Beim dpn-Roundtable ESG & Impact Investing diskutierten fünf Experten intensiv über Begrifflichkeiten, Abgrenzungen, regulatorische Themen sowie aktuelle Herausforderungen und zukünftige Chancen.

Kostet Ihrer Ansicht nach nachhaltiges Investieren Rendite?

Eva Meyer: Auch diesbezüglich haben wir mehrere interne Untersuchungen durchgeführt. Diese kommen allesamt zu dem Schluss, dass nachhaltige Investments keine Renditeeinbußen erzielen. Ganz im Gegenteil, nachhaltige Anlagen können das Rendite-Risiko-Profil eines Portfolios optimieren und durch die Einbeziehung von ESG-Kriterien können auch bessere Inves- titionsentscheidungen getroffen werden. Vielleicht noch ein Punkt. Auch in Stressphasen wie beispielsweise der Coronakrise performten nachhaltige Portfolios besser und krisenfester als klassische Portfolios.

Dann müsste doch jeder Institutionelle in ESG- Portfolios investieren?

Christian Schubert: Auch wir stellen fest, dass institutionelle Investoren verstärkt in nachhaltige Produkte investieren. Wichtig ist gleichwohl, dass es keine Ausschlüsse gibt. Negativ- oder Positivlisten schränken das Investment-Universum unserer Ansicht nach einfach zu stark ein. Deswegen empfehlen wir, die Chancen des Umbaus der Wirtschaft zu nutzen, um vom daraus entstehenden Finanzierungs-Gap zu profitieren. Daneben sollten sich institutionelle Anleger nicht nur auf den Umwelt-Faktor E bei den ESG-Faktoren konzentrieren. Wir beispielsweise sehen, dass insgesamt die Governance-Faktoren in den Fokus kommen. Warum? Weil es hier um Risiken und Investitionsprozesse geht, die sehr wichtig für eine nachhaltige Rendite sind.

Inka Schulte: Sie haben bereits viele Aspekte genannt. Wir sind zudem der Meinung, dass die Einbeziehung von Nachhaltigkeits- kriterien langfristig zu besseren risikoadjustierten Returns führt. Dies gilt für alle Asset-Klassen: für Eigen- und Fremdkapital, für Unternehmen und Staaten, für Developed und Emerging Markets und für liquide wie auch für alternative Anlageklassen. Überall.

Weber: Mit Impact Investing verbindet man in erster Linie Asset-Klassen wie die Private Markets, Private Equity oder Venture Capital.

Theoretisch müssten Sie bei den genannten Asset-Klassen einen großen Impact erzielen können.

Weber: Auf jeden Fall eine sehr direkte Wirkung. In anderen Asset-Klassen ist es schwieriger. Grundsätzlich, glaube ich, sind zwei Dimensionen ausschlaggebend. Wenn man in die Public Markets investiert, dann ist speziell der Engagement-Faktor wichtig. Bei Private Equity und Venture Capital ist es wiederum vor allem der Company Impact, den man berücksichtigen soll.

Welchen Company Impact wollen Sie erzielen, Frau Meyer, und wie messen Sie diesen?

Meyer: Wir wollen finanzielle Mittel, die uns zur Verfügung stehen, sei es nun über unser Asset Management oder in unserer Funktion als Kreditgeber, nachhaltig allokieren, die Transformation stützen und entsprechend an die „richtigen“ Unternehmen verteilen.

Wer sind die richtigen?

Meyer: Man unterliegt als Bank immer der Gefahr, wenn man über das Thema Nachhaltigkeit spricht, dass am Ende nur solche Unternehmen Geld erhalten, die bereits als „grün“ wahrgenommen werden, beispielsweise Windkraftanlagenhersteller. Ich glaube, um wirklich einen Impact zu erzielen, ist es auch wichtig, Transformationsfinanzierungen anzubieten und dabei insbesondere die Unternehmen zu unterstützen, die noch nicht da sind, wo sie sein sollten oder möchten. Deswegen haben wir dafür extra eine Low Carbon Transition Group, ein Sustainability Center sowie ein eigenes Advisory Team, in Deutschland, ins Leben gerufen. Diese Teams begleiten sowohl unsere Kunden als auch intern unsere Kredit- und Investitionsprozesse. Doch nicht nur das. In diesem Zusammenhang komme ich noch einmal zurück auf die Faktoren Engagement und Stimmrechtsausübung, da ich der Meinung bin, dass diese oft zu kurz kommen. Diese Themen werden aus meiner Sicht immer wichtiger. Beim Engagement und der Stimmrechtsausübung hat man tatsächlich einen Hebel, um etwas zu bewegen und konkret nachhaltigen Einfluss auszuüben.

Esterer: Da stimme ich Ihnen komplett zu. Ich unterscheide gerne zwischen der produktorientierten Sicht und der internen betriebsprozessorientierten Sicht. Ich glaube, es ist wichtig, dass man ganz konkret ins Engagement mit den einzelnen Firmen geht. Wir haben in den vergangenen Jahren mit den entsprechenden Unterneh- men beispielsweise immer ganz bestimmte Themenbereiche und ganz spezifische Probleme mit den Verantwortlichen am Tisch diskutiert. Ich glaube, da können wir als Investoren noch viel bewegen.

Weber: Ich glaube, dass Engagement und Stewardship in der Impact-Investing- Community als Instrumente noch deutlich zu wenig genutzt werden.

Schubert: Wir benutzen auf jeden Fall aktives Engagement und auch Stewardship.

Schulte: Beim Engagement haben wir bei NN IP zwei verschiedene Ausprägungen. Einerseits das thematische Engagement. Hier definieren wir Schwerpunkte, über die wir mit den Unternehmen sprechen wollen, um entsprechende Verbesserungen herbeizuführen. Das machen wir entweder im direkten Dialog oder indem wir uns einer Initiative anschließen. Wir denken, dass es sehr wichtig ist, die Stimmen der Asset-Management-Industrie zu bündeln. Die andere Art von Engagement betreiben wir, wenn wir eklatante Verstöße gegen Normen feststellen, beispielsweise Korruption. Dann gehen wir in den direkten Dialog mit dem betreffenden Unterneh- men und wirken darauf hin, dass dieser Missstand abgestellt wird. Im Extremfall kann es dann sogar dazu führen, dass dieses Unternehmen danach nicht mehr Teil unseres Investment-Universums ist. Ein Ausschluss ist immer die Ultima Ratio. Lieber möchten wir jedoch eine positive Wirkung entfalten.

Schubert: Als Beispiel fällt mir Deepwater Horizon ein. Wenn man jetzt zum Beispiel von Anfang an Ölfirmen ein- fach ausschließt, kann man kein Engagement betreiben. Aktives Engagement hat im Fall Deepwater Horizon BP veranlasst, hinterher die Sicherheitsvorkehrungen enorm zu erhöhen. Das heißt also, dass das aktive Engagement schon sehr, sehr wichtig ist.

Esterer: Übrigens ein schönes Beispiel für finanzielle Materialität von ESG-Kriterien. BP hatte die mit Abstand höchste Unfallrate von allen Ölfirmen. Sie hatten gerade drei Monate vorher noch einen großen Brand in ihrer Raffinerie in Louisiana, und es war schon aus den ESG-Daten abzusehen, dass sie ihre Sicherheitsmaßnahmen nicht streng genug eingehalten haben.

Halten Sie Atomkraftwerke für nachhaltige, klimafreundliche Anlagen?

Schubert: Frankreich wollte Atomkraftwerke oder Atomproduktion in die Taxonomie-Verordnung mit aufnehmen. Deswegen hat es auch ziemlich lange gedauert, bis die Level-2-Verordnung ausgehandelt und veröffentlicht wur- de, einfach weil ein großer Disput zwischen den zwei gro- ßen Staaten Deutschland und Frankreich existierte. Das Gleiche gilt übrigens auch für Gas. Es wurde nämlich nicht nur die Atomkraft aus der Taxonomie herausgenommen, sondern auch die Produktion der Elektrizität aus Gas, die als Brückentechnologie zum Beispiel für Deutschland ziemlich wichtig ist. Frankreich wiederum setzt stark auf Atomenergie. Das war und ist ein rein politischer Prozess. Am Ende muss man schauen, was gewinnt.

Meyer: Ich denke, final wird beides aufgenommen.

Schulte: Die Tatsache, dass diese Geschäftsbereiche jetzt in der Taxonomie als zulässig und grün notiert sind, bedeutet für uns als Asset Manager nicht zwangsläufig, dass wir auch in diese Unternehmen investieren müssen. Wir haben entschieden, dass wir in Unternehmen, die sich an neuen Atomkraftwerken beteiligen, trotzdem nicht investieren.

Esterer: Das ist eine sehr nationale Diskussion. Ich habe französische Kunden, die schmeißen mich glatt raus, wenn wir Nuklearenergie als Ausschlusskriterium definieren. Das heißt, als Produktanbieter, der versucht, aus Luxem- burg heraus europaweit Produkte anzubieten, sind wir mit sehr unterschiedlichen Anforderungen konfrontiert. Die Atomdiskussion ist jetzt eine sehr stark deutsche Dis- kussion. In Frankreich sieht das ja anders aus. In Frankreich haben wir viele CO2-Diskussionen, sie reden viel über Fußabdruck. In Spanien reden wir über die SDGs, in Skandinavien reden wir über Integration, in UK über Stewardship und Engagement. Die Themen sind schon sehr unterschiedlich. Die nachhaltige Diskussion wird in Deutschland noch sehr stark von der Werthaltung getrieben.

Schubert: WTW ist ein amerikanisch-britischer Konzern. Die Amerikaner und Briten haben wiederum einen ganz anderen Ansatz. Das heißt, sie fangen zuerst bei den Beliefs an. Die grundlegenden Überzeugungen werden daraufhin in eine Strategie überführt und erst dann machen sie sich Gedanken über die Regulatorik.

In welchen Bereichen beim nachhaltigen Investieren sehen Sie noch Handlungsbedarf?

Schulte: Wir leben in einer Zeit, in der sich viel bewegt und weiterentwickelt. Handlungsbedarf sehe ich zum einen weiterhin bei der Regulierung. Gerade mit Blick auf den Social-Faktor wissen wir in einem Jahr sicher mehr. Welche sozialen Werte für die Regulatoren ausschlaggebend sein werden, wird eine sehr spannende Frage sein, Stichwort soziale Taxonomie. Ich hoffe zum anderen auch, dass wir in einem Jahr als Asset-Management-Industrie mit einer noch besseren Datenbasis arbeiten können. Auch dieser Prozess wird im kommenden Jahr sicher noch nicht abgeschlossen sein. Summa summarum glaube ich, dass wir auf einem guten Weg sind, aber es ist definitiv nur der Anfang. Auch Themen wie die CO2-Reduktion, Paris Aligned Investment Initiatives und Social Bonds werden künftig in den Fokus rücken.

Esterer: Ich halte zukünftig insbesondere zwei Dinge für besonders spannend. Das eine geht mehr in Richtung Impact Investing. Wir reden immer vom positiven Impact. Aber wir sehen auch Bestrebungen, beispielsweise in Australien, wo Investoren hingehen und sagen, wir kaufen eine Kohlemine und legen diese einfach still. Das findet die australische Regierung jetzt sicherlich nicht wirklich prickelnd. Aber Impact Investing geht natürlich auch in die andere Richtung. In Richtung Stranded- Assets-Diskussion. Das ist natürlich zugegebenermaßen ein sehr philanthropischer Ansatz. Aber es gibt ihn. Das andere, und da stimme ich mit Ihnen überein, ist die Tatsache, dass der soziale Aspekt bei der Nachhaltigkeitsdiskussion noch sehr stark unterschätzt wird. Beispielsweise findet meiner Ansicht nach beim Thema Nachhaltigkeit die Diskussion, wie man die Ressource Mitarbeiter effizient und gut nutzen kann, praktisch noch nirgends statt.

Meyer: Die sozialen Kriterien beim Thema nachhaltiges Investieren werden zukünftig eine noch größere Rolle spielen. Das hat gerade auch die Pandemie gezeigt. Zwar sind die sozialen Kriterien schwieriger zu messen. Aber eine Social Taxonomy
und eine Wertediskussion darüber gehen eindeutig in die richtige Richtung. Die Diskussion darüber, wie wir die definierten nachhaltigen Ziele konkret erreichen, halte ich für zentral und entscheidend.

Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für die engagierte Diskussion.

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