Herr Bayerl, Sie sind seit 2008 bei der MEAG, inzwischen als Geschäftsführer für illiquide Investments. In Zeiten hoher Fluktuation auf Führungsebene ist das bemerkenswert. Was hält Sie so lange im Unternehmen?
Nun, nach ein paar Jahren ist man unvermittelbar – wie eine Immobilie, die Sie nicht abstoßen können (lacht). Spaß beiseite: Was mich hält, ist vor allem das Empowerment, das bei der MEAG gelebt wird. Wir übertragen jungen Kolleginnen und Kollegen schnell Verantwortung und geben ihnen den nötigen Spielraum, um das Unternehmen und die Investoreninteressen voranzutreiben. Bei uns heißt es selten „Mach das nicht“, sondern meistens „Coole Idee, arbeite weiter daran“. Hinzu kommt, dass die Wege zu unseren Haupt-investoren Munich Re und ERGO kurz sind, so dass ich schnell liquide Mittel mobilisieren kann, um in neue, vielversprechende Strategien zu investieren. Die 355 Milliarden Euro an Assets, die die MEAG managt, gehören unseren Investoren. Was die MEAG ausmacht, sind das Können, der Fleiß und die Innovationskraft der Mitarbeitenden, die unseren Kunden echten Mehrwert liefern. Dieses professionelle und gleichzeitig familiäre Umfeld findet man nur in wenigen Häusern.
Welche Erkenntnisse haben Sie im vergangenen Jahr als Führungskraft im illiquiden Bereich gewonnen?
Als Führungskraft sehe ich meine Rolle vor allem darin, mein Team an meiner Erfahrung teilhaben zu lassen. Dabei möchte ich vielmehr Sparringspartner sein, und auf keinen Fall ein Bottleneck, an dem alle Entscheidungen vorbeimüssen. Ich will und trage auch die Verantwortung dafür, dass mein Team eigenständig Entscheidungen treffen kann. Das stärkt zugleich die Identifikation jedes Einzelnen mit unseren Investmentthemen-
Und was waren Ihre wichtigsten Erkenntnisse aus der Kapitalanlagesicht?
Das Controlling beginnt vor dem Kauf! Bereits am ersten Tag eines illiquiden Investments muss es passend strukturiert und in der Tiefe analysiert sein. Ich muss alle relevanten Risiken kennen, sie bewusst eingehen können und dafür auch eine adäquate Risikoprämie erhalten.
Was haben Sie in Ihrer bisherigen Karriere bezüglich des Umgangs mit Liquiditätsrisiken gelernt?
Liquidität ist da, wenn man sie nicht braucht. Und wenn man sie braucht, fehlt sie. Die größten Verkäufe finden statt, wenn Leute in Panik geraten. Der Wert eines illiquiden Investments beruht hingegen auf Cashflows und Sachwerten, die über verschiedene Zyklen hinweg einen hohen volkswirtschaftlichen Wert haben. Das sichert den Werterhalt. Gemein ist liquiden und illiquiden Asset-Klassen, dass die Marktbreite entscheidend ist. Wenn ich in den einzigen Photovoltaik- oder Windparkbetreiber einer Region investiere, kann das ebenso illiquide sein, wie wenn ich Anleihen des einzigen Zugbetreibers im Land halte. Auch die Märkte selbst verhalten sich unterschiedlich: Während in Europa Investoren bei Infrastrukturinvestments eher einem Buy-and-Hold-Ansatz folgen, wird in den USA viel schneller und häufiger ge- und verkauft.
Welchen Ansatz verfolgt die MEAG?
In unserer Grund-DNA ist der Hold-Ansatz verankert, und wir denken investmentübergreifend in Zeiträumen von zehn bis 20 Jahren. Wir investieren nicht in Illiquide, um schnelle Capital Gains zu erzielen, sondern um uns vom Kapitalmarkt zu entkoppeln und breit zu diversifizieren. Bildlich gesprochen: Strom, Wasser oder Wohnungen werden unabhängig von der wirtschaftlichen Lage immer gebraucht. Diese Dekorrelation ist der eigentliche Charme illiquider Anlagen. In der Niedrigzinsphase waren zwar die möglichen Überrenditen der Haupttreiber, doch die Dekorrelation macht ihren wirklichen Wert aus. Deshalb finden wir auch natürliche Ressourcen als Asset-Klasse derzeit so interessant. Ist Klimawandelresilienz gegeben, wächst ein Wald jedes Jahr automatisch und ist damit automatisch mehr wert. Das ist sehr attraktiv für die Kapitalanlage.
Was haben Sie in den vergangenen Jahren über den Markt gelernt?
Dass sich Dinge extrem schnell verändern können. Binnen drei, vier Monaten kam es zu massiven Bewegungen. Mit Stresstests müssen wir sicherstellen, dass wir solche Schocks eine gewisse Zeit lang aushalten können. Natürlich arbeitet jeder mit Grundszenarien zu Inflation und Zinsniveau, aber was passiert, wenn die Realität plötzlich um plus/minus 10 Prozent abweicht? Wir führen deshalb lieber zu viele und zu harte Stresstests durch als zu wenige. Kritisch sehe ich auch den Leverage im Private-Debt-Segment, der durch das starke Wachstum der Asset-Klasse meiner Meinung nach zu hoch ist. Wenn sich Geschäftsfelder verändern, bleiben Kreditgeber auf ihren Forderungen sitzen. Die große Insolvenz- und Default-Welle ist bislang ausgeblieben, aber die Refinanzierungszyklen stehen noch bevor. Auch das breite Private-Equity-Segment sehe ich skeptisch: Auf dem Primärmarkt herrscht wegen unterschiedlicher Preiserwartungen Zurückhaltung, während der Secondaries-Markt stark wächst. Anteile lassen sich dort mit 10 bis 15 Prozent Abschlag kaufen. Das ist Ausdruck von Liquiditätsproblemen. Gefühlt ist auch hier zu viel Risiko im System.
Die MEAG ist stark im Bereich Infrastruktur positioniert.
Wie bewerten Sie das Investitionspaket der Bundesregierung?
Die 500 Milliarden Euro werden nicht reichen und das weiß auch die Politik. Deshalb befindet sie sich im Gespräch mit uns privaten Marktakteuren. Wir haben Appetit zu investieren. Doch damit die Mittel maximalen Mehrwert stiften, braucht es eine klare Fokussierung auf zentrale Infrastrukturprojekte statt des Gießkannenprinzips.
Wo sehen Sie die größten Chancen?
Knapp ein Drittel unseres Debt-Portfolios entfällt auf deutsche Infrastruktur. Großes Potential sehen wir vor allem im Transportsektor und in der Energieversorgung. So haben wir zuletzt neben einer S-Bahnstrecke beispielsweise eine Stand-alone-Batteriefazilität erworben, die Netzschwankungen stabilisiert und dadurch Rendite generiert. Auch der Sozialbereich, etwa der Bau von Schulen und Kindergärten, ist wichtig. Allerdings erweist sich hier die kommunale Verantwortung häufig als Herausforderung.
Warum?
70 Prozent der Infrastruktur in Deutschland liegen in kommunaler Verantwortung. Dadurch werden Investitionen schnell zu einem Politikum. Wenn die Bürger vor Ort mehr grüne Energie benötigen, sollte sie auch dort produziert werden können. Auf kommunaler Ebene braucht es dafür jedoch mehr Bereitschaft und Flexibilität. Noch immer gibt es Vorbehalte gegen Public-Private-Partnerships, vor allem wegen vermeintlich höherer Kosten. Das stimmt zwar, aber wenn Kommunen Projekte selbst finanzieren, tragen sie auch 100 Prozent des Risikos. Länder wie die Niederlande oder Nordirland gehen hier klüger vor
Was könnte sich die Bundesregierung von anderen Ländern abschauen?
In Deutschland dauert vieles zu lange, wenn es nicht Bundessache ist. Gerade kleine Kommunen müssen sich erst Unterstützung und Expertise beschaffen. Das kostet Zeit und Geld. In den Niederlanden hingegen haben zwei zentrale Behörden den Hut auf: eine für Transport, eine für Soziales. So werden Ausschreibungen gebündelt und ermöglichen schnelle, saubere und gleichzeitig EU-konforme Vergabeprozesse. Wenn wir die Bedarfe deutscher Kommunen zusammenfassen würden, entstünde mehr Transparenz und Planbarkeit. Investoren könnten sich in der Folge mit passgenauen Angeboten beteiligen, was zu besseren Ergebnissen führt.
Zum Schluss ein persönlicher Einblick: Wie investieren Sie Ihr privates Kapital?
Ich setze auf einen sicheren Grundstock, beispielsweise aus Versicherungsprodukten, und ergänze diesen mit Aktienfonds und Immobilien. Aufgrund der Zinsen halte ich aktuell auch etwas Cash. Nach unten bin ich planbar, nach oben lasse ich gern Luft zum Atmen.
Arrian Correns ist seit 2024 Redakteur bei dpn – Deutsche Pensions- und Investmentnachrichten. Seine ersten Schritte im Journalismus machte der studierte Staatswissenschaftler im Lokaljournalismus. 2023 wechselte er mit dem Volontariat im Fachverlag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in den Finanzjournalismus. In dieser Zeit schrieb Arrian Correns auch für die dpn-Schwesterpublikationen „FINANCE Magazin“ und „Die Stiftung“. Arrian Correns befasst sich heute vor allem mit Themen der institutionellen Kapitalanlage und der Digitalisierung der Investmentbranche.

