Der Anstieg der Schweizer Kapitalmarktrenditen reflektiert auf mehreren Ebenen einen Pfad der Gesundung, sowohl für die Wirtschaft, als auch für die Geld- und Gesellschaftspolitik, wie eine Einschätzung zu dessen Auswirkungen von Burkhard Varnholt, CIO Schweiz, sowie ausgewählten Ökonomen der Credit Suisse ergibt. Die Finanzierungskonditionen in der Schweiz bleiben demnach weiterhin attraktiv und geben wenig Grund zur Sorge. Gleichwohl kündige sich im Wechsel des Vorzeichens ein neues Kapitel für Börsen und Wirtschaft an, so die Ökonomen.
Wichtige Notenbanken könnten Zinsen früher und stärker anheben
Die starke Veränderung des vergangenen Monats, bei der die 10-jährigen Schweizer Zinsen von unter -0,30 auf über 0,00 Prozent gestiegen sind, lassen sich gemäss den Ökonomen auf verschiedene Faktoren zurückführen. So hätten die hohen Inflationszahlen die Erwartungen steigen lassen, dass einige der wichtigsten Notenbanken früher und stärker auf die veränderte Lage reagieren könnten – vor allem die US-Zentralbank Fed, für welche die Ökonomen mittlerweile vier Zinsschritte in diesem Jahr erwarten, beginnend im März.
Dabei habe der US-Zinsmarkt einen starken Einfluss auf andere Zinsmärkte. Ausserdem habe sich selbst die Markterwartung für die Schweizerische Nationalbank SNB geändert, indem mittlerweile ein ganzer Zinsschritt von 25 Basispunkten für das Jahr 2022 eingepreist sei. «Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass sowohl die Erwartungen von global steigenden Kurzfristzinsen als auch die einigermassen soliden Wirtschaftserwartungen und die Erwartung steigender Langfristzinsen dazu geführt haben, dass die 10-jährigen Schweizer Zinsen wieder über null klettern konnten», sagt Varnholt.
Anstieg der Benchmark-Renditen im Schweizer Markt ist moderat
Momentan rechnen die Ökonomen nur mit einem moderaten weiteren Anstieg der Benchmark-Renditen im Schweizer Markt: «Die kurzfristigen Notenbank-Erwartungen dürften kaum zunehmen, solange die SNB keine Signale in diese Richtung sendet. Auch für die Eurozone sehen wir das Potenzial weiterer Renditeanstiege kurzfristig als limitiert an.» Die Rendite 10-jähriger Eidgenossen könne deshalb vorerst im Bereich von knapp über null bleiben, so die Ökonomen weiter, wobei sie einen weiteren starken Anstieg erst dann erwarten, wenn entweder die Notenbankerwartungen deutlich zunehmen und/oder die Renditen in der Eurozone kräftiger steigen würden als derzeit erwartet. Und sie ergänzen: «Unsere 12-Monats-Prognose für die Rendite 10-jähriger Eidgenossen liegt momentan bei 0.15 Prozent.»
Schweizer Leitzinsen dürften vorerst unverändert bleiben
Die Schweiz ist derzeit deutlich weniger von steigender Inflation betroffen als die USA oder der Euroraum. Inflationstendenzen dürften sich aber auch in der Schweiz noch leicht verstärken, wie die Ökonomen annehmen. Sie rechnen derzeit aber damit, dass die SNB die Leitzinsen bis mindestens Ende 2023 unverändert lassen wird.
Die Ökonomen werfen die Frage auf, ob Immobilienanlagen noch attraktiv seien. Immobilien hätten jahrelang von sinkenden Zinsen profitiert, wie kaum eine andere Anlageklasse. Nun aber, da die Zinsen beginnen würden, sich von ihren absoluten Tiefstständen zu lösen, sei diese Frage berechtigt. «Mit Blick auf die Renditedifferenz zwischen 10-jährigen Eidgenossen und Schweizer Immobilienfonds, die Mitte Januar 2022 noch rund 230 Basispunkte betrug, kann die Frage klar bejaht werden», sagt Varnholt. Zwar sei die Differenz im Zuge der Zinsanstiege über den Jahreswechsel gesunken; die Renditedifferenz übertreffe aber weiterhin das langfristige Mittel seit 1995, das 167 Basispunkte betrage. Und er ergänzt: «Die Renditedifferenz zwischen direkten Immobilienanlagen und 10-jährigen Eidgenossen fällt sogar noch um rund 100 Basispunkte höher aus. Aus Renditeperspektive bleiben Immobilien damit für Anleger auch 2022 attraktiv.»
Immobilien bleiben für Anleger auch 2022 attraktiv
Unterstützung erfährt diese Einschätzung gemäss den Ökonomen auch durch intakte Fundamentaldaten am Schweizer Immobilienmarkt. Für Mehrfamilienhäuser habe sich die Marktsituation jüngst sogar verbessert. Die Leerstände bei Mietwohnungen seien 2021 deutlich gesunken. Zwar blieben diese vielerorts überdurchschnittlich hoch. Dank einer robusten Nachfrage und gleichzeitig anhaltend sinkender Bautätigkeit dürften die Leerstände 2022 jedoch weiter abgebaut werden. Als Folge der Covid-19-Pandemie habe sich der Stellenwert der Wohnung zudem erhöht, was sich in einer steigenden Zahlungsbereitschaft der Mieter widerspiegeln dürfte.
«Dank zurückhaltenden Senkungen der Diskontsätze in den vergangenen Jahren ist der Spielraum für weitere Senkungen überdies noch nicht völlig ausgereizt. Insbesondere an guten Lagen dürften die Diskontsätze als Folge des hohen Anlagedrucks auch im laufenden Jahr nochmals sinken», erklärt Varnholt. Damit würden die Preise von Mehrfamilienhäusern auch 2022 ansteigen, was die Performance von Immobilien verbessere. Und er ergänzt: «Darüber hinaus dürften die jüngst verbesserten Erwartungen bezüglich künftiger Mieterträge eine spätere Abwertung durch einen Anstieg der Diskontsätze bremsen.»
Trendwende bei Immobilienpreisen ist nicht abzusehen
Auch bei weiteren Anstiegen der langfristigen Zinsen dürften viele Anleger Immobilien vorerst die Treue halten, hätten diese sich bisher doch sehr krisenresistent gezeigt, so das Fazit der Ökonomen. Aus Anlegersicht böten sie zudem gute Diversifikationsmöglichkeiten. Hinzu käme die hohe Sicherheit der Cashflows, die gerade in unsichereren Zeiten von den Anlegern sehr geschätzt werde. «Das grösste Risiko für Anleger bleiben fortgesetzte und starke Zinserhöhungen, welche die Gefahr bergen, die hohen Bewertungen infrage zu stellen. Es bedarf jedoch mehrmaliger Erhöhungen der Leitzinsen, bis es zu einer Trendwende bei den Preisen kommen könnte», schliesst Varnholt. Ein solcher geldpolitischer Kurswechsel zeichne sich hierzulande bis auf Weiteres aber nicht ab. Und die Ökonomen der Credit Suisse ergänzen: «Der Anlagenotstand der Schweizer Sparer löst sich damit noch nicht auf. Auch der dringende Reformbedarf des Schweizer Vorsorgesystems bleibt trotz des Anstiegs der Schweizer Kapitalmarktrenditen bestehen.»