Grossbanken dominieren auch 2022 die Rangliste der Schweizer Retailbanken auf dem Weg zur Digitalisierung ihrer Dienstleistungen. Mit hybriden Dienstleistungen nähern sich die Retailbanken jedoch den digitalen Banken an.

Die Digitalisierung der Kundenbeziehungen von Schweizer Retailbanken beschleunigt sich. Die Universalbanken haben sich mittlerweile fest etabliert, während ihnen die Neobanken immer noch einen Schritt voraus sind. Das sind die Erkenntnisse einer aktuellen Studie von Colombus Consulting über die Digitalisierung der Kundenerfahrung. Die Studie bestätigt eine Wiederaufnahme des Digitalisierungswachstums an verschiedenen Schnittstellen, wobei sich die Kluft zwischen Retailbanken und digitalen Banken tendenziell verringert. Dennoch bestehen weiterhin Unterschiede, insbesondere bei den angebotenen Funktionen und der Kundenerfahrung, wo die Neobanken durch Innovation und eine hauptsächlich digitale Kundenbeziehung hervorstechen.

Grossbanken dominieren auch 2022 noch die Rangliste

Nachdem sie von Swissquote herausgefordert wurden, bleiben die Grossbanken in der Rangliste von Colombus Consulting in dieser Reihenfolge führend: UBS, PostFinance, Raiffeisen, Credit Suisse. Die Ankunft von Yuh, das aus einer Partnerschaft zwischen PostFinance und Swissquote hervorgegangen ist, ist einer der Höhepunkte der Rangliste 2022. Die Neo-Bank legt einen bemerkenswerten Auftritt hin, indem sie Swissquote nach nur 18 Monaten überholt hat und gleichzeitig hinter PostFinance bleibt. Auch wenn sich die Rangliste kaum verändert hat, sind in allen untersuchten Dimensionen Entwicklungen zu verzeichnen und das Wachstum im digitalen Bereich bleibt nachhaltig.

Einige Zahlen verdeutlichen diesen Trend: Die digitale Reichweite der Retailbanken in der Schweiz ist um 12 Prozent auf 26 Millionen monatliche Besuche gestiegen. Die Reichweite in sozialen Netzwerken wächst ebenfalls und die Anzahl der Abonnenten erreicht nun 2.3 Millionen in der Schweiz (+7 Prozent).

Retailbanken nähern sich den digitalen Banken an

Mit dem Aufkommen von Neobanken und neuen Marktbedürfnissen haben traditionelle Banken in diesem Jahr mehr digitale Dienstleistungen angeboten oder sogar eigene Marken wie CSX (Credit Suisse) eingeführt. CIC ist die letzte Bank, die mit CIC ON in diese Nische einsteigt und eine ganze Reihe von digitalen und persönlichen Finanzlösungen anbietet. «In den letzten Jahren sind viele neue Banken entstanden; um auf dem hart umkämpften heimischen Markt Fuss zu fassen, ist Innovation aber nach wie vor unerlässlich», sagt Jean Meneveau, Direktor von Colombus Consulting Schweiz.

Yuh vertreibt Swissqoins (eine Kryptowährung der Muttergesellschaft Swissquote), um die Nutzung seiner Dienstleistungen zu steigern und die Kundenbindung zu erhöhen. Eine originelle Mischung aus Bankdienstleistungen und Gamification.

Mobile Apps werden von Neo-Banken angetrieben

Innerhalb weniger Jahre haben sich mobile Apps von einem einfachen Schaufenster für Kundendienstleistungen rund um das E-Banking zu einem Raum entwickelt, in dem sich die gesamte Innovation des Bankensektors konzentriert. In diesem Bereich bleibt Revolut unschlagbar, vor allem dank spezieller Funktionen, wie zeitlich begrenzte Bankkarten und Sofortzahlungen, die mit Twint frontal konkurrieren. Die anderen grossen Banken (UBS, PostFinance, Credit Suisse) folgen und machen Fortschritte, ohne jedoch ihren Rückstand aufzuholen. Diese Banken haben in der Vergangenheit Twint bevorzugt, das inzwischen fast überall eingesetzt wird (fast 80 Prozent des Panels).

Soziale Netzwerke: Weiterhin starkes Wachstum, LinkedIn an der Spitze

Das Wachstum in sozialen Netzwerken ist ungebrochen. Auch wenn jeder nach Neuheiten auf Tik Tok Ausschau hält, bleibt das Netzwerk für den Bankensektor wenig relevant und nur 20 Prozent der Banken des Panels haben dort ein wirklich aktives Konto. Linkedin hingegen nimmt mit 58 Prozent des gesamten Engagements in allen sozialen Netzwerken des Panels die Hauptrolle ein. Die Priorität scheint also eher darin zu bestehen, Berufstätige in einem seriösen Rahmen wie LinkedIn anzusprechen, als eine jüngere Zielgruppe in einem unkonventionellen Kontext wie Tik Tok. Traditionelle Banken betonen ihre ESG-Produkte und ihr CSR-Engagement stärker, während Neo-Banken eher über neue Technologien und Kryptowährungen sprechen.

Bankdienstleistungen sind auf dem Weg zur Digitalisierung

Die Banken haben seit der Pandemie mehr in die Digitalisierung investiert, vor allem bei Kontoeröffnungen (2/3 des Panels). Einige Banken verlangen zwar immer noch den Besuch einer Filiale, aber die Entwicklung einer zunehmend digitalen Beziehung ist eine Priorität, insbesondere für einfache Vorgänge, ohne die Berater bei komplexeren Vorgängen zu ersetzen. Die konservativeren Institute setzen auf Nähe und eine hybride Kundenbeziehung zwischen digitalen Kanälen und Beratern. In jedem Fall bleibt die Omnikanalität für traditionelle und digitale Banken von entscheidender Bedeutung, wobei die Art und Weise, wie sie die Kundenbeziehung betrachten, sehr unterschiedlich ist. «Die wichtigsten Etappen im Leben der Kunden, wie neue Projekte, der Kauf einer Immobilie oder die Altersvorsorge, sind oft noch nicht in den digitalen Kanälen enthalten, obwohl sie natürliche Einstiegspunkte für zukünftige Kunden sind», schliesst Jean Meneveau.

Werden Nachhaltigkeit und ESG-Kriterien zur neuen Norm kommen?

Angesichts der Klimakrise nehmen ESG-Investitionen an Fahrt auf und werden von den Bankakteuren weitgehend übernommen. Die nachhaltige Entwicklung wird somit zur Normalität in den Anlagekriterien der Kunden, die nun diese Transparenz verlangen. An dieser Stelle sind die digitalsten Banken im Rückstand, die vor allem neue Produkte mit einer technologischen Dimension in den Vordergrund stellen, insbesondere Kryptowährungen. Diese erfüllen die ESG-Kriterien nicht optimal.

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