Im Markt für internationale Vermögensverwaltung, der 2020 um über 10 Prozent gewachsen ist, bleibt die Schweiz die Nummer eins. Kein anderes Land zieht mehr Geld von internationalen Privatkunden an. Diese Position gilt es zu verteidigen.

Die führenden internationalen Vermögensverwaltungszentren schnitten während der Covid-19-Pandemie überraschend gut ab. Mit einem Wachstum von 10,6 Prozent wies die Vermögensverwaltung 2020 das stärkste Wachstum der letzten zehn Jahre auf. Das Wachstum lag damit auch deutlich über dem gewichteten Vierjahresdurchschnitt von 4,8 Prozent. Die Vermögensverwalter profitierten dabei vom Umstand, dass die Anleger dazu tendierten, ihre Vermögenswerte in Märkte umzuschichten, die als «sichere Häfen» gelten, weil sie sich durch eine grössere politische und finanzielle Stabilität sowie durch ein besseres Serviceangebot auszeichnen. Auch die zunehmende Konzentration der Vermögen weltweit wirkte sich positiv auf die internationalen Vermögensverwaltungsmärkte aus, da vermögende Privatpersonen in der Regel einen erheblichen Teil ihres Vermögens ausserhalb ihres Wohnsitzlandes halten. Dies geht aus dem «International Wealth Management Centre Ranking» 2021 von Deloitte hervor.

Schweiz ist bei den global verwalteten Vermögen führend

Die Schweiz ist mit 2,6 Billionen US-Dollar an internationalen Vermögenswerten weiterhin führend, gefolgt von Grossbritannien und den USA an zweiter und dritter Stelle. Während die Spitzenpositionen relativ stabil blieben, konnten die USA, Grossbritannien und Luxemburg aufgrund ihres dynamischen Wachstums und der starken Erholung nach dem ersten Covid-19-Schock aufholen. Die Schweiz hingegen erreichte ein Wachstum von 7,3 Prozent – ein Ergebnis, das unter der gewichteten durchschnittlichen Wachstumsrate von 10,6 Prozent aller Vermögensverwaltungszentren liegt, und sie beim Volumenwachstum nur auf Platz sechs, knapp vor Hongkong, verweist.

Neugeldwachstum bleibt hinter den Erwartungen zurück

«Für die internationale Vermögensverwaltung war es ein sehr erfolgreiches Jahr, doch die Schweiz konnte mit der allgemeinen Marktentwicklung nicht Schritt halten, und der Abstand zu Grossbritannien und den USA schrumpft», erklärt Patrik Spiller, Wealth Management Industry Lead bei Deloitte Schweiz und in Europa. Tatsächlich konnte die Schweiz netto keine nennenswerten Neugelder anziehen. Der absolute Anstieg des Marktvolumens ist hauptsächlich auf die Aufwertung des Schweizer Frankens gegenüber dem US-Dollar während der Pandemie zurückzuführen, was wiederum die Stabilität des politischen Systems und des Finanzsystems widerspiegelt. Der Bericht von Deloitte nennt klare Prioritäten, die gesetzt werden müssten, wenn die Schweiz nicht hinter die Konkurrenz zurückfallen wolle.

Wettbewerbsfähigkeit ist Top

Der Wettbewerb wird durch den absehbaren Konsolidierungsprozess innerhalb der Schweizer Vermögensverwaltungsbranche weiter verschärft. «Der Regulierungsdruck und die Notwendigkeit, in die Digitalisierung zu investieren, führen zu höheren Kosten, die für kleinere Privatbanken und unabhängige Vermögensverwalter zum Teil schwer zu tragen sind», erklärt Jean-François Lagassé, Global Wealth Management Leader und Financial Advisory Partner bei Deloitte Schweiz. Doch die Schweiz liegt bei der Wettbewerbsfähigkeit gemäss der Deloitte-Auswertung an der Spitze, dicht gefolgt von Singapur und Hongkong. «Dies ist bemerkenswert, da das Wachstum des Wohlstandes in Asien in den nächsten Jahren voraussichtlich alle anderen Regionen übertreffen wird», sagt Patrik Spiller. Er sieht die einzigen Wettbewerbsschwächen der Schweiz im kleineren Heimmarkt und der geringeren relativen Rentabilität der Vermögensverwaltungsanbieter.

Schweiz muss als Nicht-EU-Land Marktzugang finden

Politische Stabilität hat während der Pandemie stark an Bedeutung gewonnen. Der Abbruch der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU schwächt den Schweizer Finanzmarkt tendenziell und macht Gespräche über den Marktzugang schwieriger denn je. «Jetzt ist es an der Zeit, dass Schweizer Vermögensverwalter schnell neue Modelle für die digital unterstützte Interaktion mit Kunden sowie erweiterte Produktangebote einführen», rät Patrik Spiller. So sollten Kunden beispielsweise einfach auf private Märkte, Kryptowährungen und tokenisierte Vermögenswerte zugreifen können. «Weiter müssen Unternehmen in Daten und Analysetools investieren, die eine effiziente und differenzierte Steigerung der Vertriebsproduktivität ermöglichen», ergänzt er. Zudem müssten Vermögensverwalter ihren ’Purpose’ schärfen, und Wege jenseits von finanziellen Anreizen finden, um die immer anspruchsvoller werdenden jungen Talente anzuziehen.

ESG, Datenschutz und Digitalisierung sind Erfolgsfaktoren

Für die Experten von Deloitte ist klar, dass die Covid-19-Pandemie die digitalen Kompetenzen zum entscheidenden Erfolgsfaktor gemacht und den Umwelt-, Sozial- und Governance-Investitionen der Unternehmen noch stärkeres Gewicht verliehen hat. «Für die Schweiz bietet auch die Modernisierung des Datenschutzes der finanziellen Privatsphäre eine klare Chance», ist Patrik Spiller überzeugt. Schweizer Vermögensverwalter müssten digitale Innovation vollumfänglich nutzen und gleichzeitig regelkonform bleiben: «Ziel des Schweizer Finanzplatzes sollte es sein, in punkto Datensicherheit und Datenschutz die höchsten Standards bei der digitalen Vermögensverwaltung zu setzen.»

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