Rührig ist derzeit nicht nur die Politik mit ihren Plänen zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und der Aktienrente. Auch die Privatwirtschaft ist wieder verstärkt aktiv in der Altersvorsorge für ihre Beschäftigten. Sowohl der Staat als auch die Unternehmen stehen unter enormem Handlungsdruck, um Arbeit mittels Benefits wieder attraktiver zu machen.
So haben der Bundesarbeitgeberverband Chemie und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie bereits im Herbst eine Tarifvereinbarung in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) geschlossen. Damit könnte das Sozialpartnermodell (SPM) für die Chemie- und Pharmaindustrie schon bald starten, zumal auch die Genehmigung der BaFin für das erste auf einem Flächentarifvertrag basierende SPM vorliegt. Bereits Anfang Oktober hatte die Finanzaufsicht das bAV-Konzept des Metzler Sozialpartner Pensionsfonds für den Gasgroßhändler Uniper für unbedenklich erklärt. Bei der Umsetzung des Branchen-SPM greifen die Chemie-Tarifpartner auf den ChemiePensionsfonds der R+V zurück mit mehr als 120.000 Versicherten.
Glaubt man der bereits 2020 durchgeführten Untersuchung von Deloitte und dem Marktforscher V.E.R.S., wird mit der Einführung der ersten SPM die reine Beitragszusage im gesamten bAV-Markt Fahrt aufnehmen. Der Zeitpunkt wäre jetzt gekommen. Es bleibt spannend, zu sehen, welche neuen Branchen und Unternehmen das Modell aufgreifen werden. Angesichts fehlender Garantien der Arbeitgeber sind die kollektiven Puffer und deren hoffentlich zuverlässige Handhabung Herzstücke des SPM. Die hat der Gesetzgeber als Kompensationsmechanismen eingebaut. Neben der Mechanik der Puffer kommt entsprechenden Vorwarnsystemen und einem adäquaten Asset Liability Management (ALM) besondere Bedeutung zu. Das Vorwarnsystem alarmiert, wenn kritische Schwellenwerte im Schwankungskorridor erreicht sind. Das konsequente Managen der Puffer erfordert ein engmaschiges und konsequentes ALM. So lässt sich bei flexibler Kapitalanlage das Risiko starker Reduzierungen laufender oder in Aussicht gestellter Rentenzahlungen verringern. Gleichzeitig sind Verständlichkeit und Transparenz für die Akzeptanz wichtig.
Letztlich machen erst individuelle Lösungen gemäß den Anforderungen der Sozialpartner das neue SPM aus. Die Gestaltung müsse für ein „echtes“ SPM individuell sein, etwa beim Rendite-Risiko-Profil, der Nachhaltigkeit, Pufferung und Asset Allocation, fordert Jürgen Bierbaum, Vize-Vorstandschef der Alte-Leipziger-Hallesche-Gruppe und Vertreter des SPM-Konsortiums „Initiative Vorsorge“, das selbst bislang noch kein SPM auf den Markt gebracht hat. Genau hier steckt ein Problem. Im Rahmen von Tarifverträgen mit Allgemeinverbindlichkeiten ist Individualität schwer umsetzbar. Das wiederum wirft die Frage nach der Wirtschaftlichkeit auf. Ab etwa 50 Millionen Euro Fondsvolumen, so die Rechnung der Alte Leipziger, ließe sich ein SPM wirtschaftlich betreiben.
Hinweis: Der Text stammt aus unserem aktuellen dpn-Magazin (Nr. 8/22) in der Rubrik “dpn Standpunkt”.