Im November 2023 gaben die Bundesregierung, KfW Capital und Universal Investment das Final Closing bekannt: Der „Wachstumsfonds Deutschland“, einer der größten Venture-Capital-Dachfonds in Europa, hat sein Zielvolumen von 1 Milliarde Euro erreicht. Guido Birkner spricht mit Dr. Jörg Goschin von KfW Capital und mit Dr. Sofia Harrschar von Universal Investment über den Aufbau des Dachfonds und die Zukunft der Asset-Klasse Venture Capital in institutionellen Portfolios.

„Gerade am Kapitalmarkt ist es immer eine Herausforderung, mit einem solchen Vehikel First Mover zu sein“, sagt Sofia Harrschar, Head of Alternative Investments & Structuring bei Universal Investment. „Deshalb hoffe ich, dass es in Zukunft nicht nur den einen Wachstumsfonds Deutschland, sondern eine ganze Wachstumsfonds-Familie geben wird.“ Auch Jörg Goschin, Geschäftsführer der KfW Capital, sieht den Wachstumsfonds Deutschland in der Rolle eines Eisbrechers, der institutionellen Investoren den Weg ebnet, um mehr in die bislang untergewichtete Asset-Klasse zu investieren. „Über diesen Pionier soll es gelingen, privates Kapital für diese Asset-Klasse zu mobilisieren“, sagt Goschin. „Neben staatlichem Kapital benötigen wir dringend mehr privates Kapital für den VC-Markt, um ausreichend Kapital zu erhalten, um die Innovationen und Technologien zu entwickeln, die unser Land und Europa dringend benötigen.“ Die Symbiose von privatem und staatlichem Kapital könne den VC-Markt perspektivisch wachsen lassen.

KfW Capital und Universal Investment sind die Architekten und Administratoren des Wachstumsfonds Deutschland. Die KfW-Tochtergesellschaft agiert beim Wachstumsfonds Deutschland sowohl als Anlagevermittler als auch als Anlageberater. Sie bringt viel VC-Erfahrung mit, denn sie ist seit vielen Jahren überall dort aktiv, wo die Politik ein Marktversagen feststellt. „Im Bereich innovative Unternehmen und Technologien fehlt Wachstumskapital“, so Goschin. „Wir als KfW Capital stellen das Venture Capital den Start-ups zur Verfügung.“

Universal Investment verantwortet die Verwaltung des Wachstumsfonds Deutschland. „Für uns ist es aufregend, dass der Bund als Player dabei ist“, sagt Sofia Harrschar. „Dadurch steht der Fonds besonders im Blickpunkt.“ Zudem sei der Wachstumsfonds für Universal Investment das erste Projekt auf der Ebene der Venture-Capital-Dachfonds. „Aber die VC-Fondsstrukturen ähneln den Limited-Partnership-Strukturen von Private-Equity-Fonds sehr, und dort kennen wir uns bestens aus. Auch gibt es viele Parallelen zwischen Venture Capital und Private Equity bei der steuerlichen und rechtlichen Prüfung.“

Namhafte Investoren
Der VC-Dachfonds speist sich zu über zwei Dritteln aus privaten Mitteln, ein Drittel stammt aus dem Zukunftsfonds des Bundes und von KfW Capital. Neben den beiden staatlichen Ankerinvestoren haben sich mehr als 20 institutionelle Investoren als Limited Partners (LPs) am Wachstumsfonds beteiligt. Darunter sind Versicherungen, Versorgungswerke, Stiftungen, Vermögensverwalter und große Family Offices. Namentlich zählen unter anderem die Versicherungsgesellschaften Allianz, Debeka, Generali Deutschland AG, Gothaer Versicherung, HUK-Coburg, SIGNAL IDUNA, Stuttgarter Lebensversicherung a. G., Tecta Invest und Württembergische Lebensversicherung AG zu den LPs. Auch die US-amerikanische Fondsgesellschaft BlackRock und die RAG-Stiftung beteiligen sich.

Jörg Goschin räumt ein, dass die Gewinnung der institutionellen Investoren nicht einfach war. „Abgesehen von Family Offices hat die überwiegende Zahl der institutionellen Investoren bislang Venture Capital in ihren Portfolios stark untergewichtet“, erläutert der Geschäftsführer. „Der VC-Markt ist recht intransparent, und häufig fehlte die Erfahrung mit der Asset-Klasse Venture Capital.“ Zudem hat sich seit dem kräftigen Zinsanstieg in den beiden zurückliegenden Jahren der Denominatoreffekt in ihren Portfolios eingestellt: Die Spielräume für illiquide Anlageklassen sind ausgeschöpft, manche Investoren verkaufen lieber Anteile, als dass sie illiquid zukaufen. Das erschwert VC-Zielfonds die Suche nach LPs.

Dabei hat sich die VC-Branche in den vergangenen 15 Jahren deutlich professionalisiert. „Wir sind mit dem Wachstumsfonds noch in der Niedrigzinsphase gestartet, und Investoren suchten Möglichkeiten, ihre Portfolios zu diversifizieren“, erklärt Goschin. „Dank der höheren Professionalisierung waren Investoren der Asset-Klasse Venture Capital gegenüber etwas aufgeschlossener.“ Doch institutionelle Investoren legen ihr Geld üblicherweise unter Risiko-Rendite-Gesichtspunkten an, und die Asset-Klasse VC bietet zwar höhere Renditen, birgt aber auch höhere Risiken in sich.

Jörg Goschin

Auch ist der Venture-Capital-Markt vielen institutionellen Investoren zu kleinteilig. So sammeln VC-Fonds üblicherweise ein Gesamtkapital in einer Spanne von 50 bis 150 Millionen Euro ein. Dagegen wollen Investoren wie Versicherungsgesellschaften mit einzelnen Tickets große Beträge, oft in zweistelliger Millionenhöhe, investieren. Deshalb bietet sich ein Fund of Funds wie der Wachstumsfonds mit einem Volumen von 1 Milliarde Euro eher für einen institutionellen Investor an, um ein entsprechendes Ticket zu platzieren bei gleichzeitiger Diversifikation. „Mit dem Wachstumsfonds kommt Deutschland auf die VC-Landkarte“, sagt Sofia Harrschar.

Für die Expertin für alternative Investments stellt ein Dachfonds das geeignete Vehikel für institutionelle Investoren dar, wenn sie ein finanziell motiviertes Investment etwa in Elektromobilität, Healthcare oder künstliche Intelligenz tätigen und gleichzeitig die Risiken solcher Investments diversifizieren möchten. „Andere Investoren – vor allem Industrieunternehmen – schauen durch die strategische Brille auf den VC-Markt. Sie wollen sich oft über direkte Investments in Start-ups Zugang zu neuen Technologien und Geschäftsmodellen verschaffen.“

Investitionsstrategien
Der Wachstumsfonds investiert gemeinsam mit anderen LPs in deutsche, aber auch in internationale VC-Zielfonds. Dabei soll der Anlageschwerpunkt gemäß den Investment-Strategien der einzelnen Zielfonds in Europa und Deutschland liegen. Der Zugang zu dringend benötigtem Wachstumskapital wird so für Start-ups und innovative Technologieunternehmen deutlich verbessert, und die Innovationsstandorte Europa und Deutschland sollen gestärkt werden.

Eine Besonderheit der Struktur des Wachstumsfonds Deutschland sind seine parallelen Investment-Vehikel mit verschiedenen Investment-Opportunitäten, die den unterschiedlichen Risikopräferenzen der einzelnen Investorengruppen Rechnung tragen. Neben der klassischen Investition als Limited Partner in den Wachstumsfonds kann auch eine Investition über ein Wertpapier gewählt werden. Dabei erlaubt es die Struktur, dass die Investoren einen präferierten und laufenden Zins erhalten, während andere Anleger durch diesen faktischen Leverage mehr ins Risiko gehen, dafür aber keine Deckelung bei den Ausschüttungen haben. Allen Zugangswegen ist gemeinsam, dass sie auf die regulatorischen Bedürfnisse der Anleger ausgelegt sind.

Investment-Fokus auf deutsche und europäische VC-Zielfonds und Later Stage
Insgesamt legt der Wachstumsfonds seinen Investitionsschwerpunkt auf deutsche und europäische VC-Zielfonds mit einem Fokus auf Later Stage. „Das Zielsegment ist Wachstumskapital, also Unternehmen, die schon Umsätze generieren und bei denen der Proof of Concept schon stattgefunden hat“, sagt Jörg Goschin. „Es geht um Start-ups, die Kapital für eine Serie B oder Serie C suchen, denn gerade im Segment des späterphasigen VC ist die Förderlücke besonders groß.“

Der Wachstumsfonds investiert branchenagnostisch, der Sektorfokus liegt jedoch speziell auf den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnologie, Life Science sowie Climate and Food Tech. Der Dachfonds begann bereits nach dem First Closing im Dezember 2022 zu investieren. Im ersten Jahr hat er Commitments für etwa 300 Millionen Euro an 18 Fonds abgegeben. Somit hat KfW Capital schon fast ein Drittel der Gesamtmittel des Dachfonds von über 1 Milliarde Euro platziert.

Der Wachstumsfonds ist jetzt geschlossen und hat eine Laufzeit von grundsätzlich 15 Jahren. Sie setzt sich aus einer vierjährigen Investment-Periode und einer elfjährigen Harvesting-Periode zusammen. Im laufenden Jahr und in den drei folgenden Jahren wird der Dachfonds das übrige eingesammelte Kapital in weitere VC-Zielfonds investieren, die wiederum jeweils in 20 bis 30 Zielunternehmen anteilig einsteigen werden. Typischerweise investiert der Wachstumsfonds in Zielfonds, die mindestens ein Fondsvolumen von 100 Millionen Euro aufweisen.

Hohe Renditen
Die 15-jährige Laufzeit des Dachfonds mit einer vierjährigen Investment-Periode erklärt sich damit, dass VC-Zielfonds typischerweise zehn Jahre lang laufen. „Das ist wichtig für die Ausschüttungen an die LPs des Wachstumsfonds“, erklärt Goschin. „Wenn wir also im Jahr 1 in einen Zielfonds investiert haben, dann sollte dieser Zielfonds sein Kapital im Jahr 11 zurückgezahlt haben.“ Ausschüttungen an die LPs erfolgen immer dann, wenn ein Liquiditäts-event in einem Zielfonds stattfindet. Das kann also dann sein, wenn ein Zielfonds seine Anteile an einem Zielunternehmen verkauft. Das Geld kommt in den Zielfonds und wird in den Dachfonds gespült, der es wieder an seine LPs ausschüttet.

Die Zielrendite des Wachstumsfonds liegt marktüblich im zweistelligen Bereich. „Die Renditen bei VC-Fonds sind breiter gestreut als bei PE-Fonds“, sagt Sofia Harrschar. „Natürlich locken übliche VC-Fonds bei der Rendite mit dem Extra-Spice, zudem lassen sich die Risiken eines VC-Fonds über die Diversifikation managen.“ Doch die Alternatives-Expertin betont, dass VC noch weit davon entfernt ist, zu einem Standard in den Portfolios institutioneller Investoren zu werden. Aber: „Mit dem Wachstumsfonds und der Kompetenz von KfW Capital und Universal Investment stellen wir ein Vehikel zur Verfügung, das diese Asset-Klasse auch institutionellen Anlegern schmackhaft machen sollte.“

Der Erfolg bei der Gewinnung von LPs gibt den Partnern Recht. Immerhin handelt es sich bei dem Wachstumsfonds Deutschland um einen First-Time-Fonds. „Das wäre für viele institutionelle Investoren eigentlich ein Ausschlusskriterium“, so Frau Harrschar. „Aber das Engagement des Bundes am Dachfonds und der gute Track Record von KfW Capital als Fondsinvestor spielten neben der Struktur sicher auch eine Rolle für den Erfolg.“ Für die VC-Branche sei der Wachstumsfonds sehr innovativ – im Hinblick auf das Volumen und die Zusammenarbeit. „Ich habe noch nicht gesehen, dass sich Staat und Privatwirtschaft in der Weise zusammentun. Vor allem finde ich die Idee spannend, dass der Staat eine solche Initiative fördert, sie aber nicht direktiv allein führt, sondern diejenigen unterstützt, die es gut können.“

Due Diligence
Für die Due Diligence der potentiellen Zielfonds setzt KfW Capital auf bewährte Prozesse. Das Unternehmen hat unterschiedliche qualitative und quantitative Kriterien für verschiedene Bereiche definiert: Welche Investitionsstrategie verfolgt ein VC-Fonds? Wie ist er aufgestellt? Wie ist das Team des Fonds zusammengesetzt? Wie sieht die rechtliche Dokumentation des Fonds aus? Verfügt der Fonds über eine ESG-Policy?

Universal Investment schließt sich dann mit der steuerlichen und rechtlichen Prüfung an. Die Private-Equity-Spezialistin Harrschar weist auf die rechtlichen Unterschiede zwischen Venture Capital und Private Equity hin, etwa bei den Bewertungsprinzipien. „Auf Start-ups lassen sich keine Bewertungskriterien anwenden, die für herkömmliche Unternehmen passen, denn diese Unternehmen befinden sich noch im Aufbau.“ Normal ruft ein VC-Zielfonds das Kapital über einen festen Zeitraum ab und investiert es in Zielunternehmen. „Dann prüfen wir, ob der Zielfonds gemäß der unterschriebenen Vereinbarung das Geld verwendet, ob die Richtung der Investments stimmt und ob er seinen Berichtspflichten ordnungsgemäß nachkommt.“ Es werde nach Steuer- und Investment-Recht geprüft, und dieser rigorose Prüfansatz gebe auch den Investoren beim Wachstumsfonds Vertrauen und Sicherheit.

Der Wachstumsfonds stellt in seiner Größe und in der Asset-Klasse eine Herausforderung für Universal Investment dar. „Wir waren schon davor groß im Alternatives-Segment und bei dessen Prüfung aufgestellt, doch auf Venture Capital mussten wir uns neu einstellen und auch direkt im vergangenen Jahr die 18 ersten Investments in Zielfonds prüfen.“ Eine weitere Herausforderung für die beiden Partner KfW Capital und Universal Investment waren die Vorarbeiten für den Wachstumsfonds während der Pandemie. „Die neuen Partner kannten sich zuvor noch nicht und konnten lange räumlich nicht zusammenkommen“, berichtet Sofia Harrschar. „Universal Investment musste für das Projekt die Buchhaltung, das Reporting und die Kontrollsysteme neu ausrichten und vorhalten.“ Viele Dinge seien neu: Die Zahlungsrückflüsse sind kleinteiliger, die Berichtsstandards anders als benötigt, die Prozesse des Partners KfW Capital unterschiedlich. „Auch in der Granularität unserer Zusammenarbeit mussten wir uns erst finden, denn Prozesse, Tools und Methoden waren auf beiden Seiten ursprünglich sehr unterschiedlich. Hier mussten wir zunächst Brücken bauen.“

Privates Kapital für Wachstum und Innovation bündeln
Angesichts generell rückläufiger Rückflüsse aus anderen Private-Equity- und Venture-Capital-Fonds gehen auch die Investitionen in neue Fonds am Markt zurück. „Deshalb sind die GPs froh, dass es den Wachstumsfonds als großen potentiellen Investor gibt“, sagt Jörg Goschin. „Somit ermöglicht der Wachstumsfonds den institutionellen Investoren Zugang zu einer Asset-Klasse, die sie bisher kaum erschlossen haben. Zudem bündelt er das private Kapital neben dem staatlichen Kapital für Wachstum und Innovation in Deutschland und Europa.“

Im Start-up- und VC-Umfeld liegen Chancen für junge Unternehmen wie in keinem anderen Segment – auch in Krisenzeiten. Etwa für Start-ups, die sich auf die Entwicklung und Herstellung neuer Werkstoffe spezialisieren. „Die haben jetzt besonders gute Chancen mit ihren Produkten auf dem Markt“, so Goschin. „Junge Unternehmen können die Industrie mit Substituten beliefern statt seltener Rohstoffe.“ Andere Start-ups helfen, energieeffizienter zu produzieren. Der Technologie- und der Healthcare-Sektor profitieren vom Umbruch in der Wirtschft.

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