Staatsfonds stellen sich in Emerging Markets neu auf

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China ist als Ziel institutioneller Investoren zurück auf der Weltkarte – zumindest dann, wenn man sich die Investitionspläne von Staatsfonds weltweit für die kommenden fünf Jahre anschaut. Die Asset-Management-Gesellschaft Invesco hat für die „2025 Invesco Global Sovereign Asset Management Study“ 141 professionelle Investoren befragt. Darunter sind Chief Investment Officers, Verantwortliche für Asset-Klassen und Portfoliostrategen von 83 Staatsfonds und 58 Zentralbanken, die zusammen ein Vermögen von 27 Billionen US-Dollar verwalten.

Die Invesco-Studie weist Schwellenländer als strategischen Fokus für Staatsfonds aus. „Die staatlichen Investoren überdenken ihre Emerging-Markets-Strategien“, erklärt Rod Ringrow, Head of Official Institutions bei Invesco. „Sie gehen selektiv vor, konzentrieren sich stärker auf langfristige strukturelle Chancen und bauen Portfolios auf, die der Komplexität und Vielfalt dieser Märkte Rechnung tragen. Dabei steht China erneut im Fokus.“

Tatsächlich verschieben sich aktuell die Prioritäten für staatliche Investoren beim Blick auf Investmentchancen. Globale Lieferketten werden fragmentiert, regionale Blöcke relevanter, geopolitische Risiken zu einem prägenden Element des Investitionsumfelds. Diesen tektonischen Veränderungen passen sich Staatsfonds an. Sie verfolgen nicht länger das Ziel eines breit angelegten Exposures in der fragmentierten Emerging-Markets-Landschaft, sondern sie bauen Portfolios auf, die strukturelle Wachstumstrends und strategische Diversifizierungsziele widerspiegeln.

China steht wieder im Fokus

Dass das Interesse an China wieder auflebt, zeigt sich auch an der wachsenden Zahl von Institutionen, die das Land als Kernbestandteil ihrer Allokation positionieren. Gegenüber 2024 ist der Anteil der staatlichen Investoren, die China zu ihren wichtigsten Märkten zählen, von 20 auf 28 Prozent gestiegen, so Invesco. Trotz anhaltender geopolitischer Spannungen nennen die befragten Staatsfonds attraktive lokale Renditen, Diversifizierungsvorteile und Chinas wachsende Führungsrolle in kritischen Technologien als Gründe für ihr verstärktes Engagement.

78 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass China bei Technologie und Innovation künftig weltweit wettbewerbsfähig sein wird. „Unser Fokus verschiebt sich auf Chinas innovationsgetriebene Sektoren“, sagte ein Investor aus dem Nahen Osten, der an der Studie teilnahm. „Wir sehen dies als Chance, uns dort zu engagieren, wo zukünftige globale Führerschaft entstehen wird.“

Gleichzeitig werden breit aufgestellte Emerging-Markets-Strategien zielgerichteter ausgerichtet. Bei ihnen steht Asien (ohne China) weiterhin hoch im Kurs, gestützt durch solide lokale Fundamentaldaten, günstige Demografie und eine wachsende Rolle bei der Neuausrichtung globaler Lieferketten. Für 43 Prozent der Staatsfonds gehören die asiatischen Märkte außerhalb Chinas weiterhin zu den wichtigsten Anlageregionen im kommenden Jahrfünft. Steigender Konsum der Mittelschicht, Investitionen in Infrastruktur und fortlaufende politische Reformen untermauern das Vertrauen staatlicher Anleger in den langfristigen Wachstumspfad Südostasiens.

Technologische Führungsrolle

Staatsfonds justieren ihr China-Exposure präziser und konzentrieren sich auf Branchen, die zu langfristigen strukturellen Trends parallel laufen. Laut der Invesco-Studie plant eine deutliche Mehrheit der Staatsfonds, die eigenen Allokationen in China in den kommenden fünf Jahren zu erhöhen. Vor allem die Staatsfonds aus der Asien-Pazifik-Region und aus Afrika verfolgen diese Strategie. Selbst nordamerikanische Staatsfonds zeigen sich bereit, sich stärker in China zu engagieren.

Wichtigster Treiber für das China-Engagement sind attraktive lokale Renditen. Das spiegelt das Vertrauen wider, dass Bewertungen und Renditepotential überzeugende Chancen eröffnen. An zweiter Stelle nennen die Befragten Diversifizierungsvorteile. Sie sehen in China eine Quelle für differenziertes Wachstum.

Das neue Interesse am Reich der Mitte lässt sich jedoch nicht gleichsetzen mit einer breit angelegten China-Hausse, wie sie sich in der Vergangenheit aufgebaut hat. Vielmehr fahren staatliche Anleger heute einen gezielten Sektorenansatz, bei dem jene Bereiche angesprochen werden, in denen China globale Führungspositionen anstrebt und sich auf Marktdynamik und strategische politische Förderung stützen kann.

Neue globale Führungsmacht

Deshalb richten Staatsfonds ihre China-strategien zunehmend auf spezifische Technologie-Ökosysteme aus, weniger auf breite makroökonomische Exposures. Diese Haltung spiegelt sowohl den strukturellen Glauben an Chinas Innovationsdynamik als auch das strategische Bedürfnis wider, den Anschluss in einer Phase zu halten, in der eine neue globale technologische Führungsmacht entsteht.

Die Staatsfonds betrachten China weniger als Jäger, der einen technologischen Rückstand auf den Westen aufholen will. Vielmehr sehen sie das Land als globalen Vorreiter in Sektoren wie Halbleiter, Cloud Computing, künstliche Intelligenz, Elektrofahrzeuge und erneuerbare Energie. Dieses Bild wird durch eine umfassende staatliche Wirtschaftsförderung, eine gezielte Industriepolitik und Chinas Fähigkeit gestützt, Innovationen rasch zu skalieren.

Ein befragter Staatsfonds aus dem Nahen Osten wird in der Studie so zitiert: „Es gibt im Bereich saubere Energien und grüne Technologie keinen echten Wettbewerber zu China. China wird bei Solar, Wind, Elektroautos und Batteriemärkten für Jahrzehnte den Ton angeben.“ Ein Staatsfonds aus der APAC-Region ergänzte: „Bei Halbleitern, Cloud und KI ist es nur eine Frage der Zeit, bis China mit den USA gleichzieht angesichts der verfügbaren Ressourcen und politischen Unterstützung.“

Für Staatsfonds erfüllt das Engagement in Chinas Innovationsökosystemen mehrere strategische Portfolioziele:

  • Sie bauen ihre Abhängigkeit von der Technologiekonzentration in entwickelten Märkten, insbesondere von US-Mega-Caps, ab.
  • Sie richten Investitionen an Wachstums-trends wie Energiewende, Automatisierung und digitaler Infrastruktur aus.
  • Sie stärken die Resilienz ihrer Portfolios, sollten sich globale Technologieökosysteme zwischen China und dem Westen künftig weiter auseinanderentwickeln.

Viele staatliche Investoren betrachten Chinas innovationsgetriebene Wirtschaftszweige daher mit derselben strategischen Dringlichkeit, mit der sie einst auf das Silicon Valley gesetzt haben. Sie setzen ein fehlendes China-Exposure heute dem Risiko gleich, die nächste Welle globaler industrieller und technologischer Führerschaft zu verpassen.

Zweifel am chinesischen Modell

So optimistisch die Staatsfonds hinsichtlich Chinas Innovationskraft sind, so gemischt sind die Ansichten über die breitere wirtschaftliche Transformation des Landes. Laut der Invesco-Studie glauben 78 Prozent der Befragten, Chinas Technologie- und Innovationssektoren werden global wettbewerbsfähig. Zwar wollen 59 Prozent der Staatsfonds ihre Chinaallokation in den nächsten fünf Jahren erhöhen, doch nur 48 Prozent erwarten, dass China erfolgreich von einem export- zu einem konsumgetriebenen Wirtschaftsmodell umschwenken wird.

Bedenken haben Staatsfonds angesichts des kriselnden Immobiliensektors, der schwierigen demografischen Entwicklung und der hohen Staatsverschuldung. Ein nordamerikanischer Staatsfonds formulierte es in der Befragung so: „Die alternde Bevölkerung sehen wir nicht als das Hauptproblem. Wir glauben jedoch nicht, dass durch Stimulus getriebenes Wachstum ausreicht, und erwarten, dass China letztlich seine Märkte weiter öffnen muss.“

Das selektive Vorgehen staatlicher Anleger mit dem Fokus auf Sektoren, in denen Chinas globale Wettbewerbsfähigkeit besonders sichtbar ist, prägt auch die Wahl der Anlageformen. So sind Aktien und Private Markets die bevorzugten Zugangswege zu China. Engagements über Unternehmens- und Staatsanleihen bleiben begrenzt. Hier bestehen Bedenken bezüglich der Bonität des chinesischen Staates und der allgemeinen makroökonomischen Umwelt.

Auch setzen Staatsfonds stark auf aktives Management und die Expertise spezialisierter Asset Manager, um in China und in andere Emerging Markets zu investieren. Direktinvestitionen konzentrieren sich auf vertraute Märkte, während externe Manager verstärkt für komplexere oder Frontier-Märkte eingesetzt werden. Lediglich 15 Prozent der Staatsfonds investieren ausschließlich direkt. Passive Engagements in Emerging Markets sind ebenfalls gering, denn nur 9 Prozent der staatlichen Anleger setzen passive Strategien substantiell ein.

Fazit

Staatsfonds gestalten ihren Investitionsansatz für Emerging Markets gezielter und mit Fokus auf langfristige, strukturelle Chancen um. Dabei lösen sie breit angelegte EM-Beta-Strategien zunehmend durch gezielte Allokationen ab, die sich an differenzierten Ökosystemen, technologischem Führungsanspruch und politischer Diversifizierung orientieren.

Im Zuge dieser Neuausrichtung nimmt China wieder eine zentrale Rolle ein. Investoren wählen sorgfältig aus und setzen entschlossen auf Sektoren, in denen Chinas Innovationskraft, Fertigungskapazitäten und politische Prioritäten Wettbewerbsvorteile schaffen. Diese strategische Neugestaltung ist ein Muster für die Anpassung weiterer Emerging-Markets-Strategien. Sie reflektiert die regionale Fragmentierung und unterstreicht die Notwendigkeit, spezialisiert und chancenorientiert zu investieren. Staatsfonds behandeln Schwellenländer nicht bzw. nicht mehr als homogene Asset-Klasse, sondern sie bauen Portfolios, die die Komplexität und Divergenz dieser Märkte berücksichtigen. 

Dr. Guido Birkner ist Chefredakteur von dpn – Deutsche Pensions- und Investmentnachrichten. Seit dem Jahr 2000 ist er für die F.A.Z.-Gruppe tätig. Zunächst schrieb er für das Magazin „FINANCE“, wechselte dann als Studienautor 2002 innerhalb des F.A.Z.-Instituts zu den Branchen- und Managementdiensten, später zu Studien und Marktforschung. Von 2014 bis 2020 verantwortete er redaktionell den Bereich Human Resources in der F.A.Z. BUSINESS MEDIA GmbH. Seit Juli 2019 gehört er der dpn-Redaktion an.

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