Der britische Immobilienmarkt hatte im zurückliegenden Jahr mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Neben den volkswirtschaftlichen Spätfolgen der Covid-Pandemie und des Brexits waren es – ebenso wie auf dem europäischen Festland – nicht zuletzt eine hohe Inflation und die darauffolgenden hohen Zinsen, die dem Marktsegment zusetzten. Nun zeichnet eine neue Studie der „Nord/LB Real Estate Finance“ das Ausmaß der Krise, sieht aber auch Hoffnungsschimmer.
Inländische Investoren wieder in der Mehrzahl
Das Transaktionsvolumen sank 2023 um rund ein Drittel auf 43,3 Milliarden Pfund, woran auch ein Jahresendspurt von allein 10,7 Milliarden Pfund im letzten Quartal nichts ändern konnte. Insbesondere ausländische Investoren schienen sich zurückgehalten zu haben, denn sie vereinten nur noch rund 45 Prozent der Investitionen im Vereinigten Königreich auf sich. Zwischen 2020 bis 2022 stemmten sie immer die Mehrheit der Transaktionssummen. Abschreckend könnte hierfür die auch im europäischen Vergleich sehr hohe Inflationsrate von 7,3 Prozent im Jahresdurchschnitt gewesen sein, ebenso wie die in Reaktion darauf hohen Leitzinsen, die bis August 2023 von 3,5 Prozent auf 5,25 Prozent in fünf Schritten erhöht wurden. Auch steht das Land nach einem Minimalwachstum von 0,1 Prozent in 2023 auf der Schwelle zu einer Rezession. Die Nord/LB rechnet für das laufende Jahr mit einem nicht wesentlich besseren Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent.
Gerade in London hatte dieses schwierige makroökonomische Klima schwere Folgen für den Immobilienmarkt. Bezogen auf die einzelnen Asset-Klassen zeigen sich, wie auch im europäischen Markt außerhalb Großbritanniens, dass insbesondere Büroflächen mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.
Flexible Büroflächen sind gefragt
Laut einer Erhebung von McKinsey ist die Büropräsenz auf 3,1 Tage in der Woche gefallen, das hybride Arbeiten hat sich insbesondere in der englischen Hauptstadt endgültig etabliert. Die Folge ist eine deutliche Reduktion klassischer Büroflächen, während flexible und innovative Büroflächen im Zuge dieser Entwicklung beliebter werden. Allein 13 Prozent der Investitionen im ersten Halbjahr 2023 in Londoner Büroflächen entfielen laut der Nord/LB auf die Londoner City mit ihrem großen Markt an modernen Büroimmobilien.
Insgesamt landete der britische Bürosektor 2023 mit einem Investitionsvolumen von 9,5 Milliarden Pfund auf dem zweiten Platz im Asset-Vergleich hinter Wohnimmobilien.
Trotz der allgemein hohen Nachfrage nach modernen Büroflächen ist das Angebot begrenzt, was den Markt weiter polarisiert. Der Blick auf das Investment-Volumen zeigt einen Rückgang um etwa 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr, was die zunehmende Vorsicht der Investoren unterstreicht. Dennoch gibt es Anzeichen für eine Erholung im letzten Quartal 2023, was auf eine mögliche Stabilisierung der Marktlage hindeutet. Insgesamt bleibt der Markt für Büroimmobilien im Vereinigten Königreich herausfordernd, wobei qualitativ hochwertige und nachhaltige Büroflächen in zentralen Lagen besonders im Fokus stehen.
Kurzanalyse der britischen Einzelhandelsmärkte
Die Einzelhandelsvermietung zeigt entgegen der makroökonomischen Schwierigkeiten Widerstandsfähigkeit. Trotz der Herausforderungen durch den Ukrainekrieg und steigende Lebenshaltungskosten zeigte der britische Einzelhandel 2022 Resilienz mit einem Umsatzwachstum von 5,2 Prozent. Die Pro-Kopf-Kaufkraft im Vereinigten Königreich übertrifft den europäischen Durchschnitt deutlich, obwohl die reale Kaufkraft unter der Inflation leidet. Ein verbessertes Verbrauchervertrauen Anfang 2024 deutet auf eine allmähliche Erholung hin, trotz eines realen Rückgangs des Absatzvolumens von 2,8 Prozent im Jahr 2023. Insgesamt trugen Einzelhandelsimmobilien 5,4 Milliarden Pfund zum gesamten Investitionsvolumen bei.
Die Leerstandsquoten stiegen zwar leicht, doch Retail Parks bleiben als Investitionsobjekt beliebt ebenso wie Shopping Center in guten Lagen. Das Transaktionsvolumen auf dem Einzelhandelsimmobilienmarkt fiel 2023 um 30 Prozent auf 4,8 Milliarden Pfund, wobei Retail Parks und der Lebensmitteleinzelhandel weiterhin beliebt bei Investoren sind. Die Preisstabilität und eine beginnende Stabilisierung der Mieten deuten auf eine Erholung hin.
Für 2024 wird ein verhaltener Optimismus für den britischen Einzelhandelsmarkt seitens der Nord/LB erwartet, mit stabilisierenden Konsumausgaben und einer leichten Zunahme des Online-Handels. Investitionen konzentrieren sich auf resiliente Segmente und erstklassige Standorte, mit einem allgemeinen Trend zur Wiederbelebung des stationären Einzelhandels.
Erholungssignale auf dem britischen Wohnimmobilienmarkt
Der britische Wohnimmobilienmarkt zeigt Anfang 2024 erste Zeichen der Stabilisierung nach einer Phase der Abschwächung. Insgesamt waren Wohnimmobilien mit einem Investitionsvolumen von 10,8 Milliarden Pfund die beliebteste Asset-Klasse.
Eine leichte Erholung der Hauspreise mit einem Jahresrückgang von nur 0,2 Prozent und eine Belebung der Nachfrage kennzeichnen die aktuelle Lage. Unterstützt wird diese Entwicklung durch sinkende Hypothekenzinsen, die unter 4 Prozent gefallen sind, und eine Zunahme der Kaufanfragen.
Regionale Unterschiede bleiben bestehen, mit Preisrückgängen in einigen Gebieten und Preiszuwächsen in anderen, insbesondere in Nordirland und Schottland. Prognosen deuten laut der Nord/LB auf moderate Preissteigerungen in den nächsten Jahren hin, getrieben durch den Nachholbedarf und eine bestehende Angebotslücke aufgrund unzureichender Bautätigkeit.
2024: Verlangsamtes Mietwachstum bei hohem Mietniveau
Der Mietmarkt bleibt durch einen Nachfrageüberhang gekennzeichnet, was in den letzten Jahren zu deutlichen Mietpreissteigerungen führte. Für 2024 wird ein verlangsamtes Mietwachstum erwartet, obwohl die Mieten auf hohem Niveau bleiben.
Der Investment-Markt zeigt besonders im Segment des Mietwohnungsbaus eine hohe Dynamik, mit einem Anstieg des Investitionsvolumens um 19 Prozent auf 4,6 Milliarden Pfund in 2023. Dies unterstreicht die Attraktivität dieses Sektors aufgrund anhaltender Nachfrageüberhänge. Der studentische Wohnmarkt bleibt ebenfalls attraktiv für Investoren.
Zusammenfassend zeichnet sich eine allmähliche Erholung des britischen Wohnimmobilienmarktes ab, gestützt durch sinkende Hypothekenzinsen und eine steigende Nachfrage, die eine Stabilisierung der Preise und eine Erholung der Transaktionszahlen begünstigen dürfte.