„Volatilität ist in fast allen Marktphasen attraktiv“

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Herr Gerstner, Herr Hermann, welchen Mehrwert bieten Volatilitätsstrategien im Allgemeinen?

Gerstner: Volatilitätsstrategien haben sich in den vergangenen Jahren als attraktive alternative Renditequelle etabliert und gerade in Niedrigzinsphasen einen hohen Anklang bei Investoren gefunden. Volatilitätsstrategie ist aber nicht gleich Volatilitätsstrategie. Auch wenn sich die Ergebnisse häufig ähneln, hat jede Strategie ihre kleinen, aber feinen Unterschiede. Investoren sollten also sehr genau hinschauen, wenn sie sich dazu entschließen, eine Volatilitätsstrategie in ihr Portfolio zu legen.

Hermann: Unsere Volatilitätsstrategien haben inzwischen eine Historie von mehr als einem Jahrzehnt. Wir sind in unserem ökonomischen Ausblick schon 2010 von einem fallenden Zinstrend an den Märkten ausgegangen. Besonders Kapitalsammelstellen, die eine Verpflichtung haben, würden dadurch in arge Bedrängnis bei der Wiederanlage kommen. Da wir eine möglichst stabile Renditequelle mit rentenähnlichem Charakter aber nicht ausfindig machen konnten, haben wir uns mit Volatilitätsstrategien beschäftigt. War die Prämie, die wir aus der Volatilitätsstrategie erzielen konnten, während der Nullzinsphase isoliert betrachtet die nahezu einzige Renditequelle, bietet sie heute sogar einen Mehrwert oberhalb des Zinsniveaus. Das ist für uns einer der Gründe, warum die Attraktivität von prämienvereinnahmenden Volatilitätsstrategien in fast allen Marktphasen gegeben ist.

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Horst Gerstner, Lead Portfolio Manager 

Horst Gerstner ist als Lead Portfolio Manager verantwortlich für den Handel sowie die Entwicklung und Weiterentwicklung von quantitativen Investment-Strategien bei FERI. Zuvor war er sechs Jahre Lead Portfolio Manager für Athena Volatilitätsstrategie UCITS Fonds (Optionsstrategie auf den S&P 500 und EuroStoxx 50) und vier Jahre Co-Portfoliomanager für Athena Volatilitätsstrategie. Als Derivatehändler war Horst Gerstner seit 2001 für verschiedene Optionsmandate zuständig.

Ihr Fonds, der US EquityFlex, soll mit Hilfe einer Volatilitätsprämie Outperformance gegenüber dem S&P 500 liefern. Wie funktioniert diese Volatilitätsprämie?

Gerstner: Unsere Volatilitätsprämie wird ausschließlich aus Optionen auf den S&P 500 abgeschöpft, weil es der größte und liquideste Optionsmarkt der Welt ist. Zudem bildet der Fonds den S&P 500 passiv ab und kombiniert ihn mit unserer Vola-Strategie. Es handelt sich um eine Short-Vola-Strategie: Wir verkaufen Optionen, in denen die implizite Volatilität eingepreist ist, in der Erwartung, dass die realisierte Volatilität am Markt geringer ausfällt. Das ist auch etwa in 95 Prozent der Fälle so. Wir streichen dann die Prämiendifferenz zur realisierten Volatilität als Gewinn ein. Es ist vereinfacht gesagt ein Versicherungsgeschäft, das an der Börse betrieben wird.

Wie sieht die Strategie im Detail aus? Was genau machen Sie?

Gerstner: Wir haben ein Basisportfolio, in dem wir die S&P-500-Performance replizieren. Der Aktienanteil dieser 500 Aktien beläuft sich auf etwa 60 Prozent des Fonds. Den Rest des S&P 500 bilden wir mit Futures auf den Index ab, um dessen Performance passiv zu liefern. Dadurch können wir Bonds ins Portfolio legen, die als Sicherheiten bzw. als Collateral für die Optionsstrategie dienen. Wir haben also alles im Fonds drin: Aktien, Anleihen, Futures und Optionen. Die zusätzliche Rendite kommt aber über die Optionen. Hier handeln wir immer Dreierpakete: Wir verkaufen einen Put auf den S&P 500, zur Absicherung dagegen kaufen wir einen Put auf den S&P 500, wobei der Basispreis des verkauften Puts näher am aktuellen Marktniveau liegt; der gekaufte Put liegt darunter. Das ist der Risikokorridor, den wir eingehen. Als zusätzliche Absicherung für diesen Korridor kaufen wir im Sinne eines Tail Hedge Call-Optionen auf den VIX, den korrespondierenden Volatilitätsindex zum S&P 500. In der Regel steigt der VIX, wenn der S&P 500 fällt. Das ist der Hedge-Gedanke dieser Strategie.

Sind diese Dreierpakete, die Sie beschreiben, der entscheidende Unterschied zu Ihren Wettbewerbern?

Gerstner: Genau, diese VIX-Call-Komponente als Hedge ist unsere Spezialität. Es gibt natürlich auch Optionsstrategien, die beispielsweise nur Put-Spreads machen. Das geschieht dann in der Regel mit einem kleineren Exposure, wodurch sich aber auch ein anderes Risikoprofil ergibt. Da gibt es verschiedene Ausprägungen. Entscheidend sind bei unserer Strategie die zugrunde liegenden Parameter: Wie hoch sind die Strike-Preise der VIX-Call-Option? Wie hoch sind die S&P-Strike-Preise? Es ist wichtig, bei jeder Optionsstrategie sehr tief ins Detail zu schauen. Sicherlich gibt es Strategien, die temporär höhere Renditen erzielen als unsere. Aber die beinhalten dann auch meist ein anderes, zum Teil signifikant höheres Risikoprofil.

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Carsten Hermann, Bereichsvorstand Investment Management

Carsten Hermann ist in seiner Funktion als Bereichsvorstand der FERI verantwortlich für den Bereich Investment Management. Darunter fallen das Portfolio Management, die Bereiche Hedgefonds und Private Markets, das Risiko- und Overlay-Management sowie die investmentnahe Administration/Operation. Von 2018 bis Mitte 2020 gehörte er zudem dem Vorstand der FEREAL AG für die Ressorts Portfolio Management, Vertrieb und Alternative Investment Services an. Carsten Hermann ist seit 1996 bei FERI. Dabei fungiert er zusätzlich als Berater externer Unternehmen,. Von 1993 bis 1994 arbeitete er für eine internationale Investmentbank in den USA.

Hermann: Diese Dreierpakete differenzieren uns zu anderen Strategien. Unser Ansatz ist systematisch und prognosefrei. Die Konzentration auf den US-Markt ermöglicht es uns zudem, genau die Charakteristik dieses Marktes auszunutzen und nicht eingreifen zu müssen. Andere Strategien, die mehrere Märkte und deren Prämien ausnutzen, haben einen anderen Charakter, bieten als Diversifikation auch durchaus positive Effekte. Das Risikoprofil ist aber eben ein ganz anderes und das Risikomanagement, das sehr diszipliniert abgearbeitet werden muss, ist wesentlich komplexer.

Erzielen Sie mit dem US EquityFlex denn die angestrebte Outperformance gegenüber dem S&P 500?

Gerstner: Ja, der Fonds wurde zum Jahreswechsel 2014/15 aufgelegt und hat seitdem durchschnittlich gut 2,3 Prozent Outperformance pro Jahr gegenüber dem Index erreicht – nach Kosten selbstverständlich. Die Management Fee in der Insti-Tranche haben wir übrigens zum 1. September 2024 von 0,5 auf 0,4 Prozent abgesenkt.

Für welche Art von Investoren ist Ihre Volatilitätsstrategie geeignet?

Hermann: Der Investor muss natürlich wissen, wie das Risiko in der Volatilitätsstrategie in seine jeweilige taktische oder strategische Asset Allocation hineinpasst. Der Aktienfonds US EquityFlex ist im Prinzip ein besserer ETF. Wir bilden den S&P 500 ab, der in vielen Portfolios institutioneller Investoren vertreten ist, und haben durch das Options-Overlay eine sehr kalkulierbare Möglichkeit, die indexorientierten Kapitalanlagen zu schlagen. Diese mit einem leicht höheren Beta verbundene Strategie ist für jeden Investor, der strategisch US-Aktien hält, ein Outperformance-Katalysator. Denn durch die Kombination lässt sich am Markt systematisch ein Zusatzertrag generieren, ohne damit signifikant die Risiken zu erhöhen. Unsere OptoFlex-Strategie hat wegen ihres Zins-Underlyings hingegen einen rentenähnlichen Charakter, der häufig in der Rentenquote Berücksichtigung findet.

Gerstner: Der OptoFlex wird aber auch gerne als Ersatz oder Beimischung im High-Yield-Portfolio eingesetzt. Denn in der Strategie ist der kurzfristige Zins als Basisertrag enthalten und on top kommen unsere Volatilitätsprämien. Das ist durchaus vergleichbar mit High Yield, wo es den kurzfristigen Basiszins gibt und ein weiteres Risiko als Renditetreiber hinzukommt. Natürlich ist das High-Yield-Risiko nicht mit der Volatilitätsprämie voll vereinbar, aber es liegt nah beieinander. In allen unseren Fonds haben wir Anteilsklassen für jeden Anlegertyp – Euro, Dollar, Schweizer Franken, Insti-Volumen mit Insti-Gebühren. Wir haben also für jeden etwas anzubieten. Sämtliche FERI Flex Fonds sind übrigens ab einem Anteil auch für Privatdepots investierbar.

Wie hoch ist denn derzeit das verwaltete Vermögen in den Volatilitätsstrategien Ihres Hauses und von welchen institutionellen Kundengruppen werden sie hauptsächlich nachgefragt?

Gerstner: In unseren drei Volatilitätsstrategien verwalten wir aktuell rund 3 Milliarden Euro. Der OptoFlex ist 1,25 Milliarden Euro schwer, auf den US EquityFlex entfallen rund 1,6 Milliarden US-Dollar und der EuroEquityFlex liegt nach dreijährigem Bestehen bei etwa 240 Millionen Euro. Unsere Kunden investieren von einem Anteil bis in den Bereich von 100 Millionen Euro. Unsere institutionellen Investoren kommen aus allen Bereichen: Corporate Pensions, Versicherungen, Family Offices und Versorgungswerke. Wir haben keine signifikanten Klumpenrisiken und keinen Einzelinvestor, der beispielsweise mehr als 10 Prozent eines Fonds hält. Das ist gut und komfortabel strukturiert.

Welche Vorteile hat der US-Aktienmarkt bei Volatilitätsstrategien gegenüber anderen Märkten?

Gerstner: Der größte Vorteil ist sicherlich das enorme Volumen. Der US-Markt ist der mit Abstand größte Optionsmarkt. In den Kassa-Optionen des S&P 500 werden täglich durchschnittlich rund 3,2 Millionen Kontrakte gehandelt. Der Euro Stoxx 50 hat zum Vergleich ein Tagesvolumen von etwa 1 Million Kontrakten, die zudem ein geringeres Kontraktgewicht haben. Fonds in der Größenordnung des US EquityFlex lassen sich daher nur in großen Märkten wie den USA effizient umsetzen. Der Optionsmarkt ist in den USA deutlich früher gewachsen als in Europa. Und bereits 2006 gab es den komplexeren Optionsmarkt auf den VIX. Das hat uns in die Karten gespielt, weil wir diese Instrumente in den Strategien sehr gut verwenden können.

Welche potentiellen Risiken sind mit der systematischen Nutzung von Short-Put-Strategien verbunden, und wie können diese Risiken minimiert werden?

Gerstner: Derivate sind sicherlich teilweise recht komplex, man muss sich mit dem Markt und den theoretischen Risiken auskennen. Optionsstrategien erfordern einen Portfoliomanager mit dem fundierten Fachwissen eines Risikomanagers. Wir haben innerhalb unserer Strategie die negativen Szenarien klar identifiziert: ein fallender S&P 500 und ein steigender VIX. Beides kostet uns auf der Short-Put-Option Geld. Für diese beiden Szenarien haben wir Absicherungskomponenten. Auf der Downside im S&P 500 ist es der Long Put, der unter dem verkauften Put liegt. Und auf dem VIX-Index sind es die VIX-Call-Optionen. Entscheidend ist, dass Hedging-Instrumente den Hedging-Anforderungen Genüge tun.

Hermann: Ein Phänomen an den Aktienmärkten ist, dass es dort sehr schnell zu größeren Drawdowns kommen kann. Größere Zuwächse sind andererseits aber eher selten. Häufig hat man also entweder kontinuierlich steigende Märkte oder abrupt fallende. Dies ist ein Phänomen, das wir sehr genau im Auge haben und dem wir sehr effizient begegnen müssen. Mit unseren Hedging-Strategien haben wir es aber ziemlich gut in den Griff bekommen.

Gerstner: Derivate sind auch keinesfalls nachteilig gepreist, nur weil sie besondere Risiken aufweisen. Im Gegenteil: Diese Risiken zu nehmen, hat seinen Reiz und kann durchaus attraktiv sein. Das machen wir uns zunutze. Man muss die Risiken erkennen und einordnen können.

Wie nachhaltig sind Ihre Strategien?

Hermann: Der Gesetzgeber hat sich noch nicht endgültig entscheiden können, wie Derivate zu klassifizieren sind. Der S&P 500 als Index erfüllt nicht die Nachhaltigkeitskriterien nach Artikel 8 SFDR. Daher ist der US EquityFlex als Artikel-6-Fonds eingestuft. Beim OptoFlex war es uns hingegen möglich, den Fonds nachhaltig nach Artikel 8 zu gestalten, ohne dabei höhere Schwankungen der Renditeerwartung in Kauf nehmen zu müssen.

Patrick Daum ist Chef vom Dienst bei dpn-online. Er berichtet über alle Themen rund um das institutionelle Asset Management.

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