Christoph Strasser, Co-CEO der Pacifico Renewables Yield AG, kommentiert die Notwendigkeit der Vergleichbarkeit von ESG-Kriterien & EU-Taxonomie.

Klimawandel, Ressourcenknappheit, Umweltverschmutzung und soziale Ungerechtigkeit haben dazu geführt, dass sich Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren zu einem der zentralen Punkte von Wirtschaft und Gesellschaft entwickelt hat. Das spiegelt sich auch auf der Agenda von Unternehmen wider. Immer häufiger integrieren sie ESG Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (gute Unternehmensführung)) als festen Bestandteil in die Unternehmensstrategie, um auch langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Regulierung als Treiber

Auch der Regulierungsdruck von oben steigt: Mit dem EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums hat das Thema Nachhaltigkeit Einzug in die Europäische Kapitalmarktregulatorik erhalten. Die verschiedenen Instrumente innerhalb des Aktionsplans, wie die EU-Taxonomie und die Offenlegungsverordnung, sollen dazu beitragen, Transparenz und Vergleichbarkeit zu schaffen und Kapitalströme in nachhaltige Investitionen zu lenken. Um an Nachhaltigkeit interessierte Investoren überzeugen zu können, gewinnen zudem externe ESG-Ratings von Anbietern wie Sustainalytics, MSCI und ISS ESG an Relevanz. Sie geben Auskunft darüber, wie nachhaltig ein Finanzprodukt oder ein Unternehmen nach der Bewertungsmethode des Anbieters ist und ob ESG-Kriterien umgesetzt werden: Z.B. der Einsatz erneuerbarer Energien im Unternehmen, eine faire Bezahlung der Mitarbeiter:innen und das Engagement gegen Korruption. Dadurch soll Nachhaltigkeit ähnlich messbar werden wie die klassischen Unternehmenskennzahlen.

Die Prüfprozesse, um ein ESG-Rating zu erhalten, unterscheiden sich je nach Anbieter. Meist bilden internationale Standardwerke das Fundament, etwa der UN Global Compact, die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation oder die UN Sustainable Development Goals. Wir bei Pacifico Renewables haben unseren Nachhaltigkeitsbericht dementsprechend erstellt und unsere Nachhaltigkeitsziele etwa an ihrem Beitrag zu den UN Sustainable Development Goals gemessen. Anschließend wird anhand einer großen Summe an Leistungsindikatoren die Nachhaltigkeit des Unternehmens bewertet. ISS ESG etwa bewertet aus einem Pool von über 800 ESG-Kriterien, von denen etwa 90 Prozent branchenspezifisch sind. Die Bewertungsstruktur sieht hierbei je nach Branche unterschiedliche Gewichtungen auf der Kriterienebene und den Gesamtsäulen E, S und G vor. Zwar reduziert dies die branchenübergreifende Vergleichbarkeit, ermöglicht jedoch einen direkten Vergleich mit Wettbewerbern und anderen Unternehmen aus der Branche.

ESG – auch etwas für kleine Unternehmen

Großunternehmen mit Index-Zugehörigkeit bekommen meist kostenlos ein ESG-Rating, wodurch für kleinere Unternehmen ein systematischer Nachteil entsteht. Kritisch zu betrachten ist auch, dass bislang noch kein einheitlicher Leitfaden für die ESG-Prüfung von Unternehmen und Finanzprodukten seitens der Regulierungsbehörden existiert. Aktuell definiert jede Ratingagentur eigene Messmethoden und gewichtet die einzelnen ESG-Kriterien nach unterschiedlichen Ansätzen. Dadurch kristallisiert sich ein Zwang heraus, mehrere Anbieter abzudecken, um Vergleichbarkeit mit anderen Unternehmen zu ermöglichen. Das stellt besonders kleinere Unternehmen vor finanzielle Herausforderungen. Neben finanziellen Mitteln erfordert ein ESG-Rating natürlich auch personelle Mittel. Jemand muss die Daten für die Ratingagentur sammeln, sowie die Zusammenarbeit und Kommunikation leiten. Um ein gutes Rating zu erhalten, sind außerdem MitarbeiterInnen notwendig, die das Nachhaltigkeitsmanagement intern betreuen und über entsprechende Expertise verfügen. Entscheidend ist jedoch, dass die Auseinandersetzung mit ESG-Ratings auf Unternehmensebene dazu führt, dass dem Thema Nachhaltigkeit vermehrt Beachtung geschenkt wird. Daher sollten auch kleinere beziehungsweise jüngere Unternehmen sich mit den Möglichkeiten auf dem Rating-Markt befassen, was dabei helfen kann, das Thema ESG in die Unternehmensstrategie zu integrieren. Obwohl wir als Unternehmen noch relativ jung sind, haben wir bereits im letzten Jahr unseren ersten Nachhaltigkeitsbericht entsprechend internationalen Standards umgesetzt und wollen uns dabei in den nächsten Jahren kontinuierlich weiterentwickeln. Unsere im Nachhaltigkeitsbericht festgesetzte Nachhaltigkeitsstrategie stellt für uns das Fundament unserer Ambitionen dar und bietet auch aus externer Sicht einen wichtigen Anhaltspunkt für die Bewertung unserer Nachhaltigkeit.

Standards schaffen

Grundsätzlich ist das Risiko von Greenwashing bei angeblich nachhaltigen Unternehmen und Finanzprodukten noch hoch. Daher braucht es konvergierende Standards, die zeigen, was eine “gute” und eine “schlechte” ESG-Performance ist. So lässt sich auch eine potenzielle Diskrepanz der ESG-Ratings verschiedener Ratingagenturen für ein und dasselbe Unternehmen beseitigen. Ein Schritt in die richtige Richtung ist hier besonders die Einführung der EU-Taxonomie, durch welche Unternehmen ihren Beitrag zu sechs von der EU definierten Nachhaltigkeitszielen messen können. Die Nachhaltigkeit von Unternehmen und Finanzprodukten gewinnt dadurch deutlich an Vergleichbarkeit und bietet Investoren und Unternehmen mehr Sicherheit. Aus diesem Grund prüfen auch wir bereits jede unserer Akquisitionen auf EU-Taxonomie-Konformität.

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