Die EZB setzt seit Oktober 2022 auch auf grüne Kriterien bei der Steuerung ihres 390 Milliarden Euro schweren Portfolios aus Unternehmensanleihen. Damit zählt die Währungshüterin zu den größten Akteuren am Markt für auf Euro lautende Unternehmensanleihen. Da die EZB ihre Klimabewertung nicht veröffentlicht, berechnet Metzler Asset Management, in Anlehnung an die EZB-Methodik, eigene Klima-Scores. Diese zeigen: Die angestrebte Dekarbonisierung des EZB-Portfolios benachteiligt vor allem Emittenten aus CO2-intensiven Sektoren ohne ambitionierte Klimaziele und mit wenig transparenter Klima-Berichterstattung.
Die Nettokäufe von Anleihen im Zuge der Kaufprogramme CSPP und PEPP wurden inzwischen beendet. Die fällig werdenden Barmittel aus bestehenden Anleihen – jährlich etwa 30 Milliarden Euro – werden jedoch weiterhin teilweise reinvestiert. Seit Oktober letzten Jahres berücksichtigt die EZB bei diesen Reinvestitionen auch, ob Anleiheemittenten einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Angestrebt wird eine schrittweise Dekarbonisierung des EZB-Portfolios, die sich an den Zielen des Pariser Klimaabkommens orientiert.
Die EZB beurteilt das Klimaprofil auf Grundlage einer emittentenspezifischen Klimapunktzahl, dem sogenannten „Klima-Score“. Aus drei untergeordneten Scores zusammengesetzt, berücksichtigt er die bisherigen Treibhaushausgas (THG)-Emissionen, die zukünftig geplante THG-Emission anhand von Klimazielen sowie die Transparenz und Qualität der klimabezogenen Offenlegung. Metzler AM berechnet auf Grundlage der öffentlich verfügbaren EZB-Informationen zur Methodik daher eigene Klima-Scores, um Portfolioanpassungen der EZB antizipieren zu können.
Dem Klima-Score des Frankfurter Bankhauses zufolge sind Emittenten mit kritischen Klimaprofilen häufig in Wirtschaftsbereichen zu finden, in denen die Dekarbonisierung des Geschäftsmodells besonders schwerfällt. Dazu zählen die THG-intensiven Sektoren Energie, Versorger und Grundstoffe. Gerade der Energiesektor zeigt darüber hinaus deutlichen Nachholbedarf bei der Formulierung ambitionierter Klimaziele. Die Metzler-Experten gehen davon aus, dass die EZB auf Basis des Klima-Scores innerhalb CO2-intensiven Sektoren differenzieren wird und erwarten hier keinen kompletten Rückzug der EZB. Nichtproduzierende, CO2-arme Sektoren weisen tendenziell höhere Klima-Scores aus. Geringe Unterschiede zwischen den Sektoren lassen sich laut Metzler hinsichtlich der Transparenz und Qualität der klimabezogenen Offenlegung beobachten. Wenn ein Unternehmen sich dazu entschließt, Emissionsdaten zu veröffentlichen, fällt die Offenlegungsqualität tendenziell hoch aus.
EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel machte in einer Rede im Januar 2023 deutlich, so Metzler, dass die Klimaziele auf Portfolioebene über die bisherige Praxis der Reinvestitionen in grüne Emittenten (sogenannte „Flow-based Tilting“) nicht erreichbar wären. Stattdessen präsentierte sie weitergehende Überlegungen für ein „Stock-based Tilting“, also eine aktive Umschichtung des Portfolios in Richtung grüner Emittenten. Auch Asset-backed Securities und Covered Bonds könnten einbezogen werden. Sollte es dazu kommen, dürfte die Relevanz des Klima-Scores für die aktive Steuerung von Anleiheportfolios deutlich zunehmen. Die Finanzierungskosten für Emittenten mit kritischen Klimaprofilen könnten steigen, Emittenten mit guten Klimaprofilen im Gegenzug profitieren.