Nach einem eher ruhigen ersten Quartal 2025 hat der deutsche Markt für Wagniskapital (Venture Capital / VC) im zweiten Quartal wieder deutlich an Dynamik gewonnen. Deutsche Start-ups sammelten nach einer Studie der KfW insgesamt 2,4 Milliarden Euro ein, was einem Anstieg von 45 Prozent im Vergleich zum Vorquartal entspricht. Dies bringt das Gesamtvolumen für das erste Halbjahr 2025 auf knapp 4 Milliarden Euro.
„Diese Entwicklung erscheint besonders erfreulich, weil die Rahmenbedingungen im ersten Halbjahr 2025 eher herausfordernd waren. Insbesondere die Verwerfungen an den Kapitalmärkten im Zuge der US-Zollpolitik belasteten das Investitionsumfeld“, erläutert Dirk Schumacher, Chefvolkswirt der KfW.
Rekordzahl an Einhörnern
Ein besonders positives Signal sendet die Zahl der sogenannten „Einhörner“ – Start-ups, die mit über 1 Milliarde US-Dollar bewertet werden. Ende des zweiten Quartals erreichte die Zahl der Einhörner in Deutschland einen Rekordwert von 32, was das wachsende Potenzial des deutschen Innovationsmarkts unterstreicht. Diese Zahl markiert einen wichtigen Meilenstein, da sie das anhaltende Interesse und Vertrauen von Investoren in die deutschen Unternehmen zeigt.
Hoher Anteil an internationalen Investoren
Ein prägender Trend im deutschen VC-Markt ist der zunehmende Anteil von ausländischen Investoren. Allein im zweiten Quartal 2025 stammten mehr als 30 Prozent der Investitionen von US-Investoren und weitere 10 Prozent aus Asien, was den internationalen Fokus auf den deutschen Markt verdeutlicht. Besonders im Scale-up-Segment, bei dem Unternehmen ihr Geschäftsmodell ausbauen und expandieren, machten große Finanzierungsrunden von über 100 Millionen Euro einen signifikanten Teil des Gesamtvolumens aus.
Schumacher merkt an, dass bislang keine negativen Auswirkungen der US-Handels- und Wirtschaftspolitik unter der Präsidentschaft von Donald Trump auf die ausländischen Investitionen in deutsche Start-ups erkennbar sind. Trotz globaler Unsicherheiten zeigt der Markt eine robuste Resilienz.
37 Milliarden Euro für deutsche Start-ups
Die KfW-Studie zu grenzüberschreitenden Venture-Capital-Investitionen zeigt, dass ausländische Kapitalgeber zwischen 2020 und 2024 insgesamt 37 Milliarden Euro in deutsche Start-ups investierten. Im gleichen Zeitraum investierten deutsche Investoren etwa 21 Milliarden Euro in Unternehmen außerhalb von Deutschland. Dieser Netto-Kapitalzufluss von rund 16 Milliarden Euro stellt einen Spitzenwert im europäischen Vergleich dar.
„Die hohen Zuflüsse auf den deutschen Wagniskapitalmarkt sind in erster Linie Ausdruck der Qualität und des Innovations- und Wachstumspotenzials, das ausländische Investoren den deutschen Start-ups beimessen“, sagt Steffen Viete, Experte für Wagniskapital bei KfW Research. Besonders auffällig ist dabei der überdurchschnittlich hohe Anteil von US-Investoren, die 31 Prozent der Mittel bereitstellten, was weit über dem europäischen Durchschnitt von 27 Prozent liegt.
Chancen und Risiken durch ausländische Investoren
Die hohe Abhängigkeit vom ausländischen Kapital birgt jedoch auch Risiken. In Krisenzeiten könnte dies zu einer erhöhten Volatilität und Unsicherheit bei der Finanzierung führen. Zudem könnte eine verstärkte Abwanderung von Start-ups und Know-how ins Ausland die langfristige Entwicklung des Marktes gefährden. Auf der anderen Seite bieten ausländische Investoren nicht nur Kapital, sondern auch wertvolle Netzwerke und Fachwissen, die für das Wachstum der Start-ups von entscheidender Bedeutung sind.
„Die Förderung des deutschen Markts für Wagniskapital bleibt eine wichtige wirtschaftspolitische Aufgabe. In Märkten mit guten Rahmenbedingungen für Gründungen, Unternehmenswachstum und deren Finanzierung gibt es weniger Gründe abzuwandern“, so Viete weiter. Um den Markt langfristig zu stabilisieren, sei es wichtig, auch die Exit-Kanäle, wie Börsengänge und Übernahmen, in Deutschland und Europa zu stärken.
