Das aba Forum Arbeitsrecht lud Juristinnen und Juristen Mitte März zum jährlichen Update nach Mannheim ein. Peter Görgen vom BMAS gab in seinem Vortrag einen Überblick über den Inhalt des kommenden zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetzes. Vieles darin dreht sich um das Sozialpartnermodell.
„Ich hätte Ihnen gern den Gesetzentwurf mitgebracht, damit wir heute am Text weiterarbeiten können“, begrüßte der Leiter des Referats „Zusätzliche Altersversorgung“ im Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Auditorium. „Wir sind aber noch auf der Arbeitsebene mit dem Bundesfinanzministerium zugange, und das ist aufwendig.“ Ein Grund dafür: Die Inhalte des künftigen zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetzes berühren neben dem Arbeitsrecht und dem Steuerrecht auch das Finanzaufsichtsrecht. Das macht die Arbeit am Gesetzentwurf komplex.
Görgen gibt sich optimistisch
Entgegen mancher Unzufriedenheit mit dem regulatorischen Fortschritt und der Marktdurchdringung der bAV verbreitet Peter Görgen eine Prise Optimismus. „Die Durchdringung der bAV unter den Beschäftigten steigt nominal, wie uns unsere regelmäßigen Befragungen zeigen.“ Dass der prozentuale Anteil der Beschäftigten mit bAV-Anwartschaften nicht wachse, habe mit der gleichzeitig zunehmenden Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland zu tun. „Zielvorgaben in Prozent der Bevölkerung sind immer schwierig und führen zwangsläufig zu Unzufriedenheit, wenn Zielmarken verfehlt werden“, so Görgen. Von den aktuellen 56 Prozent bAV-Durchdringung ausgehend, könnten 85 Prozent ein sinnvolles langfristiges Ziel sein. „Die OECD hat diese Zahl mal vor Jahren für das Betriebsrentensystem eines Landes mit einem Quasi-Obligatorium genannt.“ Ein Obligatorium werde es in Deutschland aber in dieser Legislaturperiode nicht geben, sondern es bleibe das Prinzip der Freiwilligkeit. „Derzeit können wir also nur die Rahmenbedingungen für die bAV verbessern.“
Vor allem geht es um praktikable Lösungen für Beschäftigte in kleinen Unternehmen und im Niedriglohnsektor. Mit dem Sozialpartnermodell verbindet Peter Görgen die Hoffnung, die Abdeckung von kleineren Betrieben und Beziehern von geringeren Einkommen mit einer bAV zu erhöhen. „Natürlich haben die ersten Jahre des Sozialpartnermodells enttäuscht“, räumt der Ministeriale ein. „Schön wäre es, wenn es in allen drei großen Wirtschaftsbereichen, für die die Gewerkschaften ver.di, IG BCE und IG Metall zuständig sind, ein Sozialpartnermodell gäbe.“ Die Ablehnung des Sozialpartnermodells durch die IG Metall nennt er ein „kommunikatives Desaster“.
Görgen mahnt Gewerkschaften zur Umsicht
Görgen kritisiert weiter die Gegner des Sozialpartnermodells auf der Gewerkschaftsseite für ihr Vorhaben, dass Beschäftigte freiwillige Altersvorsorge über die Gesetzliche Rentenversicherung betreiben sollten. Gewerkschaftler beziehen sich dabei auf einzelne Tarifverträge, laut denen Beschäftigte ab 50 Jahren freiwillig zusätzlich in die GRV einzahlen können. Konkret geht es um § 187a SGB VI zur Zahlung von Beiträgen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters. Demnach können Rentenminderungen, die durch die vorzeitige Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters entstehen, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze durch Zahlung von Beiträgen ausgeglichen werden. Berechtigt sind aber nur Personen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. „Für Jüngere gilt diese Regelung nicht“, betont Görgen. „Die Gewerkschaften sollten sich gut überlegen, ob sie auch künftig solche Tarifverträge nur für Personen über 50 abschließen wollen.“
Für den bAV-Experten und sein Ministerium ist die Frage zentral, wie sich die bestehenden Sozialpartnermodelle in der Breite ausrollen lassen. Dabei widerspricht Görgen dem vereinzelt geäußerten Vorschlag, die Einschlägigkeit eines Tarifvertrags zu streichen. „Wenn sich jeder Arbeitgeber und jeder Beschäftigte an irgendein anderes bestehendes Sozialpartnermodell andocken könnten, dann ginge mir das zu weit.“ Dann drohten Kollateralschäden an bestehenden tarifvertraglichen bAV-Modellen wie der DEHOGA-Betriebsrente, weil viele Arbeitgeber allein an die eigene Haftungsbefreiung denken würden. „Das gäbe einen Aufschrei unter den Gewerkschaften.“ Tarifrechtlich müsse das Kriterium der Einschlägigkeit fortbestehen.
Somit wird das kommende zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz zwar das Sozialpartnermodell weiterentwickeln, aber auch Bedenken berücksichtigen. „An dieser Stelle brauchen wir eine gute Kommunikation für den Gesetzentwurf, damit die Parlamentarier auch seinen Hintergrund und die Details verstehen“, betont Görgen. So sind verschiedene Weg einer Öffnung eines bestehenden Sozialpartnermodells für andere Branchen und Tarifpartner denkbar. Vorausgesetzt, die Sozialpartner stimmen einer Öffnung ihres bestehenden Modells zu, könnten weitere Tarifparteien ihre Umsetzungsverantwortung auf jene übertragen. Eine weitere Option wäre eine Öffnung eines bestehenden Sozialpartnermodells für weitere Branchen, für die eine Gewerkschaft wie die IG BCE zuständig ist, zum Beispiel Energie und Keramik. Die IG BCE übernimmt bereits Verantwortung für das Sozialpartnermodell der chemischen Industrie. Am Ende seines Vortrags zeigt sich Peter Görgen zuversichtlich, dass der Gesetzentwurf im Mai oder Juni ins Bundeskabinett geht und in der zweiten Jahreshälfte beschlossen werden kann.
Dr. Guido Birkner ist Chefredakteur von dpn – Deutsche Pensions- und Investmentnachrichten. Seit dem Jahr 2000 ist er für die F.A.Z.-Gruppe tätig. Zunächst schrieb er für das Magazin „FINANCE“, wechselte dann als Studienautor 2002 innerhalb des F.A.Z.-Instituts zu den Branchen- und Managementdiensten, später zu Studien und Marktforschung. Von 2014 bis 2020 verantwortete er redaktionell den Bereich Human Resources in der F.A.Z. BUSINESS MEDIA GmbH. Seit Juli 2019 gehört er der dpn-Redaktion an.

