Die Mehrzahl der im DAX gelisteten Unternehmen hat bereits ihren Geschäftsbericht für 2022 veröffentlicht. Dabei zeigt eine aktuelle Studie des internationalen Beratungs- und Dienstleistungsunternehmens Aon Deutschland, dass dank der stark gestiegenen Rechnungszinsen die Pensionsverpflichtungen deutlich von 418 Milliarden Euro auf ca. 309 Milliarden Euro sinken. Der Rechnungszins, mit dem die Pensionsverpflichtungen abgezinst werden, ist dabei von durchschnittlich 1,18 Prozent auf 3,80 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Dies erlaubt den DAX-Unternehmen, entsprechend geringere Rückstellungen für die zukünftigen Rentenzahlungen zu bilden. Gleichzeitig zeigen andere Parameter, dass die DAX-Unternehmen mit Blick auf die hohe Inflation durchaus vorsichtig kalkulieren und beispielsweise höhere zukünftige Gehalts- und Rentensteigerungen bei der Rückstellungsermittlung eingepreist haben. Der durchschnittliche Gehaltstrend stieg gegenüber dem Vorjahr von 2,56 Prozent auf 2,80 Prozent und der Rententrend von 1,76 Prozent auf 2,20 Prozent. Neben den Pensionsverpflichtungen ist zudem auch das Deckungsvermögen, welches die Unternehmen zur Finanzierung der Betriebsrenten gebildet und separiert haben, von 302 Milliarden Euro auf ca. 246 Milliarden Euro gesunken.
„Insgesamt war die Reduzierung der Pensionsverpflichtungen aufgrund des Zinsanstiegs höher als die Verminderung der Deckungsvermögen, die aus den Entwicklungen an den Kapitalmärkten resultierte. Der Ausfinanzierungsgrad der Pensionen stieg daher in den Jahresabschlüssen 2022 sogar auf den historischen Höchstwert von ca. 80 Prozent. Zwei Unternehmen haben ihre Pensionsverpflichtungen bereits vollständig ausfinanziert; bei sechs weiteren Unternehmen liegt der Deckungsgrad über 90 Prozent“, fasst Christoph Tellmann, Senior Consultant bei Aon Wealth Solutions, die Analyse der bislang veröffentlichten Geschäftsberichte zusammen.
Der weiter anhaltende Zinsanstieg bietet Unternehmen im Jahr 2023 die Chance, die Lücke zwischen Pensionsverpflichtung und Deckungsvermögen weiter zu verringern. Die hohen Zinsen haben die zukünftigen Ertragserwartungen von Anleiheinvestments erheblich verbessert, was die Attraktivität im Vergleich zu Aktien und alternativen Investments deutlich gesteigert hat. Eine Überprüfung der strategischen Anlagepolitik und gegebenenfalls eine Anpassung der langfristigen Portfolioausrichtung bietet damit erstmals seit Jahren wieder das Potenzial, gesetzte Renditeziele mit langfristig geringerem Schwankungspotenzial zu erreichen. Dabei muss man beachten, dass sich die Risiken der unterschiedlichen Anlageklassen wandeln. Insbesondere die Schwankungen und Risiken aus Anleiheinvestments, deren Kurse aufgrund steigender Zinsen stark unter Druck geraten, sollten einer umfassenden Analyse unterzogen werden, um Grundlage für bessere Entscheidungen zu sein.
„Vielen Unternehmen ist es in der Vergangenheit erfolgreich gelungen, die Struktur der Deckungsvermögen so an die Verpflichtungen anzupassen, dass sich Assets und Liabilities bei geänderten Marktzinsniveaus im Gleichlauf bewegt haben und somit der Saldo aus Pensionsverpflichtungen und Deckungsvermögen – die bilanzierte Pensionsrückstellung – weitestgehend stabil geblieben ist. Aus Sicht der Arbeitgeber lohnt es sich, bei der Ausgestaltung von Pensionsplänen darauf zu achten, dass die zunehmende Volatilität – in diesem Fall mögliche Zinsänderungen oder hohe Inflation – keine Auswirkungen auf die Liquiditätsbelastung und die Bilanzen der Unternehmen hat“, kommentiert Rafael Krönung, CEO für den Bereich Wealth Solutions bei Aon Deutschland.
Die vollständige Studie über die Pensionspläne der DAX-Unternehmen wird voraussichtlich im Mai 2023 verfügbar sein.
Goran Culjak ist Redakteur bei dpn – Deutsche Pensions- & Investmentnachrichten. Davor arbeitete er bei PLATOW als Fachredakteur für Versicherung und Altersvorsorge und etablierte die Risikomanagementkonferenz. Der Diplom-Betriebswirt (FH) startete 2004 als Pressereferent bei Union Investment seine berufliche Laufbahn.