Frau Friedrichs, was dürfen Investoren von Aktien und insbesondere vom Small & Mid-Cap-Segment erwarten?
Charlotte Friedrichs: Im Jahr 2024 steht für Aktien aus dem Small & Mid-Cap-Segment das makroökonomische Umfeld im Blickpunkt – besonders auch das Zinsumfeld nach dem starken Zinsanstieg in den beiden zurückliegenden Jahren. Im Gegensatz zu illiquiden Asset-Klassen reflektieren Aktien bereits das gestiegene Zinsumfeld in ihrer Bewertung. Das hat sich 2022 gezeigt, als die Aktienmärkte viel Gegenwind erfahren haben. Im Laufe des Jahres 2023 hat sich dieser negative Trend wieder umgekehrt. Vor allem im November und Dezember des vergangenen Jahres haben sich die Aktienmärkte insgesamt wieder sehr positiv entwickelt.
Dahinter steht die Erwartung auf ein stabiles, vielleicht sogar akkomodatives Zinsumfeld in 2024. Wir rechnen mit einem neutralen bis positiven Zinsumfeld und einer ähnlichen Entwicklung in der Realwirtschaft – wenn die Geopolitik mitspielt.
Das Small & Mid-Cap-Segment stand bei institutionellen Investoren lange im Schatten der Large Caps, vor allem der Magnificent 7, also von Apple, Nvidia, Alphabet, Meta, Amazon, Tesla und Microsoft. Was soll Investoren davon überzeugen, sich künftig stärker das kleinere Segment anzuschauen?
Charlotte Friedrichs: Perspektivisch ist es für aktive Manager einfacher, über Small & Mid Caps Alpha oder Outperformance zu generieren als über Large Caps, weil die Firmen einfach von weniger Analysten gecovert sind. Wir als Portfolio-Manager gucken immer bottom-up auf unser Portfolio, wie die einzelne Firma in ihrem Markt- und Produktumfeld aufgestellt ist und wie ihre Qualitätsmerkmale aussehen. Unsere Portfoliounternehmen zeichnen jeweils eine solide Bilanz, eine starke Margenstruktur und eine starke Position im Wettbewerbsumfeld aus. Das ermöglicht ihnen, über Jahre hinweg jeweils eine überdurchschnittliche Rendite zu erzielen. Wir finden Unternehmen für unsere Strategie tendenziell eher in Branchen wie Industriegüter, Technologie und Gesundheit. Sie bringen zum Beispiel über Patente, ihre Markenkraft oder Netzwerkeffekte das Potential für überdurchschnittliche Renditen mit. Für solche Firmen ist das Zinsumfeld, das wir in diesem Jahr erwarten, sehr gut. Die Unternehmen in unserem Portfolio haben keine größeren Refinanzierungsthemen, und ihre Bewertungen sind bereits angepasst. Diese Faktoren lassen uns insgesamt sehr positiv auf Aktien im Small & Mid-Cap-Segment schauen.
Warum hat zuletzt nicht jeder Investor hier zugegriffen?
Charlotte Friedrichs: Das Small & Mid-Cap-Segment ist generell volatiler. Das bedeutet, dass diese Titel in einem volatilen Umfeld im Wert stärker runtergehen. Wenn der Markt dann in eine Erholungsphase eintritt, erholen sich Small & Mid-Cap-Titel aber auch stärker. Normalerweise handelt der Markt Small & Mid Caps zu einem Premium gegenüber Large Caps auf Grund der stärkeren Wachstumschancen. Im aktuellen Umfeld sehen wir dagegen einen Abschlag im Small & Mid-Cap-Segment. Viele Titel, die für uns in der Vergangenheit zu teuer bewertet waren, sind mittlerweise günstiger und für uns sehr interessant. Dadurch lassen sich beispielsweise im konjunkturell schwächeren deutschen Markt derzeit viele spannende Unternehmen finden, die unterbewertet sind und deren Aktien sich für einen Kauf anbieten. In den USA profitieren viele Small & Mid Caps von Infrastruktursubventionen wie zum Beispiel dem CHIPS Act der amerikanischen Regierung. In Japan beobachten wir, dass Tokyo Stock Exchange die dortigen Unternehmen veranlasst, auf die Nutzung ihres Kapitals zu achten. So stellt die Tokioter Börse Unternehmen mit einer Price to book ratio von signifikant unter 1 in aller Öffentlichkeit negativ heraus. So will die Börse die Firmen dazu bringen, ihre Kapitalallokation zu verbessern. Die Unternehmen reagieren auf solche Anstöße, und das hat den positiven Effekt, dass sich ihre Börsenkurse verbessern und das Interesse internationaler Investoren steigt.
Wie gehen Small & Mid Caps mit ihrer Abhängigkeit von China um?
Charlotte Friedrichs: Schon während der Lockdown-Phasen in China in den vergangenen Jahren wurden auch Hersteller aus dem Small & Mid-Cap-Bereich mit der Tatsache konfrontiert, dass bestimmte Produkte plötzlich nicht mehr verfügbar waren und neue Lieferketten aufgebaut werden mussten. Dieses Thema beschäftigt Unternehmen aller Größen und Regionen teils bis heute. Auch den Small & Mid Caps ist bewusst, sich aufgrund sich verschlechternder Handelsbeziehungen breiter aufstellen zu müssen. Schwieriger, als den Zulieferermarkt zu kompensieren, wird es hingegen, den Absatzmarkt China durch neue Märkte zu ersetzen. Das trifft die Unternehmen je nach Branche unterschiedlich stark. Allerdings ist eine sich abschwächende Nachfrage aus China auch kein neues Phänomen, sondern die Unternehmen stellen den schwachen chinesischen Absatzmarkt schon länger fest. So ist auch die erhoffte Marktöffnung in China im vergangenen Jahr ausgeblieben.
Dr. Guido Birkner ist Chefredakteur von dpn – Deutsche Pensions- und Investmentnachrichten. Seit dem Jahr 2000 ist er für die F.A.Z.-Gruppe tätig. Zunächst schrieb er für das Magazin „FINANCE“, wechselte dann als Studienautor 2002 innerhalb des F.A.Z.-Instituts zu den Branchen- und Managementdiensten, später zu Studien und Marktforschung. Von 2014 bis 2020 verantwortete er redaktionell den Bereich Human Resources in der F.A.Z. BUSINESS MEDIA GmbH. Seit Juli 2019 gehört er der dpn-Redaktion an.