Vier Faktoren entscheiden über eine gute Diversifikation der strategischen Asset Allocation, sagt Dr. Jakob von Ganske, Leiter Quantitative Investment Solutions bei der Deutsche Oppenheim Family Office und Mitglied der erweiterten Geschäftsführung.

Herr Dr. von Ganske, zu welchem Grad sollte man die Risiken eines liquiden Portfolios zusätzlich mit Unternehmensanleihen, Hochzinsanleihen, Schwellenländeranleihen, Rohstoffen, Staatsanleihen, Gold oder Absolute Return Fonds diversifizieren?

Dr. von Ganske: Vieles, was als zusätzliche Diversifikation beworben wird, versagt konstruktionsbedingt in Extremereignissen. Unternehmensanleihen zum Beispiel sind ökonometrisch gesehen ein Hybrid aus Aktienrisiko und Zinsrisiko. Je schlechter die Bonität, desto dominanter das Aktienrisiko. High Yield und Schwellenländer-Anleihen korrelieren stark mit Aktien- und Kreditrisiken und nicht mehr signifikant mit puren Durationsrisiken.

Hedgefonds sollen zwar unkorrelierte Erträge liefern, tun dies aber leider oftmals nicht in Krisenereignissen, denn auch sie sind statistisch gesehen eine Kombination aus primären Asset-Klassen wie Aktien, Zinsen, Währungen und Gold. Und es sind vor Allem diese primären Asset-Klassen, die man im Portfoliokontext zur Diversifikation braucht.

Sie haben die Haupttreiber der wichtigsten Anlageklassen statistisch ermittelt. Wie sind Sie vorgegangen?

Dr. von Ganske: Nehmen wir an, man würde einen repräsentativen Investor fragen, welche Begriffe ihm einfallen, wenn er die dominanten Treiber der Wertentwicklung der weltweiten Finanzmärkte in den letzten 10 Jahren beschreiben soll – also der meisten Aktien, Anleihen, Währungen, Rohstoffe und Hedgefonds weltweit. Vielleicht würden Begriffe wie „Wirtschaftswachstum“ oder „Geldpolitik“ oder „Niedrigzins“ fallen? Interessanterweise gibt es auf diese Frage eine statistische Antwort. Kombiniert man die Zeitreihen der weltweiten Aktien-, Zins-, Währungs- und Rohstoffmärkte und analysiert diesen Datensatz mittels einer bekannten statistischen Technik aus dem Bereich „Big Data“ mit dem Namen „Hauptkomponentenanalyse“, dann erhält man als Ergebnis zugrundeliegende Risikofaktoren, die den Großteil der Entwicklung all dieser Märkte statistisch erklären.

Bereits die wichtigsten vier Risikofaktoren erklären rund 67 Prozent der Bewegung der meisten weltweit gehandelten Aktien, Anleihen, Rohstoffe und Währungen in den letzten 20 Jahren. Die wichtigsten 6 Faktoren erklären sogar 77 Prozent. Das sind Tausende von Titeln verschiedenster Anlageklassen und Währungsräume, die sich auf aggregierter Indexebene alle mehr oder weniger so bewegen wie eine kleine Handvoll dominanter Finanzmarktrisikofaktoren. Ist das nicht überraschend?

Können Sie mehr über die Risikofaktoren verraten?

Dr. von Ganske: Einfache Korrelationsanalysen liefern eine gute Inspiration. Der wichtigste Risikofaktor korreliert zu 69 Prozent mit Aktien Welt und zu 56 Prozent mit dem Volatilitätsindex VIX. Er kann deshalb als Aktienrisikoprämienfaktor interpretiert werden. Den zweiten könnte man aufgrund der mit 69 Prozent hohen Korrelation zum US-Dollar als Leitwährungsfaktor ansehen. Der dritte kann als Zinsfaktor interpretiert werden, denn er zeigt eine Korrelation von 74 Prozent mit Euro Staatsanleihen auf und eine Korrelation von 72 Prozent mit US-Anleihen mit USD/EUR-Währungsabsicherung.

Der vierte Risikofaktor ist wegen der mit 70 Prozent hohen Korrelation zu Gold und dem Schweizer Franken als „Safe Haven“-Faktor interpretierbar. Auch erwähnenswert ist die hohe Korrelation von Unternehmensanleihen (70 Prozent), High Yield Anleihen (87 Prozent) und Rohstoff-Futures (62 Prozent) mit dem ersten, dem Aktienrisikoprämienfaktor – ein statistischer Hinweis, dass diese Asset-Klassen statistisch gesehen langfristig großteils redundant sind.

Wie könnte diese strategische Asset Allocation aufgebaut sein?

Dr. von Ganske: Wenn man ein Portfolio aus Asset-Klassen konstruiert, welche die vier Faktoren in ihrer Entwicklung approximieren, ist man sehr gut diversifiziert. Schon eine geringe Anzahl günstig implementierbarer Anlageklassen reicht aus.

Aktienrisiken werden natürlich sehr gut mit Hilfe eines weltweiten marktkapitalisierten Aktienindex wie den MSCI All Country Welt abgebildet. Damit partizipiert man am weltweiten Wirtschaftswachstum. Sollte es nicht ganz so rund laufen, wirken der Leitwährungsfaktor und der Zinsfaktor diversifizierend. Beim Zinsfaktor ist das in Asset-Klassen gesprochen ein Investment in Staatsanleihen von Ländern ohne Ausfallrisiko. Euro-Staatsanleihen kann man wegen des aktuellen Zinsumfelds zur Diversifikation leider nicht mehr effektiv heranziehen. Stattdessen kann man aber zu US-Staatsanleihen greifen, denn die Zinsen in den USA sind für eine Laufzeit von 10 Jahren gut positiv und US-Anleihenkurse können signifikant ansteigen. Und typischerweise steigen US-Anleihenkurse, wenn Aktienmärkte stark fallen.

Natürlich gilt das auch umgekehrt, wenn sich die Situation an den Aktienmärkten weiter entspannen sollte oder wenn die Inflation anzieht, können US-Anleihenzinsen weiter steigen und damit Anleihenkurse, auch durchaus abrupt, fallen. Es ist also durchaus möglich, dass eine taktische Untergewichtung von US-Anleihen zum aktuellen Zeitpunkt vorteilhaft wäre.

Dr. Jakob von Ganske, Bildquelle: Deutsche Oppenheim Family Office

Puristisch gesehen ist das aber nicht vorhersagbar. Dieses Investment in US-Staatsanleihen kann man mit einer Absicherung des EUR/USD-Währungskurses verbinden um den reinen Zinsfaktor zu extrahieren, auch hierzu gibt es günstige ETFs. Da die Absicherungskosten von USD/EUR-Währungsrisiken in etwa so hoch sind und sein müssen wie die Zinsdifferenz zwischen den USA und dem Euroraum, bekommt man mit US-Staatsanleihen nach Absicherungskosten in etwa den gleichen erwarteten Zins wie mit Euro-Staatsanleihen gleicher Laufzeit und Bonität. Der Unterschied: US-Zinsen können realistisch betrachtet fallen, was Kursgewinnen entsprechen würde. Bei Zinsen im Euroraum ist dies nur schwer vorstellbar.

Zur Implementierung des dritten Faktors, des Leitwährungsfaktors, braucht man oftmals noch nicht einmal etwas zu tun. Es zeigt sich nämlich, dass der US-Dollar den Verlauf der meisten großen Währungen sehr gut nachbildet. Als aktuelle Leitwährung liefert der US-Dollar in etwa den gleichen Effekt wie der Kanadische Dollar, der Singapur-Dollar, der Yen, der australische Dollar und die norwegische Krone. Praktischerweise ist der US-Dollar schon in einem weltweiten Aktienportfolio enthalten, denn rund 60 Prozent des MSCI All Country Welt bestehen aus Aktien, die in US-Dollar notieren. Bleibt noch der „Safe Haven“-Faktor. Dieser ist sehr gut über Gold implementierbar, welches ebenfalls zu nur geringen Kosten mittels standardisierter Produkte investiert werden kann.

Wie hat sich die Herangehensweise in der Corona-Krise bewährt?

Dr. von Ganske: Ein stückweit wie zu erwarten war. Ein breiter europäischer beziehungsweise US-amerikanischer Unternehmensanleihen-Index fiel in der Zeit vom 18. Februar 2020 bis zum 23. März 2020 um 8 Prozent (in Euro) beziehungsweise 12,4 Prozent (in USD), hat also Verluste am Weltaktienmarkt von über 30 Prozent vielleicht abgemildert, aber nicht signifikant diversifiziert. Noch weniger effektiv war der globale Hochzinsanleihen-Index mit -22 Prozent in USD. Schwellenländeranleihen und Wandelanleihen fielen ebenfalls um rund 22 Prozent, ein repräsentativer Rohstoffindex um 19 Prozent. Ein breiter Hedgefonds Index fiel um fast 11 Prozent. Diese Anlageklassen haben also kaum diversifiziert. Euro-Staatsanleihen haben mit -2 Prozent auch nicht viel zur Diversifikation beigetragen.

Auf der Positivseite: US-Staatsanleihen mit Währungsabsicherung haben mit rund 5 Prozent gut funktioniert. Der USD selbst war zwar kein durchweg verlässlicher kurzfristiger Diversifikator im Corona-Crash. Mit einer Wertentwicklung von rund Null hat der Dollar nur Volatilität beigetragen. Er hat aber gegriffen, als die Aktienvolatilität am höchsten und die Panik demnach am größten war: vom 09.03. bis zum 23.03. rentierte er mit fast 7 Prozent.

Diversifikation heißt nicht, dass jede fragliche Asset-Klasse zu jeder Zeit taggenau die Aktienmarktentwicklung konterkariert. Wichtig ist stattdessen, dass ein Portfolio aus den oben genannten Asset-Klassen über einen gewissen Zeitraum die Schwankungen eines Aktieninvestments mindert, ohne längerfristige Renditeeinbußen in Kauf nehmen zu müssen. Dies kann auch kurz vor einem Crash passieren, wenn sich Anleger in Erwartung eines negativen Katalysten mit sicherheitsorientierten Asset-Klassen eindecken, so wie das zum Beispiel bei Gold kurz vor dem Corona-Crash der Fall war. Hier war von Anfang Februar bis zum 9. März eine Rendite in US-Dollar von über 8 Prozent zu verdienen.

Vielen Dank für Ihre Einschätzung!

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