2024 gab es in Deutschland so viele Insolvenzen wie seit fast zehn Jahren nicht mehr. Laut Statistischem Bundesamt stiegen sie gegenüber 2023 um 16,8 Prozent. Ab dem Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit dürfen die Unternehmen keine Zahlungen mehr tätigen. Das gilt auch für die Betriebsrenten. Die zunehmende Zahl der Insolvenzen betrifft also auch immer mehr Betriebsrentner. Immerhin haben fast 55 Prozent der rund 35 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland eine betriebliche Altersvorsorge (bAV) oder Betriebsrente. Das sind etwa 19 Millionen Menschen.
Bei Sanierungsfall kommt PSV ins Spiel
Doch Betriebsrentner sind in der Regel auf die Zahlungen angewiesen. „Dieser Umstand führt dazu, dass die Betriebsrentner ein großes Interesse daran haben, dass die Rentenzahlung schnellstmöglich wieder aufgenommen und insolvenzbedingte Versorgungslücken geschlossen werden“, erläutern Seraphim Ung Kimi und Siegfried Flogaus, Fachanwälte für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Schultze & Braun. „Die gute Nachricht für Versorgungsberechtigte und Unternehmen ist, dass eine weiträumige Vorbereitung für den Ernstfall möglich ist.“
Eine wichtige Rolle dabei spielt als gesetzlich bestimmter Träger der bAV-Insolvenzbesicherung der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV). Er sichert die Betriebsrenten und gesetzlich unverfallbaren Anwartschaften nach Maßgabe des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG). Seine Leistungspflicht wir mit dem sogenannten Sanierungsfall ausgelöst. „Wichtig zu wissen ist, dass der PSV sich nicht als großzügiger Sanierungshelfer instrumentalisieren lässt“, so die Anwälte. „Dem stehen sein gesetzlicher Auftrag, aber auch die bei ihm zusammenlaufenden Interessen seiner beitragspflichtigen Mitglieder entgegen.“ Der Dialog mit dem PSV sei gerade bei einer Sanierung in Eigenregie aber nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor, damit die betriebliche Altersvorsorge nicht zum Stolperstein oder gar zur unüberwindbaren Hürde für eine Sanierung werde.
Umfassende Vorbereitung essentiell
Aus Sicht der beiden Experten sind eine frühzeitige und sachkundige Einbeziehung der bAV in die Sanierungsüberlegungen sowie eine umfassende Vorbereitung unverzichtbar. Dazu zählt in erster Linie die Sichtung der Datenlage – Durchführungswege, versicherungsmathematische Gutachten, Rentner- und Anwärterbestand, Zahlungslisten, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Einzelzusagen, Versicherungsunterlagen oder Registerauszüge. Aber auch die Prüfung vorhandener Sicherungsinstrumente oder die interne und externe Kommunikation sowie die Anfertigung eines Maßnahmenkatalogs seien nicht zu vernachlässigen.
Bestenfalls schon vor dem Insolvenzantrag sollten dann die zur Verfügung stehenden Ressourcen der Personalabteilung in das Aufgabengebiet eingewiesen und die erforderlichen Maßnahmen zur Information der Betriebsrentner und Versorgungsanwärter, Durchführung der Meldedialoge mit dem PSV, zeitnahen Wiederaufnahme der Rentenzahlung durch den PSV und etwaigen Gestaltung eines Insolvenzplans oder Vorbereitung einer Veräußerung umgesetzt werden. Denn das Management der bAV während einer Sanierung ist sehr komplex und daher mit einem enormen Aufwand verbunden – auch in kleineren Unternehmen. Zudem wird der ohnehin schon bestehende Zeitdruck aufgrund der Insolvenzsituation durch die Einstellung der Zahlungen an die Betriebsrentner weiter verschärft. „Bei mehreren hundert oder gar tausend Betriebsrentnern reicht das Zeitfenster zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung nicht aus, um die Zahlungslücke bei den Betriebsrenten zeitnah zu schließen“, sagen Kim und Flogaus. „Zu berücksichtigen ist ferner die besondere Be- und mitunter auch Überlastung der Personalabteilung in einer Insolvenz. Diese hat, neben zahlreichen anderen Aufgaben, nun zusätzlich den komplexen Meldedialog, den emotionalen Druck, aber auch die zahlreichen Anfragen der Betriebsrentner zu bewältigen.“
Bei Besserung zieht sich PSV zurück
Im Vorfeld der Auskunftserteilung an den PSV spare daher eine sorgfältige Aufbereitung der bAV im Unternehmen während der Sanierung kostbare Zeit, da dann die Informationen bereits vorliegen, die dem PSV im Rahmen des sogenannten Meldedialogs zu übermitteln sind und die er zur Prüfung seiner Eintrittspflicht benötigt. Nur wenn die Informationen rechtzeitig und vollständig zur Verfügung gestellt werden, sei der PSV in die Lage, seiner Eintrittspflicht zeitnah nachzukommen.
Gibt es im Unternehmen einen Insolvenzplan, bestehe der PSV als Großgläubiger regelmäßig auf eine Besserungsklausel im Sinne des Betriebsrentengesetzes. „Gemäß der gesetzlichen Regelung soll im Insolvenzplan vorgesehen werden, dass bei einer nachhaltigen Besserung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers die Leistungen, die vom PSV erbracht werden, ganz oder zum Teil vom Arbeitgeber wieder übernommen werden“, so die Anwälte. Zudem verfolge der PSV im Rahmen eines Insolvenzplans stets das Ziel, zumindest die Versorgungsansprüche der aktiven Versorgungsanwärter auf das sanierte Unternehmen zurück zu übertragen. Das BetrAVG ordne an, dass der PSV eine besondere Gruppe innerhalb des Insolvenzplans bildet. So werde sichergestellt, dass dieser seine Rechte umfassend wahrnehmen kann.
Patrick Daum ist Chef vom Dienst bei dpn-online. Er berichtet über alle Themen rund um das institutionelle Asset Management.