-Statistik-Riester-Foerderung-bis-2023.html
13 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (2021). Gutachten 02/2021 vom 21. Juli 2021 zum bedingungslosen Grundeinkommen. Abgerufen am 23. Juli 2025, von https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Ministerium/Wissenschaftlicher-Beirat/Gutachten/bedingungsloses-grundeinkommen.pdf?__blob=publicationFile&v=1
14 Bundesministerium für Finanzen (24. Mai 2024). OECD-Bestandsaufnahme zur Finanzbildung in Deutschland. Abgerufen am 5. August 2025, von https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/Ausgabe/2024/05/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-3-oecd-zur-finanzbildung-in-deutschland.html#doc400686bodyText2
