Die Schweiz ist relativ ungeschoren durch das Krisenjahr 2022 gekommen. Die Inflation fiel mit knapp 3 Prozent deutlich niedriger aus als im Euro-Raum, und die Wirtschaft wuchs um rund 2 Prozent. Für das Jahr 2023 erwartet die Regierung eine Inflationsrate von 2,2 Prozent. Der Arbeitsmarkt hat seine Dynamik aus der Vorkrisenzeit zurückgewonnen. So stieg die Zahl der ausgeschriebenen Stellen laut dem „Michael Page Swiss Job Index“ vom Dezember 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 8,5 Prozent. Dem steht ein historischer Höchststand beim Mangel an Kandidaten gegenüber: Die Anzahl der ausgeschriebenen Stellen wuchs in vielen Jobkategorien im vergangenen Jahr um mehr als 20 Prozent.
Starker Franken hält Gehaltsanstiege gering
Dennoch befindet sich die Schweiz weiter in einer privilegierten Position, verglichen mit den europäischen Nachbarn. Der starke Franken bleibt ein Garant als Schutz gegen rasche Preisanstiege für Importwaren. Die hohe Inflation in Ländern wie Deutschland befeuert die Forderungen der Beschäftigten und der Gewerkschaften nach kräftigen Gehaltserhöhungen. Anders die Schweiz: Auf die Frage, ob Schweizer Unternehmen angesichts der Inflation gegenwärtig die Gehälter ihrer Beschäftigten erhöhen werden, prognostizieren die Autoren der Studie „Switzerland 2023. Salary Guide and Hiring Insights“ des Recruiters Michael Page – wahrscheinlich nicht.
Demnach würden die allgemeinen Preiserhöhungen schlecht bezahlte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Schweiz besonders hart treffen, aber nicht das Gros der erwerbstätigen Bevölkerung im Hochlohnland. Die Studienautoren prognostizieren vielmehr stärkere Anpassungen im Niedriglohnsektor. Dabei gehen sie von einer Zunahme in der Spanne von 2 bis 4 Prozent aus, der Wert kann um 2 Prozentpunkte je nach Gehaltsgruppe und Branche variieren. Auch in konservativeren Branchen rechnet Michael Page in der Schweiz mit einem Gehaltsanstieg, allerdings nur zwischen 1 und 3 Prozent. Auch hier hängt die Entwicklung von der einzelnen Branche ab, und Gehaltserhöhungen sind eher in den unteren Lohngruppen zu erwarten.
Die Michael-Page-Studie führt unter anderem die Gehälter für Funktionen im Asset Management auf und differenziert zwischen Minimal-, Durchschnitts- und Maximalgehältern. Die zum Teil hohen Differenzen in den Gehältern der einzelnen Jobprofile erklären sich mit den individuell unterschiedlichen Kompetenzen und Erfahrungen der Kandidatinnen und Kandidaten, aber auch mit den verschiedenen Größen und Standorten der Unternehmen innerhalb der Schweiz. Die rechts aufgeführten Fixgehälter sagen aber nichts über die Unterschiede in den Bonus- und den Leistungsbewertungsmodellen in Schweizer Unternehmen aus.
Talente für Alternative Investments gesucht
Laut der Studie suchen Arbeitgeber aus dem Asset Management vor allem Talente für ihre Alternative-Investment-Teams. Das Augenmerk richtet sich dabei besonders auf Expertinnen und Experten für Private Equity, Venture Capital und Private Markets, weniger auf traditionelle Anlageklassen. Die Studienautoren erwarten zudem, dass neue Regulatorik für Finanzdienstleistungsgesellschaften zu einer Marktkonsolidierung führen wird. Gleichzeitig hält der Nachhaltigkeitstrend in der Investment-Branche an.
Zu den am häufigsten nachgefragten Kompetenzprofilen zählen Generalisten mit IT- sowie technischen Skills und im Projektmanagement. Erfahrungen im Schweizer Markt sind oft gewünscht, ebenso gute Sprachkenntnisse: Neben Deutsch sind das vor allem Spanisch, Italienisch und Portugiesisch. Auch legen die Arbeitgeber Wert auf Soft Skills wie Verlässlichkeit, Engagement und Teamgeist.
Um Talente zu gewinnen, bieten Arbeitgeber im Asset Management neben einem marktgerechten Gehalt vor allem Flexibilität. Die Studie fasst das unter dem Schlagwort des „digitalen Nomaden“ zusammen. Darunter subsumieren die Autoren Work-Life Balance, Teilzeit, Homeoffice, Sonderurlaub und flexible Benefits. Dahinter folgen Karrierechancen über die unternehmensinterne Mobilität und Angebote für Training und persönliche Entwicklung.
Gesuchte Profile
Für welche Positionen suchen die Arbeitgeber am häufigsten Talente? An erster Stelle geht es um Aufgaben im Bereich Risikomanagement, Regulatorik und Compliance. Dahinter folgt das Frontoffice mit den Funktionen im Investment, als Portfoliomanager sowie als Assistant Relationship Manager. Schließlich folgt auf Platz drei der Finance-Bereich mit den Aufgabenfeldern Controlling, Reporting, Steuer.
Beim Blick auf die Vergütungstabelle für das Asset Management fällt auf, dass die Spanne bei den Gehältern der Chief Investment Officers mit 230 Schweizer Franken am größten ist. Für die meisten der Funktionen liegen die Minimal- und die Durchschnittswerte beim Gehalt relativ eng beieinander, während sich gerade bei Führungspositionen im Gehaltsmaximum Ausreißer nach oben zeigen.
Dr. Guido Birkner ist Chefredakteur von dpn – Deutsche Pensions- und Investmentnachrichten. Seit dem Jahr 2000 ist er für die F.A.Z.-Gruppe tätig. Zunächst schrieb er für das Magazin „FINANCE“, wechselte dann als Studienautor 2002 innerhalb des F.A.Z.-Instituts zu den Branchen- und Managementdiensten, später zu Studien und Marktforschung. Von 2014 bis 2020 verantwortete er redaktionell den Bereich Human Resources in der F.A.Z. BUSINESS MEDIA GmbH. Seit Juli 2019 gehört er der dpn-Redaktion an.