Seit Beginn der Zeitrechnung waren Versicherungen immer die größte Anteilseignergruppe. 2022er-Jahresendspurt beim Nettomittelaufkommen bleibt aus: Wohin ist die Differenz zwischen Mittelzuflüssen und Nettomittelaufkommen in Höhe von 235 Milliarden Euro geflossen?

Im Dezember 2022 gab es am deutschen Spezialfondsmarkt ein historisches Ereignis. Altersvorsorgeeinrichtungen haben Versicherungen als größte Investorengruppe abgelöst. “Wir haben in den letzten zehn Jahren angesichts des dynamischen Wachstums des Spezialfondsgeschäfts von Altersvorsorgeeinrichtungen diverse Male prognostiziert, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie Versicherungen beim Spezialfondsvolumen überholen. Jetzt ist es tatsächlich passiert und kann als historischer Meilenstein gewertet werden,” kommentiert Clemens Schuerhoff, Vorstand beim Beratungsunternehmen Kommalpha. Insgesamt blieb aber ein Jahresendspurt im Nettomittelaufkommen aus, trotz „extrem hoher Dotierungen von frischer Liquidität“, wie Kommalpha berichtet. Das mäßige Ergebnis der Netto-Cashflows für das gesamte Jahr 2022 begründet sich im schwächelndem Spezialfondsgeschäft von privaten Organisationen ohne Erwerbszweck, Corporates sowie Kreditinstituten und Sozialversicherungen & öffentlichen/kirchlichen Zusatzversorgungseinrichtungen.

Das Spezialfondsvolumen von Altersvorsorgeeinrichtungen lag per Ende Dezember 2022 bei 530,4 Milliarden Euro. Für Versicherungen wurden zum gleichen Zeitpunkt 525,9 Milliarden Euro in Spezialfonds administriert. Der Wechsel an der Spitze des Volumenrankings wurde durch die Änderung des Zinszyklus Anfang 2022 eingeleitet, wo die Spezialfondsvolumina von Versicherungen deutlich stärker abnehmen als die von Altersvorsorgeeinrichtungen. Grund dafür ist die stärkere Zinssensitivität der vergleichbar bondslastigeren Kapitalanlagen von Versicherungen in Spezialfonds. “Lange Durationen beschleunigen die negativen Bewertungseffekte bei Versicherungen. Altersvorsorgeeinrichtungen sind aufgrund geringerer Bondsbestände sowie höherer Quoten in nicht zinskorrelierte Kapitalanlagen wie Alternative Investments oder Real Estate von den Bewertungseffekten durch die Zinssteigerung weniger betroffen.” so Schuerhoff weiter.

Insgesamt wurden im Jahresschlussquartal 2022 lediglich 11,9 Milliarden Euro netto in Spezialfonds dotiert. Dieses Ergebnis ist vergleichsweise schwach, da das vierte Quartal in den vergangenen Jahren immer das mit Abstand stärkste Quartal hinsichtlich des Nettomittelaufkommens war. Die Zuflüsse von frischer Liquidität waren dagegen im vierten Quartal 2022 mit 103,2 Milliarden Euro bemerkenswert hoch. Die schon seit längerer Zeit zu beobachtende hohe Umschlagshäufigkeit von Spezialfondsanteilen im Sinne der Differenz von Mittelzuflüssen und Nettomittelaufkommen hat sich im vierten Quartal 2022 noch einmal erhöht. Nur rund jeder zehnte Euro frische Liquidität verblieb netto in Spezialfondsmandaten. Der Rest wurde dem Spezialfondsmarkt wieder entzogen, in Summe rund 91 Milliarden Euro. Das ist ein extrem hoher Wert. Die Anteilscheindynamik im Spezialfondsgeschäft war noch nie so hoch wie im vierten Quartal 2022. Das Nettomittelaufkommen von deutschen Spezialfonds beträgt im gesamten Jahr 2022 knapp 73 Milliarden Euro. Damit wird das sehr hohe Niveau des Vorjahres nicht erreicht, sondern um immerhin fast 44 Milliarden Euro unterschritten.

Private Organisationen ohne Erwerbszweck liegen mit einem Nettomittelaufkommen von 8,5 Milliarden Euro in 2022 knapp 20 Milliarden Euro deutlich unter ihrem Vorjahreswert aus 2021, Corporates mit nur 1,3 Milliarden Euro Nettomittelaufkommen verfehlen ihr Vorjahresergebnis um satte 10 Milliarden Euro. Kreditinstitute weisen ein Nettomittelaufkommen von 14,2 Milliarden Euro in 2022 auf und liegen 3,5 Milliarden Euro unter ihrem Pendant aus 2021. Die beiden größten Anteilseignergruppen Altersvorsorgeeinrichtungen und Versicherungen liegen beim Nettomittelaufkommen in 2022 relativ gering unter ihren Vorjahreswerten. Spezialfonds von Altersvorsorgeeinrichtungen sammelten in 2022 rund 36 Milliarden Euro netto ein, Versicherungen dotierten 11,9 Milliarden Euro netto in ihre Spezialfondsmandate.

Die Differenz zwischen Mittelzuflüssen und Nettomittelaufkommen beträgt 2022 rund 235 Milliarden Euro. Im Vorjahr 2021 betrug dieser Wert noch 168 Milliarden Euro. Bleibt die spannende Frage, wo dieser enorme Betrag von 235 Milliarden Euro hin ist? Es gibt keinerlei Daten über eine Verwendungsrechnung. Die Einschätzung von Kommalpha ist, dass Allokationen außerhalb des Spezialfondsmantels (Luxemburg, Direktanlage etc.) sowie der Einsatz für betriebliche und bilanzielle Zwecke die Hauptgründe dieser Liquiditätsabschöpfung aus dem Spezialfondsmarkt sind.

 

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